Israelische Soldaten rücken im Gazastreifen vor
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Israelische Soldaten rücken im Gazastreifen vor

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Gazastreifen: Kämpfe ausgeweitet – Weiteres Krankenhaus umstellt

Inmitten vager Hoffnungen auf eine Geisel-Freilassung weitet Israel seinen Einsatz im Gazastreifen offenbar aus, ein weiteres Krankenhaus wurde dabei umstellt. Fast 30 Frühgeborene aus der Al-Schifa-Klinik wurden inzwischen nach Ägypten gebracht.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Die israelische Armee hatte am Sonntag erklärt, die Kämpfe gegen die islamistische Hamas in "zusätzliche Gebiete" des Palästinensergebiets ausdehnen zu wollen. Heute brachen daraufhin im Norden des Gazastreifens nach palästinensischen Angaben Kämpfe um ein weiteres Krankenhaus aus, das von Indonesien finanziert wird.

Heftige Kämpfe tobten Augenzeugen zufolge im Norden auch zwischen Hamas-Mitgliedern und israelischen Streitkräften, die versuchten, in das Flüchtlingslager Dschabalia vorzudringen. Dort leben etwa 100.000 Menschen. Nach israelischen Angaben ist Dschabalia eine Hochburg der Hamas.

Panzer kreisen Krankenhaus ein

In Zusammenhang mit diesen Kämpfen kreisten israelische Panzer das Gelände des "Indonesian Hospital" ein, das am Rande des Flüchtlingslagers Dschabalia liegt, wie die von der radikal-islamischen Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörden von Gaza mitteilte. Bei Schüssen auf den Komplex seien mindestens zwölf Palästinenser getötet und Dutzende verletzt worden, darunter auch Patienten. Überprüfbar sind diese Angaben nicht.

Laut der Gesundheitsbehörde befinden sich noch 700 Patienten und Pfleger in der Klinik. "Die israelische Armee belagert das indonesische Krankenhaus und wir befürchten, dass dort dasselbe passieren wird wie im Al-Schifa-Krankenhaus", sagte Behördensprecher Aschraf al-Kudra.

Israel vermutet Hamas-Zentrale unter der Klinik

Vom israelischer Seite lag zunächst keine Stellungnahme zur Lage um das indonesische Krankenhaus vor. Ebenso wie unter der Al-Schifa-Klinik vermutet die israelische Armee offenbar auch unter dem "Indonesian Hospital" ein unterirdisches Kontrollzentrum der Hamas, die Palästinenserorganisation bestreitet das.

Das Militär hatte bereits im Zusammenhang mit dem Vorgehen rund um die Al-Schifa-Klinik erklärt, dass seine Streitkräfte "Terror-Infrastruktur" ins Visier nähmen. Israelische Soldaten befinden sich seit Tagen auf dem Gelände der Al-Schifa-Klinik, des größten Krankenhauses im Gazastreifen. Am Sonntag erklärte die Armee, sie habe unter dem Klinikgelände in zehn Metern Tiefe einen 55 Meter langen Tunnel sowie ein Waffenlager gefunden.

Karte: Übersicht des Gazastreifens

Armee: Video zeigt Geiseln im Al-Schifa-Krankenhaus

Von Israel veröffentlichte Aufnahmen von Überwachungskameras der Klinik zeigten dort nach Armeeangaben zudem zwei mutmaßliche Hamas-Geiseln in Begleitung von bewaffneten Männern. Nach Angaben von Armeesprecher Daniel Hagari stammen die beiden Geiseln aus Nepal und Thailand. Laut einer Erklärung der Armee und der Geheimdienste belegten die Aufnahmen, dass die Hamas "den Schifa-Krankenhauskomplex am Tag des Massakers als terroristische Infrastruktur nutzte".

Leiche einer Geisel vor Klinik gefunden

Diese Angaben werden laut der Armee auch von jüngsten Erkenntnissen über den Tod der von der Hamas als Geisel verschleppten Noa Marciano gestützt. Die Leiche der 19-Jährigen war wenige Tage zuvor von israelischen Truppen geborgen worden. "Konkreten Geheimdienstinformationen" zufolge sei sie im Al-Schifa-Krankenhaus festgehalten und dort von der Hamas getötet worden. Ihre Leiche habe man später vor dem Krankenhaus abgelegt. Die Hamas hatte zuvor angegeben, Marciano sei bei einem israelischen Luftangriff getötet worden.

Frühgeborene aus Gaza nach Ägypten gebracht

Derweil berichteten Medien, dass inzwischen 29 aus der Al-Schifa-Klinik evakuierte Frühgeborene in Ägypten angekommen seien. Der staatsnahe ägyptische Sender Al Kahera News meldete die Ankunft der Babys über den Grenzübergang Rafah im Süden des Gazastreifens. In einer Live-Übertragung war zu sehen, wie medizinisches Personal vorsichtig Säuglinge aus einem Krankenwagen hob und sie in mobile Inkubatoren legte, die dann zu anderen Krankenwagen gerollt wurden.

Im Video: Säuglinge kommen in Ägypten an

Die Frühgeborenen wurden am Grenzübergang Rafah in mobile Inkubatoren gelegt
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Die Frühgeborenen wurden am Grenzübergang Rafah in mobile Inkubatoren gelegt

Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mussten drei Frühgeborene aber im Emarati-Krankenhaus im südlichen Gazastreifen, wohin die Babys zunächst zur Stabilisierung gebracht worden waren, zurückbleiben. "Drei Babys befinden sich noch im Emarati-Hospital und werden weiter behandelt", teilte die WHO mit: "Alle Babys kämpfen mit schweren Infektionen und benötigen weiterhin medizinische Versorgung."

Erstmals seit Beginn des Krieges erreichte zudem heute ein Feldkrankenhaus den Gazastreifen. 40 mit der Ausrüstung beladene Lastwagen sowie 170 Pflegekräfte überquerten nach Angaben der Hamas-Gesundheitsbehörde von Ägypten aus den Grenzübergang Rafah. Das Feldlazarett kommt demnach aus Jordanien und wird laut dem Generaldirektor für die Krankenhäuser im Gazastreifen, Mohammed Zakut, in Chan Junis aufgestellt.

Nur noch "geringfügige" Hindernisse für Geisel-Freilassung?

Angesichts der Kämpfe um das Al-Schifa-Krankenhaus und der immer prekäreren humanitären Lage im Gazastreifen waren die internationalen Rufe nach Feuerpausen zuletzt lauter geworden. Hoffnungen, dass es bald dazu kommen könnte, keimten seit dem Wochenende auf. Vertreter der USA sahen Fortschritte bei den Vermittlungsbemühungen Katars, eine Einigung zu erzielen, die die Freilassung von Geiseln aus der Gewalt der Hamas ermöglicht sowie Feuerpausen, damit weitere Hilfslieferungen in den Gazastreifen gelangen können.

Nach jüngsten Angaben aus Katar könnte eine Vereinbarung über die Freilassung der Hamas-Geiseln in der Tat kurz bevorstehen. Der katarischen Regierung zufolge stehen dem nur noch "geringfügige" Hindernisse entgegen. Das Golfemirat nimmt bei der Vermittlung zwischen Israel und der Hamas eine Schlüsselrolle ein.

Netanjahu trifft Angehörige der Entführten

Ähnlich äußerte sich der Vize-Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jon Finer. Er sagte dem US-Sender NBC, dass ein Abkommen "näher als je zuvor" sei. Ihm zufolge sieht es die Freilassung von "mehreren dutzend" Geiseln im Gegenzug zu einer "längeren, mehrere Tage dauernde Kampfpause" vor. Später fügte Finer jedoch hinzu, es gelte "das Mantra, dass nichts vereinbart ist, bis alles vereinbart ist".

Die angeblichen Fortschritte wurden bislang weder von der Hamas noch von Israel bestätigt. Israel hat bislang vorübergehenden Kampfpausen zugestimmt, lehnt aber eine Waffenruhe ab, solange nicht alle Geiseln freigelassen werden. Am Montagabend ist ein Treffen von Familienangehörigen der Geiseln mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, Verteidigungsminister Joav Gallant und Benny Gantz, einem weiteren Mitglied der Notstandsregierung, geplant.

Mit Informationen von AFP und Reuters

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