Studentinnen und Studenten sitzen während einer Vorlesung in einem Hörsaal.
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Studentinnen und Studenten sitzen während einer Vorlesung in einem Hörsaal.

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"Schuldenfalle droht": Studienkredit-Zinsen auf Rekordniveau

Der Zinssatz des KfW-Studienkredits erreicht mit neun Prozent Rekordniveau. Das Deutsche Studierendenwerk warnt vor einer "Schuldenfalle" und fordert die Politik auf, einzugreifen. Das Bundesbildungsministerium erteilt eine Absage.

Peter Herzog ist Student, 28 Jahre alt und hoch verschuldet. Für sein Jura-Studium im oberfränkischen Bayreuth hat er einen Studienkredit der staatlichen KfW-Bank aufgenommen – damals zu niedrigen Zinsen. Auf den Kredit ist er ohne finanzielle Unterstützung der Eltern und ohne Bafög angewiesen. Das Problem: Der variable Zinssatz ist jetzt auf über neun Prozent erhöht worden – Rekordniveau. Herzog macht sich Sorgen, die hohe Zinssumme sei "ein ganz schöner Brocken: Meine Schulden liegen bei mehreren Zehntausend Euro". So kurz vor Ende seines Studiums gebe es aber "keinen Weg zurück."

Ohne Kredit kein Studium

Ohne Kredit hätte er aber nicht studieren können. Daneben hat der 28-Jährige zwar noch ein Stipendium und jobbt an der Uni. Doch das Leben ist und wird teuer: Monatlich gibt Herzog rund 700 Euro aus – Lebensmittel sind bei dieser Summe noch nicht mit eingerechnet.

Die jetzige Erhöhung der Kreditzinsen bedeutet für ihn, dass er wohl auf Freizeit-Angebote verzichten muss, beispielsweise Streaming-Accounts oder Zeitschriften-Abos kündigt. Und, "die Möglichkeit ist da, dass man irgendwann darüber nachdenken muss, was man sich zum Essen einkauft".

"Zinssatz für Studienkredit doppelt so hoch wie Immobilienkredit"

Ohne Kredit könnte er sich das Studium zwar nicht leisten, dennoch rät der 28-Jährige anderen Studierenden davon ab, jetzt einen neuen Studienkredit bei der KfW-Bank abzuschließen. Matthias Anbuhl, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Studierendenwerks, warnt ebenfalls vor Neu-Verträgen: "Es droht eine Schuldenfalle. Der Zinssatz für den KfW-Studienkredit ist doppelt so hoch wie ein Immobilienkredit. Das ist wirklich ein echter sozialpolitischer Skandal. Der KfW-Kredit als ergänzende Studienfinanzierung hat sich mit dem aktuellen Zinssatz jedenfalls ad absurdum geführt."

Das zeigen auch die Zahlen des Zentrums für Hochschulentwicklung: Der KfW-Studienkredit als Marktführer stellt oft den letzten Rettungsanker dar – doch der befindet sich selbst im Sinkflug. 2022 haben ihn lediglich 15.500 Studierende neu abgeschlossen – das ist ein Drittel weniger als im Vorjahr. Als Grund für die Erhöhung der Zinsen nennt die KfW den Anstieg des europäischen Referenzzinssatzes Euribor. Wie es heißt, erzielt die KfW mit dem Studienkredit keinen Gewinn, muss über den Zinssatz aber anfallende Kosten decken.

Union sieht Bildungsministerin in der Pflicht

Dennoch sei das nicht hinnehmbar, meint Katrin Staffler, bildungspolitische Sprecherin der CSU im Bundestag. Sie fürchtet, dass Studierende ohne Hilfe der Eltern und bei den hohen Kreditzinsen das Studium ganz abbrechen. Die Abgeordnete sieht Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) in der Pflicht und fordert, "dass sie endlich anfängt, Studierende in unserem Land in den Blick zu nehmen und mit der KfW in Gespräche eintritt, um die Zinsen zu senken (…) und für die Studierenden zu kämpfen."

Staffler verweist auf das Jahr 2008, als der damaligen Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) gelungen sei, durch Gespräche mit der KfW die Zinsen zu senken. Die Zinsen lagen damals mit rund sieben Prozent aber nicht so hoch wie derzeit.

Bildungsministerium: Keine Bundesmittel für Studienkredit

Statt eines Rettungs-Signals gibt es eine Absage vom Bundesbildungsministerium. Auf BR24-Anfrage heißt es, man habe sich mit der KfW-Bank ausgetauscht – wegen der aktuellen Haushaltslage könne der Bund aber nicht unterstützen. Ohnehin sei die damalige Einführung des KfW-Studienkredits an die Bedingung geknüpft gewesen, dass sich daraus keine Belastungen für den Bundeshaushalt ergeben dürfen.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete, Oliver Kaczmarek, sieht in erster Linie die KfW-Bank in der Pflicht, etwas an ihrer Geschäftspolitik zu ändern – er will aber auch Hoffnung machen und verweist wie das Bildungsministerium auf "eine bessere Möglichkeit, das Studium zu finanzieren: das ist das Bafög. Aber wir müssen das Bafög jetzt so ausbauen, dass weniger Menschen auf den KfW-Studienkredit angewiesen sind."

Bafög-Reform soll Studierende unterstützen

Der SPD-Politiker spricht die geplante Bafög-Reform der Bundesregierung an. Denn auch dieses staatlich geförderte Finanzierungsangebot für Studierende kriselt: Forderungen nach mehr Geld beim Bafög wurden laut. Wann und wie viel durch die geplante Reform geändert wird, hängt vom Bundeshaushalt ab – das kann dauern.

Für Student Peter Herzog aus Bayreuth kommt das ohnehin zu spät, er kämpft jetzt mit den Zinsen seines Studienkredites und hofft auf einen guten Job nach dem Studium, um seine Schulden abzuzahlen.

Dieser Artikel ist erstmals am 07.10.2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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