Carola Lutz vom Bund der Deutschen Katholischen Jugend sitzt während der Zweiten Synodalversammlung der katholischen Kirche neben einem Plakat mit der Aufschrift "Bereit weil Ihr es (noch?) nicht seid".
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Carola Lutz vom Bund der Deutschen Katholischen Jugend sitzt während der Zweiten Synodalversammlung der katholischen Kirche neben einem Plakat.

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Endspurt im Reformprozess: Welche Änderungen plant die Kirche?

Der Missbrauchsskandal hat in der katholischen Kirche in Deutschland Diskussionen über Reformen ausgelöst. Beim "Synodalen Weg" beraten Laien und Bischöfe darüber gemeinsam. Jetzt geht es auf die Zielgerade. Was soll sich in der Kirche ändern?

Über dieses Thema berichtet: BR24 Infoblock am .

Seit 2019 ist die katholische Kirche in Deutschland auf dem sogenannten Synodalen Weg unterwegs. Bei dem Reformprozess geht es vor allem um die Themen Macht, Priestertum und Sexualmoral sowie um die Rolle der Frauen in der Kirche. Auslöser ist die durch den Missbrauchsskandal entstandene Vertrauens- und Glaubwürdigkeitskrise der Kirche.

Sechs Dokumente mit konkreten Reformvorschlägen

Mit der ab Donnerstag stattfindenden vierten Synodalversammlung in Frankfurt am Main biegen die Debatten auf die Zielgerade ein. Eine eng getaktete Tagesordnung erwartet Bischöfe und Laienvertreter bei ihrem Treffen vom 8. bis 10. September.

Es ist die letzte Möglichkeit, noch neue Texte einzubringen, außerdem könnten bereits neun Dokumente nach ausführlichen Beratungen am Ende beschlossen werden. Darunter befinden sich gleich sechs Handlungstexte, die konkrete Reformvorschläge für die katholische Kirche vorsehen.

  • Zum Artikel: "Synodaler Weg: Vatikan kanzelt Reformdebatte in Deutschland ab"

Macht und Gewaltenteilung in der Kirche

Die verschiedenen Reformthemen sind in vier Bereiche, sogenannte Synodalforen, gegliedert. Im Synodalforum I "Macht und Gewaltenteilung in der Kirche" könnten zwei Handlungstexte beschlossen werden. In beiden Texten geht es um mehr Mitbestimmung von Laien in der deutschen Kirche.

So soll der Bischof jedes Bistums "repräsentativ gewählten Gläubigen verbindlich" das Recht einräumen, alle Fragen zu Themen von bistumsweiter Bedeutung gemeinsam zu beraten und zu entscheiden. Das wären mehr Kompetenzen als sie die bestehenden Diözesanräte haben, die an Entscheidungen bisher nicht beteiligt werden. Auch auf Ebene der Pfarreien soll es ein vergleichbares Gremium geben.

"Idee bringt einige Spannungen und Probleme mit sich"

Damit dies gelingen kann, spielt die freiwillige Selbstbindung der Bischöfe und Pfarrer an die in den Gremien getroffenen Beschlüsse eine zentrale Rolle. Diese Idee bringt laut dem Politikwissenschaftler Mariano Barbato allerdings einige Spannungen und Probleme mit sich. Spannungen zwischen der "neuen Selbstverpflichtung" und der "alten Bindung" in der Hierarchie würden nicht ausbleiben.

"Folgt er [der Bischof] der Selbstverpflichtung gegenüber seinem Gremium, haben wir eine andere Kirche und dann bald keine mehr", schreibt Barbato in einem Beitrag für die "Herder Korrespondenz". Damit dies nicht geschehe, müssten Papst und Weltkirche zuerst entscheiden, welche Entscheidungen vor Ort überhaupt getroffen werden dürften.

Vorschlag: Ein dauerhafter "Synodaler Weg" in Deutschland

Außerdem geht es bei dem Treffen in Frankfurt darum, ein Gremium dauerhaft zu etablieren, das der aktuellen Synodalversammlung ähnelt.

Der "Synodale Rat" soll laut Beschlussdokument als Beratungs- und Beschlussorgan über wesentliche Entwicklungen in Kirche und Gesellschaft beraten und Grundsatzentscheidungen "zu pastoralen Planungen, Zukunftsfragen und Haushaltsangelegenheiten der Kirche, die nicht auf diözesaner Ebene entschieden werden", treffen. Die Tagungen sollen öffentlich stattfinden und der Vorsitz beim Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und dem Vorsitzenden des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) liegen.

Zölibat der Priester – Bestärkung und Öffnung

Im Synodalforum II "Priesterliche Existenz heute" wird der Handlungstext "Der Zölibat der Priester – Bestärkung und Öffnung" diskutiert. Darin wird der Papst gebeten, den Pflichtzölibat zu prüfen, sowie den Weg für die Weihe verheirateter Männer (sogenannte viri probati) frei zu machen. Sollte der Pflichtzölibat abgeschafft werden, soll der Papst in einem zweiten Schritt aufgefordert werden zu prüfen, "ob auch bereits geweihten Priestern die Möglichkeit eröffnet werden kann, sich vom Zölibatsversprechen entbinden zu lassen, ohne die Ausübung des Amtes aufgeben zu müssen".

Weiterhin sollen DBK und ZdK die Lage von Priestern untersuchen, die in Deutschland aus dem Amt geschieden sind. Die Forderung im Dokument: "Dispensierte Priester sollten sich grundsätzlich auf alle Laien offenstehenden kirchlichen Berufe bewerben können." Bisher ist dies nicht möglich.

Frauen in der Kirche

Im Synodalforum III "Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche" liegt ebenfalls ein Dokument vor, das nach positiven Beratungen beschlossen werden könnte. Einer der Vorschläge, die diskutiert werden: Grundsätzlich sollen mehr Frauen in Leitungspositionen in den unterschiedlichsten Bereichen der Kirche - etwa in kirchlichen Akademien, Pressestellen und Kirchengerichten - eingesetzt werden.

Außerdem sollen Frauen unter anderem in der Sprache und den Medien sichtbarer gemacht werden. Alle Bistümer sollen gemeinsam mit den ehrenamtlichen Gremien "die Verwendung einer geschlechtersensiblen Sprache" abstimmen und gemeinsam Regelungen einführen. Nach Einführung soll es entsprechende Fortbildungsmaßnahmen geben. Pressestellen aller kirchlichen Institutionen und kirchliche Medien, wie Onlineportale und Kirchenzeitungen, sollen für eine ausgewogene mediale Darstellung und "Sichtbarkeit von Frauen in Person und Sprache" sorgen.

  • Zum Artikel: "Gott+" - Junge Katholiken und Katholikinnen gendern Gott

Noch keine Abstimmung zur Weihe von Frauen

Zum Dritten soll durch verschiedene Modelle zudem der Anteil von verantwortlichen Frauen in der Priesterausbildung erhöht werden. Vorschläge sind hier, eine Doppelspitze im Priesterseminar aus Regens und einer Frau einzuführen und die Ausbildung von angehenden Priestern mit der von "Pastoralreferent*innen, Gemeindereferent*innen und Religionslehrer*innen" zu verknüpfen. Außerdem sollen Erkenntnisse "aus theologischer Frauenforschung und feministisch-theologischer Wissenschaft in der Aus- und Fortbildung" berücksichtigt werden.

Über das Papier "Diakonat der Frau", in dem es um die Zulassung von Frauen zu Weiheämtern geht, wird bei dieser Tagung noch nicht abgestimmt. Es sieht vor, dass die deutschen Bischöfe beim Papst eine Erlaubnis beantragen, Frauen zu Diakoninnen weihen zu dürfen. Das in Deutschland heiß diskutierte Thema wird somit erst beim letzten fünften Treffen vom 9. bis 11. März 2023 entschieden werden.

Sexualität und Partnerschaft

Im Synodalforum IV zu Sexualität und Partnerschaft könnte über zwei weitere Vorschläge abgestimmt werden. Das Dokument "Grundordnung des kirchlichen Dienstes" fordert, dass die private Lebensgestaltung der kirchlichen Mitarbeiter im Bereich der Sexualität und Partnerschaft keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen mehr hat. Die Bischöfe haben bereits im Juni einen Entwurf zur Reform der "Grundordnung des kirchlichen Dienstes" vorgelegt. In dem Text, den eine Arbeitsgruppe der Bischöfe unter Vorsitz von Kardinal Rainer Maria Woelki aus Köln ausgearbeitet hat, heißt es wörtlich:

"Der Kernbereich privater Lebensgestaltung, insbesondere Beziehungsleben und Intimsphäre, bleibt rechtlichen Bewertungen entzogen." Zitat aus Entwurf zur Reform der "Grundordnung des kirchlichen Dienstes"

Die Reform sei ein echter Fortschritt für die 790.000 Beschäftigten der katholischen Kirche, sagte die Chefin des Caritasverbandes der Erzdiözese München und Freising, Gabriele Stark-Angermeier damals BR24. Sie sei "ein kompletter Paradigmenwechsel". Diese Forderung des Synodalen Wegs könnte also schon bald umgesetzt werden.

Neubewertung von Homosexualität

Der zweite Handlungstext des Synodalforum IV behandelt die "Lehramtliche Neubewertung von Homosexualität". Der Synodale Weg will dem Papst eine lehramtliche Präzisierung und Neubewertung der Homosexualität vorschlagen, die diese nicht länger als Sünde qualifiziert. "Zu jeder menschlichen Person gehört untrennbar ihre sexuelle Orientierung", heißt es in dem Text. "Sie ist nicht selbst ausgesucht und sie ist nicht veränderbar." Da die homosexuelle Orientierung zum Menschen gehöre, "wie er*sie von Gott geschaffen wurde, ist sie ethisch grundsätzlich nicht anders zu beurteilen als die heterosexuelle Orientierung".

Homosexualität dürfe daher nicht länger von der Kirche als Sünde bewertet werden. Die entsprechenden Stellen im Katechismus müssten dementsprechend geändert werden. Außerdem müssten sogenannte Konversionstherapien strikt abgelehnt werden und homosexuellen Männern dürfe offiziell nicht mehr der Empfang der Priesterweihe verwehrt werden.

  • Zum Artikel: "Kirche goes Christopher Street Day: Priester bei Parade dabei"

Was sagt der Vatikan? Katholiken appellieren an Mut der Bischöfe

Wie viele der sechs Handlungstexte bei der jetzt stattfindenden vierten Synodalversammlung beschlossen werden, ist noch offen. Außerdem bleibt abzuwarten, ob sich beschlossene Texte auch in die Praxis umsetzen lassen, denn in vielen Fällen könnte der Vatikan sein Veto einlegen mit der Begründung, dass die Zuständigkeit bei der Weltkirche und nicht bei den einzelnen Diözesen vor Ort liege.

Katholische Reformgruppen haben vor Beginn der Tagung daher schon mal an den Mut der Bischöfe appelliert. Der Sprecher der Reformbewegung "Wir sind Kirche", Christian Weisner, sagte, die Bischöfe müssten sich nun endlich positionieren. Je geschlossener sie sich gemeinsam mit den Bischofskonferenzen anderer Länder in Rom für die dringend anstehende Reformen einsetzten, umso weniger werde dies ignoriert werden können. Im Vatikan soll es im kommenden Jahr eine Weltsynode geben, die über Themen und Probleme berät, die die nationalen Kirchen zuvor eingereicht haben.

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