Priester in dunklem Raum.
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Wer Priester werden will, verspricht bei seiner Weihe ehelos zu leben und sexuell enthaltsam zu sein.

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Katholische Kirche streitet um Zölibat - Worum geht es da?

Es ist einer der Dauerbrenner in der katholischen Kirche: das Zölibat. An der Frage, ob Priester heiraten dürfen oder nicht, scheiden sich die Geister. Welche Argumente haben Befürworter und Gegner? Und seit wann gibt es das Zölibat überhaupt?

Zölibat, ja oder nein: Das ist wohl zur Zeit einer der größten Streitpunkte in der katholischen Kirche in Deutschland. Nicht nur viele Gottesdienstbesucher fordern die Abschaffung des aus ihrer Sicht aus der Zeit gefallenen Zeichens. Auch bei den Chefs der einzelnen Diözesen, den Bischöfen, wird heftig debattiert.

So sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz und Erzbischof von München, Kardinal Reinhard Marx, im September vergangenen Jahres, dass er sich eine regionale Lockerung des Zölibats durchaus vorstellen könne. Ähnlich äußerte sich sein Würzburger Kollege Bischof Franz Jung. Und auch der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick plädiert in seinem eigenen Bistumsmagazin für Ausnahmen vom Zölibat. Auf der anderen Seite stehen Kirchengrößen wie Kardinal Rainer Maria Woelki aus Köln oder der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer, der das Zölibat für "vielleicht noch nie so wichtig wie heute" hält.

Lässt sich das Zölibat einfach abschaffen?

Befürworter der Ehelosigkeit und sexuellen Enthaltsamkeit von Priestern sagen: nein. Sie argumentieren: Schon in der Bibel sei die Ehelosigkeit Thema. Jesus sagt zu seinen Jüngern: "Wenn jemand zu mir kommt und nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein Leben gering achtet, dann kann er nicht mein Jünger sein." (Lukas-Evangelium 14,26) Allerdings macht die Bibel über Jesu eigene Lebensumstände und Sexualität keine Angaben.

Die ersten Anhänger Jesu - und somit die ersten Gemeindeleiter - hielten nach Darstellung der Bibel eher wenig vom Junggesellendasein: Petrus, der immerhin als "erster Papst" bezeichnet wird, und viele andere gehen an der Seite einer Frau durchs Leben. Für den Apostel Paulus ist das Zölibat ein Charisma, also eine Gnadengabe Gottes, die man entweder hat oder eben nicht (1. Brief an die Korinther 7,7).

Wann wurde das Zölibat in der Kirche eingeführt?

Die Entwicklung hin zum Zölibat setzte wohl um das Jahr 300 ein. Zu dieser Zeit wurde aber noch keine absolute Ehelosigkeit diskutiert. Vielmehr wurde gefordert, die Priester sollten am Sonntag, wenn sie die Messe feierten, mit ihren Frauen Enthaltsamkeit üben. Dies war keine Erfindung des Christentums: In vielen religiösen Kulten, die schon lange vor Christi Geburt existierten, pflegte man kultische Reinheit - was bedeutete, dass der Kultvorsteher sich am Tag eines religiösen Rituals sexuell enthielt.

Erst im Mittelalter führten kirchliche Reformen im 11. und 12. Jahrhundert dazu, dass Ehen von Priestern und Bischöfen als ungültig angesehen wurden. Wissenschaftliche Theorien über den Grund für diese historische Reform sind vielfältig. Auf konservativer Seite gehört der Neutestamentler Klaus Berger zu denjenigen, die sich schon seit vielen Jahren mit dem Zölibat auseinandersetzen. Seine These: Mit dem Zölibat spiegelt der Priester Gott selbst wider, der außerhalb menschlicher Kategorien wie Arbeit und Freizeit, Mann und Frau steht. Der Priester widmet sein ganzes Leben seiner Berufung, ohne seine Zeit etwa mit einer Familie zu teilen.

Gegner des Zölibats argumentieren dagegen: Die priesterliche Ehelosigkeit sei vor allem kirchenrechtlich geregelt worden, um Priesterdynastien zu verhindern - und dadurch Nachkommen von Kirchenmännern, die Erbansprüche stellen könnten. Auf diese Weise sicherte die Kirche ihre Pfründe und Besitztümer.

Viele Priester heirateten trotz Zölibats-Gesetz

Der Kirchenhistoriker Hubert Wolf hat allerdings zahlreiche Dokumente aus verschiedenen Jahrhunderten gefunden, die erahnen lassen, dass sich Priester in Massen nicht an den Zölibat gehalten und trotzdem geheiratet haben. Noch aus dem 18. Jahrhundert hat Wolf zahlreiche Belege für massenweise Befreiungen vom Zölibat gefunden, weil die Bischöfe anscheinend nicht gegen die vielen Verstöße vorgehen konnten - oder wollten.

Zu einem Umdenken kam es im 19. Jahrhundert. Die Französische Revolution erschütterte das Glaubensleben schwer. Die katholische Kirche stand vielerorts vor einem Scherbenhaufen oder existierte in ihren bisherigen Strukturen überhaupt nicht mehr. An diesem Tiefpunkt beginnt sie, herauszustellen, was sie einzigartig macht. Dazu gehören, im Gegensatz zu den verheirateten Pastoren der Protestanten, auch zölibatäre Priester, die Gott viel näher sein sollen als der normale Gemeindechrist.

Zölibat ist eine "geschichtliche Glaubensentscheidung"

Und so konstatiert das Lexikon für Theologie und Kirche (LThK), das als das Standardwerk der katholischen Theologie bezeichnet werden kann, dass das Zölibats-Gesetz keine unveränderliche Glaubenswahrheit ist, "sondern eine von den Päpsten und einer breiten Mehrheit der Bischöfe getragene geschichtliche Glaubensentscheidung. Das heißt auch, dass andere geschichtliche Bedingungen unter Umständen andere Entscheidungen nahelegen können."

Laut LThK muss das Zölibat also immer auf die aktuelle Situation hin untersucht werden. In einer Zeit nach der Französischen Revolution mag es sinnvoll und nützlich gewesen sein. In einer Zeit, in der das "gewandelte Verständnis von Sexualität, die Tatsache, dass der Zölibat für viele Menschen zu einem unverständlichen Zeichen geworden ist", sogar bei vielen Kirchgängern zu einem Abrücken von der Kirche führt, wird über das Gesetzt "weiter diskutiert werden müssen", so das LThK.

Vatikan erlässt 2019 neue Richtlinie zu Priesterkindern

Für viele Priester sei das Zölibat heute nur noch schwer lebbar, was nicht zuletzt an den vielen Kindern von Priestern deutlich wird. Dass deren Zahl deutlich größer ist, als man lange Zeit eingestehen wollte, zeigt die Tatsache, dass der Vatikan im März 2019 dazu extra eine neue Richtlinie erließ. Darin heißt es: Wenn ein Priester Vater eines Kindes wird, soll das Wohl des Kindes sein primäres Anliegen sein.

Amazonas-Synode spricht sich für verheiratete Priester aus

Bei der Amazonas-Synode im Herbst 2019 im Vatikan stimmte eine deutliche Mehrheit der 169 anwesenden Kardinäle und Bischöfe für eine Lockerung des Zölibats und verheiratete Priester. Ein Grund ist der hochgradige Priestermangel in der Region Amazonien, der dazu führt, dass in vielen Gemeinden die Feier der Eucharistie (Gottesdienst mit Kommunion) nicht mehr oder nur noch sehr selten stattfinden kann. Die Synodenteilnehmer sprachen sich dafür aus, sogenannten "Viri probati" - in Beruf und Ehe bewährten Männern - priesterliche Aufgaben zu übertragen. Das letzte Wort dazu hat allerdings Papst Franziskus, der sich Anfang 2020 in einem Schreiben dazu äußern will.

Deutsche Kirche diskutiert Zölibat bei "Synodalem Weg"

Auch in Deutschland setzt man große Hoffnung in die Worte des Papstes. Denn auch hierzulande müssen immer mehr Kirchengemeinden zu Großpfarreien zusammengelegt werden, da es nicht mehr genügend Priester für deren Betreuung gibt. Beim aktuellen Reformprozess von katholischen Bischöfen und Laien, dem "Synodalen Weg", wird es daher auch um das Zölibat gehen.

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