Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei ihrer Ankunft zum EU-Gipfel in Brüssel am 21.10.21.
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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei ihrer Ankunft zum EU-Gipfel in Brüssel am 21.10.21.

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EU-Gipfel: Uneins in Reaktion auf Polens Justiz

Auf Merkels wahrscheinlich letztem EU-Gipfel diskutieren die Regierungschefs die jüngste Eskalation im Streit über Polens Justiz. Einige Länder fordern einen harten Kurs gegen Warschau. Die deutsche Bundeskanzlerin setzt hingegen auf Dialog.

Angela Merkels wahrscheinlich letzter EU-Gipfel wird keine harmonische Veranstaltung, viel Zeit zum Feiern bleibt der Bundeskanzlerin und den anderen Staats- und Regierungschefs auch nicht. Sie diskutieren über die jüngste Eskalation im jahrelangen Streit über Polens Justiz. Wir sind bereit zum Dialog, sagt Premier Mateusz Morawiecki zum Auftakt. Aber er sagt auch: "Wir werden nicht unter dem Druck von Erpressungen handeln." Polen sei nicht damit einverstanden, dass die EU ständig ihre Kompetenzen ausweite. Aber man werde "selbstverständlich einvernehmlich über eine Lösung der aktuellen Streitigkeiten sprechen".

Viktor Orban stellt sich auf die Seite Polens

Ungarns Regierungschef Viktor Orban springt Warschau bei – wie so oft. Die Polen haben Recht, betont er. "In den Bereichen, wo wir keine Zuständigkeiten an die EU-Institutionen übertragen haben, um Regeln zu schaffen, hat das nationale Recht Vorrang", sagt der Ministerpräsident Ungarns.

Grundsatzfrage zu EU-Recht und nationalem Recht

Allerdings dreht sich der Streit nicht um einzelne Kompetenzen, sondern um die Grundsatzfrage, ob EU-Recht über nationaler Rechtsetzung steht. Polens Verfassungsgericht hat Artikel der EU-Verträge für unvereinbar erklärt mit der eigenen Verfassung. Dadurch sehen die EU-Kommission und viele Mitgliedsstaaten Grundwerte gefährdet: Gewaltenteilung, Unabhängigkeit der Justiz, auch die Rechtssicherheit für alle EU-Bürgerinnen und Bürger. Bundeskanzlerin Merkel will trotzdem mit Warschau im Gespräch bleiben: "Rechtsstaatlichkeit ist ein Kern des Bestands der Europäischen Union", sagt die Kanzlerin. "Auf der anderen Seite müssen wir Wege und Möglichkeiten finden, hier wieder zusammenzukommen." Denn eine Kaskade von Rechtsstreitigkeiten vor dem Europäischen Gerichtshof sei noch keine Lösung, wie Rechtsstaatlichkeit gelebt werden könne.

Mehrere Staaten fordern harten Kurs

Staaten wie Österreich, Luxemburg oder Belgien fordern dagegen einen harten Kurs. Auch der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte droht ganz unverhohlen damit, Geld für den Wiederaufbau nach der Pandemie zurückhalten: "Es ist sehr schwer vorstellbar, dass Polen ein großer neuer Fonds zugänglich gemacht wird, solange das nicht gelöst ist", sagt Rutte.

Es geht um 36 Millionen Euro Corona-Fonds für Polen

Warschau erwartet aus dem Corona-Fonds insgesamt 36 Milliarden Euro, davon 24 Milliarden an Zuschüssen, aber die EU-Kommission hat den polnischen Aufbauplan bisher nicht gebilligt. Außerdem müssen die anderen Mitgliedsstaaten der Auszahlung zustimmen.

Weiteres Gipfel-Thema: Energiepreise

Ebenfalls umstritten beim Gipfel: Die Reaktion auf die steigenden Energiepreise. Ärmeren Haushalten und kleinen Unternehmen schnell helfen – darin sind sich die Staats- und Regierungschefs einig. Darüber hinaus fordern einige Länder weitergehende Maßnahmen: gemeinsame Gasvorräte anlegen, zusammen Erdgas einkaufen, den Strom- vom Gaspreis entkoppeln. Spaniens Ministerpräsident Pedro Sanchez erklärt: "In Brüssel und anderswo sind die Fortschritte weniger schnell als wir uns das wünschen würden, aber die spanische Regierung wird vorangehen und weiter für Lösungen arbeiten, die über die nationalen hinausgehen."

Bundeskanzlerin Merkel verlangt, besonnen zu reagieren, den Markt nicht vollkommen auszuschalten und notfalls soziale Unterstützung zu leisten, wie das mit dem Wohngeld in Deutschland geschehe.

Morgen Debatte zu Flüchtlingszahlen

Morgen wird der Gipfel über die steigende Zahl von Flüchtlingen diskutieren, die über Belarus in die EU kommen. Merkel wirft Machthaber Alexander Lukaschenko staatlich organisierten Menschenhandel vor, sie hat weitere Sanktionen gegen Minsk ins Gespräch gebracht.

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