Iranische Flagge vor einem UN-Gebäude
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Verhältnis zum Iran: Zwischen Protesten und Atomdeal

Seit anderthalb Jahren ringen der Iran und der Westen um ein neues Atomabkommen, das den Bau einer iranischen Atombombe verhindern soll. Nun aber fragen viele: Kann man dem Regime entgegenkommen, während in Teheran auf Demonstranten geschossen wird?

Über dieses Thema berichtet: Dossier Politik am .

Bei den Verhandlungen in Wien hat es in den vergangenen Monaten schon viele Probleme gegeben. Einen Abbruch der Gespräche haben beide Seiten bisher aber vermieden, denn sie sind grundsätzlich an einer neuen Vereinbarung interessiert. Der Iran braucht mehr Zugang zu den Weltmärkten für sein Öl, um seine Wirtschaft aus der Dauerkrise zu holen. Die Führung in Teheran betont immer wieder, ihr Atomprogramm diene nur zivilen Zwecken. Der Iran sei zur Zusammenarbeit bereit.

Dennoch zögere Präsident Raisi bei den Wiener Atomgesprächen mit einer Einigung, sagt Joe Macaron, Nahost-Experte und früherer UN-Berater mit Sitz in Paris. "Das iranische Regime will raus aus der wirtschaftlichen Isolation", so Macaron. Das sei ein Befehl von Revolutionsführer Khamenei. Die Regierung im Iran "fühlt sie sich ermutigt, weil als Folge des Ukraine-Konflikts Länder wie Saudi-Arabien, Iran und Venezuela aufgerufen werden, mehr Öl zu produzieren, um den Rückgang des Angebots aus Russland wettzumachen." Deswegen verhandele die iranische Regierung hart.

  • Zum Artikel: "Baerbock strebt weitere Sanktionen gegen den Iran an"

USA und Europa: Angst vor iranischer Atombombe

Auch die USA und Europa wollen einen neuen Atomdeal, weil sie befürchten, dass der Iran ohne die Fesseln eines neuen Abkommens bald in der Lage sein wird, eine Atombombe zu bauen. Das erste Atomabkommen von 2015 – unter der englischen Abkürzung JCPOA bekannt – konnte das iranische Atomprogramm bremsen, doch seit dem Ausstieg der USA unter Präsident Donald Trump im Jahr 2018 lehnte der Iran immer mehr Kontrollen ab. Trumps Nachfolger Joe Biden will deshalb den neuen Vertrag.

Die iranischen Proteste könnten die Verhandlungen aber ins Stocken bringen. Westliche Politiker wollen nicht ausgerechnet jetzt öffentliche Zugeständnisse an Teheran machen. Das gilt vor allem für US-Präsident Biden, der seinen innenpolitischen Gegnern vor den Kongresswahlen im November keine Angriffsfläche bieten will. Die USA haben inzwischen sogar neue Sanktionen gegen iranische Regime-Vertreter verhängt, die EU will am 17. Oktober nachziehen.

Nahost-Experte glaubt an Atomdeal

Trotzdem glaubt Nahost-Experte Macaron, dass es am Ende einen neuen Atomvertrag geben wird. "Der Protest im Iran verändert das Spiel, aber ich glaube nicht, dass die Proteste auf lange Sicht negative oder positive Folgen für den Atomvertrag haben werden". Der Westen verfolge dieses Abkommen weiter, und zwar aus geopolitischen Gründen. "Die Proteste machen es westlichen Politikern schwer, denn sie wollen nicht den Eindruck vermitteln, dass sie sich mit einem repressiven Regime auf einen Deal einlassen. Aber das wird vorbeigehen."

Für Adnan Tabatabai von der Nahost-Denkfabrik Carpo in Bonn sprechen zwei Dinge dafür, weiter eine Einigung anzustreben. "Das eine ist, dass man verhindern will, dass Iran in den Besitz einer Nuklearwaffe kommt, und dafür ist das Atomabkommen mit all den Kontrollmechanismen, die darin verankert sind, das effektivste Tool." Das zweite sei, dass man mit den Sanktionen die verarmte Mittelschicht im Iran eher trifft als die politische Elite. "Von daher fände ich es weiterhin lohnenswert, am Atomabkommen und der Wiederbelebung zu arbeiten", sagt Tabatabai.

Iran will Abkommen nicht um jeden Preis

Allerdings will das iranische Regime offenbar kein Atomabkommen um jeden Preis. Der Machterhalt scheint oberste Priorität für die Führung der Islamischen Republik zu haben. Wenn Teheran einen Weg finden kann, ohne neues Atomabkommen genug Öl zu verkaufen, um den Staatsbankrott abzuwenden, ist das dem iranischen Regime auch recht, sagt Tabatabai.

"Was wir verstehen müssen, ist, dass die politische Elite Irans die Islamische Republik überleben und nicht unbedingt wachsen und sich entwickeln sehen will." Es gehe demnach darum, dass ein Wirtschaftskollaps ausbleibe. "Dafür reicht es dann, vielleicht auch informelle Handelsbeziehungen mit Nachbarstaaten oder eben die Ausweitung der Beziehungen zu China und Russland unter vielleicht benachteiligenden Umständen – aber das alles hilft zum Überleben." Wenn das der Anspruch sei, dann könne auch der JCPOA in sich zusammenfallen, und es würde der politischen Klasse nichts ausmachen, so Tabatabai.

Das Pokerspiel um ein neues Atomabkommen wird also weitergehen. Die iranische Regierung erklärte jetzt, trotz aller Schwierigkeiten seien die Gespräche auf dem richtigen Weg. Einen Termin für die Fortsetzung der Verhandlungen in Wien gibt es allerdings nicht.

Disclaimer: Wir haben die Überschrift dieses Artikels geändert, weil die ursprüngliche Version (Atomdeal: Erschweren die Proteste im Iran die Verhandlungen?) zu Missverständnissen geführt hat.

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