Kristine Lütke (FDP) am Mikrofon bei der großen Bauerndemo auf dem Volksfestplatz in Nürnberg.
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Kristine Lütke (FDP) am Mikrofon bei der großen Bauerndemo auf dem Volksfestplatz in Nürnberg.

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Zwischen Buh-Rufen und Dialog: FDP-Politikerin bei Bauerndemo

Es hat etwas von einer Mutprobe, sich als Vertreter der Bundesregierung vor das Mikrofon protestierender Bauern zu stellen. Bei der Bauerndemo in Nürnberg war das der FDP-Bundestagsabgeordneten Kristine Lütke gestattet. Was sie dabei erlebte.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Als Kristine Lütke (FDP) am Volksfestplatz ankommt, sind es noch vierzig Minuten bis zum angekündigten Beginn der Veranstaltung der Bauern. Die Bundestagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Roth hat sich von ihrem Mitarbeiter vom Büro in Lauf an der Pegnitz nach Nürnberg fahren lassen. Dabei haben sie eine kurze Station zum Kaffeetrinken eingelegt, verrät sie BR24. Sie habe sich noch einmal stärken wollen für den Auftritt bei Minusgraden auf dem Volksfestplatz und vor der Wut der Bäuerinnen und Bauern, die dort demonstrieren.

Gesundheitspolitikerin trifft auf Bauern

Das Arbeitsgebiet der 41-jährigen FDP-Politikerin ist eigentlich die Gesundheitspolitik. In dem Zusammenhang hat sich die erst seit 2021 im Bundestag vertretene Parlamentarierin schon häufig zur Drogenpolitik geäußert, etwa der Legalisierung von Cannabis. Aber Landwirtschaft? Sie komme aus einem von Landwirtschaft geprägten Landkreis, sagt Lütke. Außerdem habe sie sich zur Vorbereitung auf ihre Rede vor den Bauern mit den Fachpolitikerinnen und -politikern ihrer Fraktion ausgetauscht.

Wie schon bei den beiden vorangegangenen Groß-Demos in München und Augsburg erlaubt der Bauernverband auch in Nürnberg einem Vertreter oder einer Vertreterin der Ampelparteien einen kurzen Redeauftritt. In München kam der Grünen-Bundestagsabgeordnete Karl Bär auf die Bühne - und wurde heftig ausgepfiffen. Unter "Hau ab"-Rufen verließ er schließlich die Bühne. In Augsburg war die SPD eingeladen, schickte aber niemanden vorbei. Jetzt in Nürnberg ist die FDP auf der Rednerliste. Kristine Lütke zeigt sich am Volksfestplatz aufrecht und entschlossen. Sie gehe davon aus, dass die Stimmung aufgeheizt ist, sagt sie und fügt hinzu: "Solange alles friedlich bleibt, bin ich damit völlig in Ordnung."

Nürnberger Staatssekretärin des Bundesfinanzministeriums verhindert

Es wäre auch Lütkes Parteikollegin Katja Hessel (FDP) als Rednerin vor den Bauern denkbar gewesen. Hessel kommt sogar aus Nürnberg und ist Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium, dem Haus also, das beim Thema Steuern und Geldausgaben entscheidend mitzureden hat. Doch sei Hessel aus terminlichen Gründen verhindert, heißt es aus Lütkes Bundestagsbüro in Berlin.

Kristina Lütke wirkt von der wachsenden Anzahl von Traktoren, die teils mit lautem Gehupe auf den Volksfestplatz einfahren, nicht besonders beeindruckt. Nervosität sieht man ihr erst kurz vor ihrem Redebeitrag an. Aber soweit ist es noch nicht.

Bauern mit Gesprächsbedarf

Bis zum Beginn der Kundgebung dauert es noch ein wenig. So kommt Lütke erst noch mit zwei Bauern aus der Gegend von Rothenburg ob der Tauber ins Gespräch. Sie haben erkennbar Redebedarf. Sie sprechen Lütke auf etliche Punkte an, bei denen die Bundesregierung ihrer Ansicht nach Aufholbedarf hat: den Fachkräftemangel, die Gesundheitsversorgung, zu wenig besetzte Ausbildungsplätze, die Energiewende. Die FDP-Bundestagsabgeordnete wirbt daraufhin um Verständnis: "Das Problem ist: Wir haben natürlich unfassbar viele Baustellen. Das ist nichts, was wir in zwei Jahren allein verantwortet haben. Wir versuchen jetzt, möglichst schnell Lösungen zu finden."

Landwirtschaftliche Themen sparen die beiden Bauern im Gespräch mit Lütke, zu der sich nach einer Weile auch der Nürnberger Grünen-Abgeordnete Sascha Müller gesellt, eher aus. Nur einmal im Gespräch betonen sie, dass sie mit den Einsparplänen der rot-grün-gelben Bundesregierung nicht einverstanden sind. Einer der beiden Landwirte, der seinen Namen für die Medien nicht nennen will, richtet eindringlich noch eine Forderung an die Ampelvertreterin: Es müsse etwas getan werden gegen das Erstarken der AfD. "Seht, dass ihr die AfD in Griff bekommt." Lütke stimmt ihm zu und bekräftigt, dass ihr das ebenfalls wichtig sei.

Landwirt denkt laut über Eier-Würfe nach

Fast schon ein harmonisches Gespräch, bis der andere fränkische Bauer, der ebenfalls nicht namentlich genannt werden möchte, einen provokativen Satz vom Stapel lässt: "Wir haben schon überlegt, ob wir Eier werfen, wie es damals bei Helmut Kohl war." Der frühere Bundeskanzler und CDU-Politiker Kohl wurde 1991 bei einem Besuch in Halle von einem Demonstranten mit Eiern beworfen. Kristine Lütke bemüht sich nach diesem Gedankenspiel sogleich um Besänftigung und hält dem Landwirt entgegen, sie hoffe doch auf Sachlichkeit und eine ordentliche Gesprächskultur.

Bauernverband feiert CSU und Freie Wähler

Die Kundgebung beginnt fast um eine halbe Stunde verspätet, weil etliche Landwirte mit ihren Schleppern nicht rechtzeitig auf dem Volksfestplatz angekommen sind. Nach einer langen, kämpferischen Rede des Präsidenten vom bayerischen Bauernverband, Günther Felßner, steht Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Rednerpult – und wird immer wieder mit kräftigem Applaus bedacht, vereinzelt mit Pfiffen und Buh-Rufen.

Bis vor zwei Jahren waren die Bauern noch sauer auf Söder, weil er bei der Umsetzung des Artenschutzgesetzes ("Rettet die Bienen") zu wenig auf sie gehört habe. Doch habe er das wiedergutgemacht, wie Bauernpräsident Felßner ihm unter dem Jubel der Bauern bestätigt. Habe Söder doch ein 120 Millionen Euro schweres Förderprogramm für die Bauern aufgelegt. Seither, so Felßner, mache die bayerische Staatsregierung aus CSU und Freien Wählern eine unabhängige Landwirtschaftspolitik.

Kühle Atmosphäre zu Lütkes Redebeginn

Während die Kundgebung für Bauern und Staatsregierung gerade zu einem Fest zu geraten scheint, schaut die eher zierliche FDP-Frau Lütke immer wieder auf ihr Redemanuskript. Nach einem Statement des Landesvorsitzenden der Jungbauern ist Lütke endlich an der Reihe. Der Präsident des mittelfränkischen Bauernverbandes, Peter Köninger, versucht zuvor noch kurz einen Anstandsapplaus für Lütke rauszuholen, doch vergeblich. Lütke scheint das nicht zu stören, sie steigt auf einen umgedrehten Getränkekasten, den ihr Mitarbeiter flugs am Pult bereitgestellt hat, und greift nach dem Mikrofon.

Pfiffe, Buhrufe und etwas Applaus

"Ich bin der Meinung, dass Politik immer bereit sein muss, ihre Komfortzonen zu verlassen. Und deswegen stehe ich heute hier als Vertreterin der FDP", sagt Lütke und erntet hier ein erstes Auspfeifen. Sie spricht laut und energisch. "Wir müssen wieder mehr miteinander reden als übereinander", sagt sie und stößt auf mildes bis höhnisches Gelächter.

Als sie sagt, "Ich verstehe Ihren Unmut", wirkt die Atmosphäre etwas aufgeschlossener. Was die zunächst vorgelegten Einsparbeschlüsse angeht, räumt Lütke ein, "die hätten Sie wirklich einseitig hart getroffen". Daher sei es gut, dass jetzt eine praktikable Lösung auf dem Tisch liege. Sie meint den Erhalt der grünen, steuerfreien Kfz-Zeichen an landwirtschaftlichen Maschinen und ein schrittweises Zurückfahren der Agrardiesel-Vergünstigungen. Das aber quittieren die Bauern erneut mit Pfiffen.

Ebenso mag auch ein Großteil ihrer Abrechnung mit den Bundeslandwirtschaftsministern aus der Zeit von Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht recht ankommen. Es habe "sechszehn Jahre lang eine falsche Politik gegeben", poltert Lütke. Ein von Bauern hochgehaltenes Schild mit der Aufschrift "30 Jahre verfehlte Agrarpolitik haben uns hierher gebracht", scheint ihr zuzustimmen, hörbar wird das bei den nach Polizeiangaben rund 5.000 Protestierenden aber nicht.

Lütke überzeugt: "Ein Miteinander ist möglich"

Die Bühne verlässt Lütke nach "Aufhören jetzt"-Rufen und einigen "Hau ab"-Aufforderungen aus den vorderen Reihen. Sie eilt dann gleich zu ein paar Medieninterviews im Backstagebereich. "Ehrlich gesagt habe ich es noch viel schlimmer erwartet", sagt sie. "Ich fand, es war im Rahmen, es war laut, es waren auch harte Worte dabei, ein bisschen polemisch, auch 'Die Ampel muss weg' – natürlich."

Sie baue nun auf die Gespräche der Bundesregierung kommenden Montag mit den Bauernverbänden in Berlin. Dazu stellt sie fest: "Wenn es um wirklich ehrliche Kommunikation geht, muss auf jeder Seite gearbeitet werden. Und da muss jeder sich vielleicht an der einen oder anderen Stelle bewegen." Denn wenn man sich zuhöre, und nicht schon Ergebnisse vorwegnimmt, "dann ist ein Miteinander möglich".

Im Video: Weiterer Höhepunkt der Bauernproteste in Nürnberg

Traktoren auf dem Volksfestplatz, im Hintergrund die alte Kongresshalle.
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Rund 2.500 Traktoren kamen auf den Volksfestplatz in Nürnberg.

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