Geistlicher mit einem Kreuz.
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Die Deutsche Bischofskonferenz hat nun eine neue Arbeitshilfe vorgestellt und will konsequenter gegen geistlichen Missbrauch vorgehen.

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Bischofskonferenz geht gegen geistlichen Missbrauch vor

Mit einer Arbeitshilfe will die Bischofskonferenz geistlichem Missbrauch - die Manipulation durch religiöse Autoritäten - konsequenter vorbeugen und ihn besser aufarbeiten. Betroffene fordern, dass dem Papier nun auch Taten folgen müssen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Die katholischen Bischöfe in Deutschland wollen geistlichen Missbrauch im religiös-spirituellen Umfeld stärker bekämpfen. "Die bisweilen lebenslang wirkenden Verwundungen solchen Missbrauchs sind denen des sexuellen Missbrauchs vergleichbar", sagte der Bischof von Dresden-Meißen, Heinrich Timmerevers, am Dienstag bei der Herbstvollversammlung der Bischofskonferenz in Wiesbaden.

Die Deutsche Bischofskonferenz stellte eine Arbeitshilfe vor, die die Vorbeugung und Aufarbeitung verbessern soll. Der Text geht auf eine Initiative von Betroffenen zurück, die sich an die Bischofskonferenz gewandt hätten.

Betroffene: "Schritt in die richtige Richtung"

Mechthild Leise war 25 Jahre lang Mitglied der Katholischen Integrierten Gemeinde, einer mittlerweile aufgelösten sektenähnlichen Gruppierung innerhalb der katholischen Kirche. Dort hat sie geistlichen und spirituellen Missbrauch erlebt. Für sie ist die neue Arbeitshilfe "ein Schritt in die richtige Richtung".

"Es zeigt, dass das Thema ernster genommen wird als noch vor einigen Jahren", sagt Leise im BR-Interview. "Jetzt geht es darum, dass die Bischöfe und auch die Theologen dieses Papier lesen und dem Gelesenen dann Taten folgen lassen. Das ist nämlich bislang nicht erkennbar."

Was bedeutet "geistlicher Missbrauch"?

Geistlicher oder spiritueller Missbrauch liegt dann vor, wenn Seelsorger Beziehungen ausnutzen, um Macht auszuüben oder Menschen abhängig zu machen. Unter geistlichem Missbrauch versteht man die Manipulation, Ausnutzung oder Bevormundung im Namen Gottes – etwa in der Seelsorge, im Religionsunterricht, bei der Beichte und geistlichen Begleitung. Werte und Überzeugungen werden den Betroffenen gegen ihren Willen aufgedrängt und sie werden zu bestimmten Handlungen gezwungen.

In der katholischen Integrierten Gemeinde wurden beispielsweise Ehen arrangiert, Kinder von den leiblichen Eltern getrennt, Mitglieder mussten alles geben, auch finanziell. Religiöse Werte und Symbole, ethische Begriffe oder theologische Konzepte wurden missbraucht, um die gesamte Lebensführung zu kontrollieren.

Geistlicher Missbrauch kein strafrechtlicher Tatbestand

Während sexueller Missbrauch ein Straftatbestand ist, ist geistlicher Missbrauch schwer strafrechtlich zu fassen. "Geistlichen Missbrauch als Straftat kennt selbst das kirchliche Strafrecht noch nicht und das öffentliche Strafrecht hilft uns hier auch nicht sehr viel weiter", sagte Bischof Timmerevers auf einer Pressekonferenz in Wiesbaden anlässlich der Bischofskonferenz. Die Betroffenen erhielten deshalb in den meisten Fällen bisher keine Unterstützung – weder von den Bistumsleitungen, der Polizei, noch der Staatsanwaltschaft. Das soll sich nun ändern.

Die Arbeitshilfe, die die deutsche Bischofskonferenz am Dienstag vorgelegt hat, beginnt mit einem Schuldbekenntnis. Die Bischofskonferenz will Betroffene und Verantwortliche besser sensibilisieren. Wo wird aus einer seelsorgerlichen Beziehung eine toxische? Wo entsteht ein Abhängigkeitsverhältnis? Besonders groß scheint die Gefahr in geschlossenen Gruppen, in geistlichen Gemeinschaften und Orden. Manipulation kann aber auch im Religionsunterricht oder im Beichtgespräch stattfinden.

Missbrauch von Macht, Theologie und Bibel

Gerade wenn man geistlichen Missbrauch erlebt habe, brauche es Aufklärung über die Rolle der kirchlichen Institutionen, fordern Betroffene wie Mechthild Leise. Dazu sei Akteneinsicht nötig, die im Fall der Integrierten Gemeinde bislang abgelehnt wurde. "Aufbauend auf diesen Dokumenten und Erkenntnissen braucht es dann eine wissenschaftliche Analyse. Es reicht nicht, das im juristischen oder im kirchenrechtlichen Sinn aufzuarbeiten. Auch andere Disziplinen, insbesondere die Theologie ist gefragt."

Denn gerade bei geistlichem Missbrauch werden Bibeltexte und theologische Aussagen missbraucht, um Menschen zu manipulieren. Mechthild Leise hat mittlerweile mit der Kirche gebrochen – nicht nur deswegen, was sie in der Integrierten Gemeinde erlebt hat, sondern auch wie die Kirche anschließend mit der Aufarbeitung umgegangen ist.

Betroffene wie Mechthild Leise will die Kirche in Zukunft nicht mehr alleine lassen. So zumindest die Ankündigung bei der Deutschen Bischofskonferenz in Wiesbaden. Sie sollen sich an unabhängige Beraterinnen und Berater in Anlaufstellen wenden können, um dort Hilfe zu bekommen. Und Täter sollen, falls möglich, strafrechtlich oder dienstrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden.

Mit Material von dpa und KNA

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