Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro bei einer Veranstaltung am 20.10.21
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Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro bei einer Veranstaltung am 20.10.21

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Corona in Brasilien: Senat empfiehlt Anklage Bolsonaros

Ein Ausschuss des brasilianischen Senats hat für eine Anklage gegen Präsident Bolsonaro wegen dessen Corona-Politik gestimmt. Eine tatsächliche Anklage unter anderem wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit halten Experten aber für unwahrscheinlich.

Die parlamentarische Untersuchung über Bolsonaros katastrophales Corona-Management war bereits abgeschlossen, da sorgte Brasiliens Präsident schon für den nächsten Skandal. In seiner wöchentlichen Live-Ansprache auf Facebook warnte Brasiliens Staatschef, vollständig Geimpfte könnten sich schneller mit HIV infizieren.

Zum Beweis hielt er eine angebliche Studie der britischen Regierung ins Bild. Fake News, erklärte London daraufhin. Facebook löschte das Video und der parlamentarische Untersuchungsausschuss forderte, alle Online-Nutzerkonten Bolsonaros zu sperren.

Kommission empfiehlt Dutzende Anklagen

Wegen wiederholtem, eklatanten und potenziell kriminellen Verhalten des Präsidenten der Republik, erklärte Senator Omar Aziz die Entscheidung - der Punkt wurde kurzerhand noch aufgenommen in den Bericht der Parlamentskommission. Diese empfiehlt nun Anklagen gegen Bolsonaro sowie 77 weitere Personen, darunter mehrere Minister und Ex-Minister sowie drei Söhne Bolsonaros. Der Bericht wurde mit einer Mehrheit von 7 der 11 Stimmen angenommen.

Auf mehr als 1.000 Seiten dokumentiert der Bericht das Versagen von Bolsonaros Regierung in der Pandemie. Erst wurde Corona geleugnet, dann verharmlost, bis heute preist Bolsonaro den umstrittenen Wirkstoff Chloroquin an, warb persönlich für offenbar gefälschte Studien. In der Amazonas-Metropole Manaus kollabierte zweimal das Gesundheitssystem. Es fehlten Intensivbetten und Sauerstoff. Viele Opfer mussten in Massengräbern beerdigt werden.

"Serienkiller" Bolsonaro?

Laut Kommission am Gravierendsten: Bolsonaro bestellte zu spät Impfstoffe - und zu wenige. Das habe die Corona-Krise zusätzlich verschärft. Renan Calheiros, der den Bericht ausgearbeitet hat, findet deutliche Worte. "Die Verantwortung dafür tragen viele Personen, es gibt viele Angeklagte", sagt er. "Aber die Hauptverantwortung liegt bei diesem Präsidenten, diesem Serienkiller, der anscheinend eine zwanghafte Neigung zum Tod hat."

Dass Bolsonaro selbst angeklagt wird oder das Parlament ein Amtsenthebungsverfahren einleiten wird, halten Experten wie der Jurist Roberto Días von der Getulio Vargas Stiftung dennoch für unwahrscheinlich. "Es gibt zweifellos einige Hindernisse dabei, den Präsidenten selbst zur Rechenschaft zu ziehen - aber die Staatsbediensteten, die keine Immunität genießen, gegen sie, so scheint es mir, werden so schnell wie möglich Ermittlungen eingeleitet", erläutert er. "In Bezug auf den Präsidenten ist die Situation etwas komplizierter, da die Nähe zwischen ihm und dem Oberstaatsanwalt Aras weitere Schritte behindern dürfte."

Trotzdem ist klar: Der politische Schaden ist groß. In der Bevölkerung schmilzt der Rückhalt für den Präsidenten. Nur noch der harte Kern seiner Anhänger steht weiter hinter Bolsonaro.

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