Der Münchner Erzbischof Kardinal Reinhard Marx hat eine Debatte über die kirchliche Sexualmoral gefordert.  in der Kirche Mariä Himmelfahrt am Aussendungsgottesdienst für die Sternsingeraktion 2023 teil. (zu dpa: «Marx: Mit Hoffnung zur Überwindung von Krisen ins neue Jahr ») Foto: Sven Hoppe/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Sven Hoppe

Kardinal Reinhard Marx

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Lust oder Laster? Kardinal Marx fordert Debatte über Sexuallehre

Gabe Gottes oder Geschenk des Teufels? Der Münchner Erzbischof Kardinal Reinhard Marx hat eine Debatte über die kirchliche Sexualmoral gefordert. Sexualität sei ein katholisches Trauma. Das Lehramt der Kirche habe sich bei dieser Frage "übernommen".

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 1 am Morgen am .

Der Münchner Erzbischof Kardinal Reinhard Marx hat eine Debatte über die kirchliche Sexualmoral gefordert. Sexualität sei eine "Gabe Gottes", sagte Marx am Samstag bei der Eröffnung einer Ausstellung zum Umgang der Kirche mit Sexualität im Diözesanmuseum Freising. Trotz der Geschichte vom Sündenfall könne es gelingen, "dass die Sexualität Platz hat im Paradies".

Kardinal Marx: Lehramt hat sich übernommen

Er fügte hinzu, dass die katholische Lehre über die Sexualität "auch ein katholisches Trauma" darstelle: "Unser Problem ist nicht das Lehramt, sondern, dass sich das Lehramt übernommen hat in Fragen, die gar nicht da hingehören."

In Theologie, Predigt und Seelsorge sei in der Vergangenheit oft ein negatives Bild menschlicher Sexualität gezeichnet worden: "Sie wurde mit Schuld und Sünde bewehrt, was auch zu Verdrängung und Doppelmoral geführt hat", sagte der Erzbischof dem Bayerischen Rundfunk. Dabei sei aus dem Blick geraten, dass das christliche Menschenbild auch für die Sexualität positive Perspektiven eröffnen wolle. Diese "Verdrängung und Doppelmoral", werde auch in den Kunstwerken sichtbar, erklärte der Museumsdirektor Christoph Kürzeder.

"Missbrauch zeigt Grundproblematik von Kirche und Sexualität"

Die Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche habe gezeigt, "dass es eine Grundproblematik gibt im Beziehungsfeld von Kirche und Sexualität", so der Erzbischof. "Leidenschaft, Lust und Sex gegen Vernunft, Liebe und Moral? Es klingt manchmal ein wenig so, als gebe es entweder ein sündiges, triebgesteuertes und unvernünftiges Leben oder das Ideal der reinen Liebe." Aber das habe wenig mit der Wirklichkeit zu tun.

Die Ausstellung in Freising kann nach Ansicht von Marx zur Auseinandersetzung mit der Frage anregen, "ob diese Gabe Gottes, dieser Raum, der uns geschenkt ist durch die Schöpfung, kreativ, lebensdienlich entfaltet wird, oder zu einer toxischen Wirklichkeit erklärt wird, wo man eigentlich nur noch Fehler machen kann".

Text zur Sexualität scheitert beim Synodalen Weg

Mit Blick auf das Reformprojekt Synodaler Weg verwies er auf die "große Diskussion darüber, dass ein Text über die Sexualität nicht - noch nicht jedenfalls - die Zweidrittelmehrheit der Bischöfe gefunden hat". Aber immerhin hätten 60 Prozent einem Text zugestimmt, der vor 20 Jahren niemals überhaupt auf die Tagesordnung der Bischofskonferenz gekommen wäre.

"Das Thema ist nicht beendet, wenn wir meinen, nun haben wir all die Schattenseiten, all das, was im Bereich zu Sexualität und Theologie gesagt wurde, hinter uns gelassen, und nun stehen wir vor dem Zeitalter der befreiten Sexualität", erklärte der Kardinal weiter. Es werde immer eine Lebensaufgabe bleiben. Angesichts aktueller Herausforderungen, auch im Zusammenhang mit der Diskussion um Missbrauch, sei es "geradezu notwendig, das Thema aufzurufen, nicht nur im intellektuellen Bereich, nicht nur im Rahmen einer moraltheologischen Debatte, sondern auch im Blick auf die Kunstgeschichte".

Ausstellung im Diözesanmuseum bis 29. Mai

Die Idee zur Ausstellung kam von Kardinal Reinhard Marx sowie seinem damaligen Generalvikar Peter Beer. Die beiden hätten zunächst ungläubiges Staunen geerntet, wie sich Carmen Roll, stellvertretende Leiterin des Diözesanmuseums Freising, erinnert. "Als wir gefragt wurden, ob wir das uns vorstellen können, dieses Thema zu bearbeiten, haben wir gesagt, nein, auf keinen Fall. Und dann waren wir aber schon mitten im Thema drin, weil's halt einfach jeden angeht und weil's jeden berührt."

Die Ausstellung zeigt bis 29. Mai mehr als 150 Kunstwerke zu dem Thema, von Leonardo da Vinci, Tintoretto, Cranach, Guido Reni und anderen. Beteiligt sind Leihgeber aus acht Ländern, darunter die Uffizien in Florenz, das Staatliche Kunstmuseum in Kopenhagen und das Kunsthistorische Museum Wien. Der Tenor der ersten Besucherinnen und Besucher: Es sei richtig und mutig, dass sich ein Diözesanmuseum mit diesem Spannungsfeld von Kirche und Körper auseinandersetzt.

Mit Material von dpa und KNA

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

Sie interessieren sich für Themen rund um Religion, Kirche, Spiritualität und ethische Fragestellungen? Dann abonnieren Sie unseren Newsletter. Jeden Freitag die wichtigsten Meldungen der Woche direkt in Ihr Postfach. Hier geht's zur Anmeldung.