Statt vielen Einfamilienhäusern: ein neues gemeinschaftliches Wohngefühl im Mehrgenerationenhaus mit 32 Mietwohnungen mitten in Unterwössen.
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Statt vieler Einfamilienhäuser: ein neues gemeinschaftliches Wohngefühl im Mehrgenerationenhaus mit 32 Mietwohnungen mitten in Unterwössen.

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Zusammen ist man weniger allein: Anders Wohnen in Unterwössen

Bauen und Wohnen wird immer teurer. Das Modell eines Mehrgenerationenhauses ist da eine Alternative, auch in der Region. In Unterwössen im Landkreis Traunstein gibt es seit vergangenem Jahr ein genossenschaftliches Mietwohn-Projekt.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

Der Gemeinderat von Unterwössen im Landkreis Traunstein hat schon vor Jahren einen Grundsatzbeschluss gefasst, dass keine neuen Baugebiete mehr ausgewiesen werden. Statt vieler Einfamilienhäuser gibt es dort nun ein Mehrgenerationenhaus. 32 Mietwohnungen für rund 80 Menschen - vom Single bis zum Senior.

Wichtigster Baustein: Gemeinschaft

Im Gemeinschaftsraum des Mehrgenerationenhauses in Unterwössen hat sich Marion Laustroer an die Nähmaschine gesetzt und näht Stoffbahn um Stoffbahn zusammen. Ihr Mann Ulrich und Kurt Demmel messen aus und bohren, um eine Vorhangstange in der Spielecke des großen Zimmers anzubringen - für die Kinder des Mehrgenerationenhauses. Zusammen setzen sie die Anregung einiger junger Eltern um, die sich von der Arbeitsgruppe "Gemeinschaftsraum" einen Rückzugsort für die jüngsten Mitbewohner gewünscht hatten. Doch vorher wird erst einmal zusammen gefrühstückt. Denn die Gemeinschaft ist vielleicht der wichtigste Baustein im Mehrgenerationenhaus mitten in Unterwössen im Achental.

Jung und alt, Familien und Singles

In dem Haus, das die "Maro-Genossenschaft für selbst bestimmtes und nachbarschaftliches Wohnen" in Unterwössen umgesetzt hat, gibt es 32 Mietwohnungen in verschiedenen Größen. Die drei Gebäude sind durch Laubengänge miteinander verbunden. Die Wohngemeinschaft besteht aus einem Mix aus älteren Menschen, Singles, jungen Familien und Ehepaaren. Die meisten lebten vorher in "normalen" Mietwohnungen oder hatten Wohnungseigentum, waren frustriert von der Anonymität oder wollten sich einfach nur räumlich verkleinern.

Jeder musste sich bei der Maro-Hausgemeinschaft bewerben. Diese schlägt vor, wie das nachbarschaftliche Wohnen gestaltet werden könnte. Jeder wusste also, worauf er sich einlässt und dass es zum Beispiel auch wünschenswert ist, in einer von mehreren Arbeitsgemeinschaften mitzuwirken. Je nach Größe der Wohnung musste vorher ein Genossenschafts-Anteil einbezahlen werden, dazu kommt eine monatliche Miete.

Neues Wohngefühl mitten in Unterwössen

Das Miet-Wohnprojekt ist eine Rückkehr zum Zusammenleben mehrerer Generationen in einem großen Haus, was früher am Land selbstverständlich war, sagt Bürgermeister Ludwig Entfellner (CSU). Die Gemeinde Unterwössen profitiert von diesem Mehrgenerationenhaus: Es wurde bezahlbarer Wohnraum für rund 80 neue Bürger geschaffen, die sich dauerhaft angesiedelt haben. Darunter auch etliche junge Familien. Jeder hat im Gebäudekomplex inzwischen fast jeden kennengelernt. Und weil das Gebäude im Ortszentrum liegt, können die Neu-Unterwössener größtenteils auf das Auto verzichten und zu Fuß zum Einkaufen gehen. Die Kinder besuchen gemeinsam die Kita und später die Schule. Hinter dem Grundstück liegt ein großer Spielplatz.

  • Zum Artikel: Teures Wohnen - Diskussionen um Mietendeckel

Gegenseitige Hilfe, nicht nur bei der Kinderbetreuung

Alle Bewohner haben einen Bezug zu der Gegend. Sie kennen das Achental von Bergausflügen, haben hier Verwandte oder sind in Unterwössen geboren. So wie Sarah Schneider: Nach vielen Jahren in München ist sie mit Mann und zwei Kindern nun in ihre alte Heimat zurückgekehrt. Die Entscheidung, sich für eine Wohnung im Mehrgenerationenhaus zu bewerben, hat sie bewusst getroffen: "Man ist nicht alleine, sondern füreinander da, und es gibt immer jemanden, der zum Beispiel kurz auf die Kinder schaut, wenn ich etwas dringend zu erledigen habe". Ein weiterer Vorteil sei, dass man zum Beispiel nicht wegen Eigenbedarfs gekündigt werden könne oder sich über eine ungerechtfertigt hohe Mieterhöhung ärgern muss.

Die Bewohner des Mehrgenerationenhauses in Unterwössen sitzen um einen Tisch beim Frühstück.
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Es ist ein Kann, aber nie ein Muss: Im Gemeinschaftsraum treffen sich die Bewohner des Mehrgenerationenhauses gelegentlich zum Frühstück.

Selbstbestimmt zusammenleben

Das Wohnmodell soll eine Entscheidung fürs Leben sein und von einer selbst bestimmten Hausgemeinschaft getragen werden. Es gibt klar definierte Aufgaben, damit das Gemeinschaftsleben bestmöglich funktioniert. Verschiedene Arbeitsgruppen kümmern sich um den Gemeinschaftsraum, Mobilität oder den Garten.

Die Bewohner haben ihre Entscheidung zum Umzug in das Mehrgenerationenhaus mitten im Ort noch keine Sekunde bereut, sagen sie. Rosanna Demmel war von der Idee einer anderen, gemeinschaftlichen Wohnform schon länger begeistert: "Es ist wichtig, dass jeder seine Privatsphäre hat, aber wenn man jemanden treffen möchte, geht immer ein kurzer Ratsch her. Man hat Gleichgesinnte und das macht einfach Megaspaß". Ulrich Laustroer, der zusammen mit seiner Frau Marion in eine Erdgeschosswohnung eingezogen ist, bringt es auf den Punkt: "Gemeinsam sind wir stark".

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