Gewitter über dem Petersdom im Vatikan im Jahr 2017
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Gewitter über dem Petersdom im Vatikan im Jahr 2017

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Als der Papst zurücktrat: Zehn Jahre Zeitenwende im Vatikan

Es war wie ein Blitz aus heiterem Himmel: Als Papst Benedikt XVI. am 11. Februar 2013 seinen Rücktritt verkündet, verschlägt es nicht nur Katholiken die Sprache. Sein Schritt markiert eine Zeitenwende im Vatikan, die noch heute hohe Wellen schlägt.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Viele dachten an einen Faschingsscherz, als vor zehn Jahren die Nachricht um die Welt ging: Der Papst ist zurückgetreten. Schließlich war dieser 11. Februar 2013 ein Rosenmontag. Und auch im Vatikan trauten viele Kardinäle ihren Ohren nicht, als Benedikt XVI. ihnen verkündete, dass seine Kräfte für die weitere Amtsausübung nicht mehr ausreichten. Manche verstanden die Botschaft nicht auf Anhieb: Der Papst sprach auf Latein.

Benedikt gibt seinen Rücktritt auf Latein bekannt

Die Vatikan-Journalistin Giovanna Chirri war die erste, die die Öffentlichkeit über die sensationelle Entscheidung von Papst Benedikt informierte. Eigentlich sollte sie an diesem Tag für die italienische Nachrichtenagentur ANSA einfach nur die Stellung halten. Etwas Besonderes lag nicht an. Im Vatikan war Feiertag.

Es seien nur sehr wenige Kollegen im Pressesaal gewesen, erzählt sie, "weil sich wirklich niemand dafür interessierte, das Medieninteresse an diesem Konsistorium war wirklich sehr gering". Ein Konsistorium ist die Versammlung der Kardinäle, die sich gerade in Rom befinden. Bei dem Treffen mit Papst Benedikt am 11. Februar ging es um Heiligsprechungen. Routine. Dann bat Benedikt die Herren noch ein bisschen zu bleiben, weil er ihnen etwas Wichtiges mitzuteilen habe.

Vatikan-Journalistin berichtet noch vor offizieller Pressemitteilung

Und einige hundert Meter entfernt im vatikanischen Pressesaal traut Giovanna Chirri ihren Ohren nicht: "Ich saß da. Und erinnere mich noch an mein Bein, das nicht aufhörte zu zittern. Mit meiner linken Hand habe ich versucht das Bein festzuhalten und mit meiner rechten auf der Tastatur zu schreiben."

Was für ein Zufall, dass Giovanna in der Schule Latein hatte. Und, dass sie sich vor zig Jahren schon einmal mit dem Rücktritt von Bischöfen beschäftigt hatte und deshalb zumindest die Schlüsselwörter auf Latein kannte. Ihre Agenturmeldung zum Papst-Rücktritt kam noch vor der offiziellen Pressemitteilung.

Einige Kardinäle verübeln Papst seinen Rücktritt

"Das heißt, es war eine Frau, eine Journalistin, die sozusagen in der Welt verkündet hat 'Habemus papam emeritus'", sagt Gudrun Sailer, Redakteurin bei Radio Vatikan. Auch sie wurde von diesem Rücktritt überrascht. Genauso wie die Kardinäle. Manche haben dem Papst diesen Schritt richtig verübelt: "Ich kann mich namentlich erinnern an Kardinal Dziwisz, der gesagt haben soll: Ein Papst steigt so wie Jesus nicht herunter vom Kreuz, sondern er bleibt da, bis es vorbei ist", so Sailer.

Rückzug vom Papstamt wohl wegen Schlaflosigkeit

Natürlich wurde auch spekuliert: Warum ist Benedikt zurückgetreten? War das wirklich eine freiwillige Entscheidung? Oder wurde er unter Druck gesetzt? Monate zuvor sind Dokumente aus dem Büro des Papstes gestohlen und veröffentlicht worden. Ein beispielloser Skandal. In einem Brief, den Benedikt kurz vor seinem Tod an seinen Biographen Peter Seewald schrieb, erklärt er, dass er während seiner gesamten Amtszeit unter Schlaflosigkeit litt, und sich daher zu dem beispiellosen Schritt entschloss.

Die ersten möglichen Nachfolgekandidaten wurden schon am Tag des Rücktritts genannt: Allen voran Kardinal Angelo Scola, Erzbischof von Mailand. Mal wieder ein Italiener – theologisch auf einer Linie mit seinen Vorgängern. Oder Kardinal Marc Ouellet aus Kanada, der Papst aus der Neuen Welt? Nur einen hatte damals niemand auf dem Schirm, einen gewissen Kardinal Jorge Mario Bergoglio aus Buenos Aires. Alias Papst Franziskus.

Benedikt-Anhänger haben Probleme mit seinem Nachfolger

Für eingefleischte Benedikt-Anhänger ist sein Nachfolger eine Herausforderung: Während sich Benedikt - auch Professor-Papst genannt - vor allem durch seine Schriften Ausdruck verschaffte, tut Franziskus dies oft durch starke Gesten. Während Benedikt die Treue zur überlieferten Lehre wichtig war, fällt Franziskus immer wieder durch Äußerungen auf, die eine Öffnung der katholischen Kirche bei bestimmten Themen erwarten lassen. Franziskus spricht zum Beispiel über das Thema Homosexualität so wie noch kein Papst vor ihm gesprochen hat.

Offene Fronten nach Tod des emeritierten Papstes

Nach dem Tod Benedikts Anfang Januar sind die Fronten zwischen konservativen Kräften und den Anhängern von Franziskus wieder aufgebrochen. Benedikt XVI. war noch nicht einmal beerdigt, da sorgte ausgerechnet sein langjähriger Privatsekretär Georg Gänswein mit ersten Interviews und Vorab-Meldungen zu seinem Buch "Nichts als die Wahrheit" dafür, dass vor allem das Trennende zwischen dem Deutschen und dem Argentinier auf dem Stuhl Petri diskutiert wurde.

Mit seinem Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen hat Benedikt gewollt oder ungewollt eine Zeitenwende im Vatikan eingeläutet. Gänswein beschreibt in seinem Buch, wie durch die Figur des "Papa emeritus" im Lauf der Zeit eine "nicht gewollte Zweideutigkeit" entsteht, wie durch einen Papst im Ruhestand, der noch sprech- oder schreibfähig ist, die Gefahr besteht, dass er von jenen instrumentalisiert wird, die weiter an seiner theologischen Linie hängen und mit der des neuen Papstes fremdeln.

Machtspiele im Vatikan gehen weiter - bereits nächste Papstwahl im Blick

Was die Kritik schärfer und die Lage unübersichtlicher macht: Das konservative Lager muss sich neu sortieren. Denn: Kurz nach Benedikt starb mit dem australischen Kurienkardinal George Pell ein Strippenzieher der Konservativen. Nach seinem Tod wird bekannt, dass Pell, der einst ein enger Berater von Franziskus war, der Autor eines Memorandums gegen den Papst ist. Darin heißt es: "Kommentatoren aller Couleur (…) sind sich darin einig, dass dieses Pontifikat in vielerlei oder mehreren Hinsichten ein Desaster ist, eine Katastrophe."

Die Machtspiele rund um den Vatikan werden weitergehen. Schließlich geht es nicht nur um Franziskus. Kritiker und Unterstützer haben schon die nächste Papst-Wahl im Blick, das nächste Konklave.

Zum zehnjährigen Rücktritt von Benedikt XVI. startet die ARD am 11. Februar eine vierteilige Reihe mit dem Titel "Papst²" exklusiv in der ARD-Audiothek.

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