Fähnchen mit dem Logo der AfD liegen beim Landesparteitag der AfD Bayern auf einem Tisch.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Daniel Karmann

Fähnchen mit dem Logo der AfD liegen beim Landesparteitag der AfD Bayern auf einem Tisch.

Per Mail sharen
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Zehn Jahre AfD in Bayern: Von der Professoren- zur Protestpartei

Als am 30. März 2013 die bayerische AfD gegründet wurde, gingen nur wenige Beobachter davon aus, dass die Partei sich etablieren würde. Doch die AfD gewann Mitglieder und Mandate – auch in Bayern. Von den Gründern sind heute nur noch wenige dabei.

An den Ostersonntag im Jahr 2013 kann sich Martin Sichert noch gut erinnern: "Für unser Treffen am katholischen Feiertag hagelte es intern Kritik", sagt Sichert. 150 Menschen trafen sich trotzdem in einem kleinen Nebensaal einer Gaststätte im oberbayerischen Ebersberg. "Man spürte, hier entsteht gerade etwas Neues", sagt der 42-jährige Nürnberger, eines der Gründungsmitglieder des bayerischen Landesverbandes und im ersten Landesvorstand. Heute sitzt Sichert für die AfD im Bundestag und wohnt seit einem Jahr in Niedersachsen. "Das war sehr spannend, weil da ganz viele Leute zusammengekommen sind, die alle sehr viel politische Energie hatten, aber sehr wenig politische Erfahrung. Am Anfang hatten wir auch ein paar Startschwierigkeiten, weil sich keiner mit den ganzen rechtlichen Fragen auskannte, was Parteien angeht", blickt Sichert zurück. Sofort gründeten sich damals Kreis- und Bezirksverbände.

Bundesweit erster Kreisverband in Erlangen

"Der bundesweit erste Kreisverband war in Erlangen", sagt der frühere Landeschef. Sichert war vorher in der bayerischen FDP aktiv gewesen, kannte sich als einer von wenigen AfDlern mit Parteifragen aus. Unter den Bewerbern für die Vorstände in den Bezirksverbänden gab es heftige Auseinandersetzungen, erinnert er sich. Dem Wachstum tat das keinen Abbruch: In den ersten sechs Wochen sei die Zahl an Mitgliedern schlagartig von 700 auf 2.000 gestiegen. Heute hat die AfD in Bayern circa 4.600 Anhänger.

"Partei der Professoren und Alphatiere"

Schon damals sei es in der Partei sehr kontrovers zugegangen, sagt Sichert, "die AfD war ja eine Partei von Professoren, Akademikern, Unternehmern. Es waren viele gestandene Leute, ganz viele Alphatiere, die sich da gesammelt haben."

Alphatiere seien es gewohnt, Assistenten zu haben, die das machten, was man wolle. "Dann kommen sie in die politische Partei, und da machen die Leute dann nicht, was sie wollen, sondern da gibt es demokratische Prozesse, und da verlieren sie auch mal eine Abstimmung und müssen sich dann an das halten, was die Mehrheit beschlossen hat", erzählt Sichert und kommt ins Schwärmen: "Das war auch eine sehr schöne, aber arbeitsintensive Zeit."

Eurorettung und Flüchtlingspolitik

Dass das einzige Thema bei der Gründung die Eurorettungspolitik gewesen sei, bestreitet der AfD-Politiker. "Die Partei hatte schon zu Beginn die ganzen Grundsätze, die sie bis heute trägt - beispielsweise das Thema Meinungsfreiheit oder die begrenzte Zuwanderung."

Wie viele andere sei auch er auf der Suche nach einer konservativen Alternative zur Union gewesen. Laut Sichert war diese unter Merkel zu weit nach links gerückt. Und so gründete sich keine zwei Monate nach der Bundespartei die AfD Bayern mit dem Ziel, eine "freiheitliche, effektive Alternative" zu sein.

2017 Einzug in Bundestag, 2018 in Bayerischen Landtag

Bei der Bundestagswahl 2017 holte die AfD 12,4 Prozent in Bayern und schickte 14 Abgeordnete nach Berlin. 2018 dann der Einzug in den Landtag mit 22 Abgeordneten, von denen heute wegen Fraktions- und Parteiaustritten allerdings nur noch 17 übrig sind. Auch von den Mitgliedern der ersten Stunde sind nur noch wenige dabei. Das hat klare Gründe, sagt Politikwissenschaftlerin Ursula Münch: "In den zehn Jahren hat keine Mäßigung stattgefunden, sondern eine Radikalisierung. Weil es eine basisgetriebene Partei ist, werden gemäßigt wirkende Mitglieder und Verantwortliche hinausgedrängt." Dieser Prozess habe auf Bundesebene, aber auch in Bayern schon mehrfach stattgefunden.

Die Gründung der AfD habe auch sie mit Interesse verfolgt, "dass aber dann andere Themen kommen würden, die die Partei nach oben bringen, das war nicht absehbar", sagt Münch mit Blick auf die Flüchtlingssituation 2015 und 2016. Die AfD habe den Vorteil gehabt, dass die CSU mit Merkel in der Bundesregierung saß und somit Zugeständnisse in der Flüchtlingsfrage machen musste, so Münch.

"Ohne Flüchtlingskrise 2015 wäre AfD bei fünf Prozent"

"Da stand die AfD dann da und sagte, wir sind für eine rigide Migrationspolitik", so die Leiterin der Akademie für politische Bildung in Tutzing. Ohne diese Konstellation wäre die AfD bei fünf Prozent geblieben, ist sich Münch sicher. Heute versuche die Partei von der Energiepolitik und dem Ukrainekrieg zu profitieren.

Ein weiterer Grund für die Etablierung der AfD sei ihr gezielter Tabubruch bei politischen Themen. "CSU und Freie Wähler bedienen sich einer anderen Wortwahl, bei der AfD finden sich mitunter fremdenfeindliche, frauenfeindliche, teilweise antisemitische Äußerungen, vor allem in parteiinternen Diskussionen." Die AfD trage weiterhin zwei Gesichter, so die Politikwissenschaftlerin. Nach außen gebe man sich einigermaßen gemäßigt, in den sozialen Medien oder in AfD-Chats aber extremistisch. Zudem streue die Partei Misstrauen gegen das demokratische System und dessen Institutionen. Oppositionspolitik betreibe die AfD nur wenig, so Münch, die Partei hetze vielmehr gegen die Regierung und gegen den Parlamentarismus.

Zwischenzeitliche Beobachtung der Bayern AfD durch den Verfassungsschutz

Fakt ist: Mitglieder der Partei sind schon längerem auf dem Radar des Bayerischen Verfassungsschutzes. Zwar setzte das Verwaltungsgericht München im Oktober vergangenen Jahres vorläufig die Beobachtung des gesamten AfD-Landesverbandes durch den Verfassungsschutz nach einer Klage der Partei aus. Mitglieder der offiziell aufgelösten völkisch-nationalen Flügels der AfD und die Jugendorganisation der Partei, die "Junge Alternative" werden jedoch weiter von den Verfassungsschützern beobachtet.

Ein Verdienst: Nicht-Wähler zurück an die Urne gewonnen

Ein Verdienst müsse man bei aller Kritik aber auch sehen, findet Münch. "Der AfD ist es gelungen, die Leute zu mobilisieren, die bei früheren Wahlen zu Hause geblieben sind", betont sie. Dass dieses Wählerklientel der Partei weiter treu bleibt, sei aber keinesfalls sicher. Und noch etwas könne für die Partei gefährlich werden: Wenn sie sich zu sehr mit radikalen Kräften verbünde. Derzeit profitiere die AfD von Verbindungen zur Identitären Bewegung, zur Reichsbürgerszene und zu rechtsradikalen Kräften im Ausland. Doch diese Überschneidungen, derzeit im Hintergrund, könnten die AfD in der öffentlichen Meinung auch in Ungnade bringen.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!