Die WHO prangert "skrupellose" Vermarktung von Babynahrung an
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Babynahrung oder Muttermilch? Viele Eltern entscheiden sich für ersteres

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WHO prangert "skrupelloses" Marketing bei Babynahrung an

Stillen sei das Beste für Mutter und Kind, sagen viele Experten. Einige Hersteller von Babynahrung nutzen einer WHO-Studie zufolge jedoch umstrittenen Marketingmethoden, um Eltern und Gesundheitspersonal von ihren Produkten zu überzeugen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat den Herstellern von Babynahrung eine "skrupellose Vermarktung" vorgeworfen. Viele Hersteller manipulierten Eltern und Gesundheitspersonal, hieß es in einer Studie der WHO und des UN-Kinderhilfswerks Unicef. Die beiden Organisationen prangerten irreführende oder wissenschaftlich nicht fundierte Behauptungen an, die Mütter dazu bringen sollen, ihren Babys Säuglingsnahrung statt Muttermilch zu geben.

Umsatz der Babynahrung-Hersteller in 20 Jahren fast verdoppelt

Die Industrie war der Studie zufolge im Jahr 2019 55 Milliarden Dollar (umgerechnet rund 48 Milliarden Euro) wert. Während die Stillquote in den vergangenen 20 Jahren leicht angestiegen sei, habe sich im gleichen Zeitraum der Umsatz der Säuglingsnahrungshersteller fast verdoppelt. Es gebe rund ein halbes Dutzend große Unternehmen, sagte der bei der WHO für Mutter-Kind-Gesundheit zuständige Nigel Rollins. Ihre Praktiken seien ähnlich.

Für die Studie wurden 8.500 Schwangere und junge Mütter sowie 300 Gesundheitsbedienstete in acht Ländern befragt. 51 Prozent der Befragten gaben an, Werbung erhalten zu haben, etwa auf sozialen Medien oder in Kliniken. In Bangladesch sagten 57 Prozent der Mütter, Gesundheitspersonal habe ihnen künstliche Babynahrung empfohlen, in Nigeria 45 und in Großbritannien 30 Prozent.

WHO prangert Marketingmethoden an

Es gehe der WHO nicht darum, Babynahrung aus den Verkaufsregalen zu verbannen, betonte Nigel Rollins. Manche Säuglinge brauchten diese Nahrung. In der Studie gehe es nur um Vermarktungsmethoden, die Mütter, die eigentlich stillen wollten und könnten, manipulierten.

"Soll die Geburt eines Kindes wirklich eine Angelegenheit für kommerzielle Geschäfte sein?", sagte Rollins. Die Studie vergleicht die Vermarktung von Säuglingsnahrung mit der von Tabak oder Glücksspielangeboten, "bei denen der Verkauf Vorrang vor der Gesundheit und Entwicklung des Kindes hat".

Viele Firmen starteten oder infiltrierten Müttergruppen in den sozialen Medien, um Babynahrung zu bewerben, heißt es in der Studie. Gesundheitspersonal werde etwa bei Konferenzen oder durch Broschüren mit zweifelhaften Informationen versorgt, die sie oft an Mütter weitergäben: etwa, dass Babys mit Säuglingsnahrung länger schliefen, dass Muttermilch mit der Zeit an Qualität verliere oder dass bestimmte Produkte Allergien vorbeugen könnten. Manchmal erhielten sie eine Provision von Firmen, wenn sie Kundinnen und Kunden rekrutierten.

Stillen hat laut WHO lebenslange Vorteile für das Kind

Nach Angaben der WHO hat 100-prozentiges Stillen in den ersten Lebensmonaten lebenslange gesundheitliche Vorteile. Unter anderem verringere dies Risiken für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Fettleibigkeit und Diabetes bei den Kindern sowie Brustkrebs bei den Müttern.

Nestlé: Verzicht auf bestimmte Werbung in 163 Ländern

Einer der größten Babynahrungshersteller ist der Schweizer Konzern Nestlé. Er teilte mit, dass das Unternehmen in 163 Ländern nicht für Nahrung für Babys unter zwölf Monaten werbe. Bis Jahresende werde alle Werbung weltweit für Babynahrung bis zum sechsten Lebensmonat gestoppt.

"Nestlé unterstützt die Annahme von Gesetzen über das Marketing von Babynahrung in allen Ländern", teilte das Unternehmen mit. Nur 25 Länder hätten den Verhaltenskodex von 1981 über die Vermarktung von Babynahrung weitgehend umgesetzt, hatte die WHO 2020 berichtet. Deutschland gehört nicht dazu.

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