Stephanie Wagner bei "jetzt red i" in Miesbach (Screenshot)
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Stephanie Wagner bei "jetzt red i" in Miesbach (Screenshot)

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Wie viel Tourismus verträgt die Region Tegernsee?

Immer größere Menschenmassen strömen in die Idylle. Das wirkt sich negativ auf die Region Tegernsee-Schliersee aus. Wie damit umgehen, ohne den existenzsichernden Tourismus zu düpieren? Bürger diskutierten bei "jetzt red i" in Miesbach.

Über dieses Thema berichtet: jetzt red i am .

Georg von Preysing ist genervt von ungebetenen Besuchern auf seiner Alm. Er ist einer der ersten Gäste, die sich am Mittwochabend zu Wort melden. Auf dem Podium sitzen der bayerische Umweltminister Thorsten Glauber (FW) und die Bundestagsabgeordnete Rita Hagl-Kehl (SPD). Als Jäger, Kommunalpolitiker und Almbetreiber betrifft von Preysing die Problematik wie kaum einen anderen. "Beratungsresistent" nennt der 68-Jährige dabei eine steigende Zahl von Touristen und Freizeitsportlern, welche sich von Smartphone-Apps quer durch das Gelände leiten lassen und nicht immer Rücksicht gegenüber der Natur zeigen.

Almbetreiber klagt über Verantwortungslosigkeit

Besonders Mountainbiker, welche sich neue, unerlaubte Strecken erschließen, sind dem ehemaligen Bürgermeister von Gmund am Tegernsee ein Dorn im Auge. Durch den immer öfter aufkommenden Starkregen würden dort Bäche entstehen, wo die Radfahrer sich ihren Weg bahnen und den Untergrund durch das stetige Abbremsen stark beeinträchtigen. Zudem würde laut von Preysing auch die Kuhherde in aller Regelmäßigkeit aufgeschreckt - "und das ist unverantwortlich".

Thorsten Glauber bei "jetzt red i"
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Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) will "kluge Lösungen" finden, um Naturschutz und Tourismus in Einklang zu bringen.

Minister Glauber reagiert und weist auf die Reaktion seitens der Staatsregierung hin. Ein runder Tisch mit Alpenvereinen sei geschaffen worden und auch das Thema Bildung würde in Angriff genommen werden, der BR sei hier explizit ein Adressat. Aber "es ist ein Teil, der die Gesamtheit mit in Haftung nimmt", damit meint Glauber Mountainbiker, wie auf von Preysings Alm.

Über diesen Umstand möchte auch Stephanie Wagner unbedingt aufklären. Die Betreiberin eines familiär betriebenen Modegeschäfts am Miesbacher Marktplatz sorgt sich um die zunehmende Pauschalisierung in der Betrachtung der unverzichtbaren Gäste, vor allem der Tagestouristen. Gerade diese sind für besonders die Verkehrsproblematik verantwortlich, für Wagner aber auch die wichtigste Einnahmequelle: "Nur Einheimische genügen nicht", so die Einzelhändlerin. Die negative Stimmung würde immer deutlicher werden, auch wenn sie selber ebenfalls um die Ursachen weiß. Daher fragt sie vor allem nach Lösungen: "Wer kümmert sich darum?" und meint damit auch schon die frühe Sensibilisierung von Kindern und Jugendlichen. Wer hier tätig wird, sei für sie nicht ersichtlich.

Mehr Respekt für Touristen und Wirtschaft eingefordert

Auch Marcel de Alwis weiß um die Bedeutung des Tourismus und unterstützt Wagner mit einem Plädoyer. Der Hotelier vom Schliersee findet es schade, wie mit den Münchner Urlaubern, "die ihren Geldbeutel ausleeren", umgegangen werde. Er sieht aber auch Gastronomen und Hotelbetreiber als Opfer von pauschalen Anfeindungen. Diese würden nämlich auch "etwas anpacken und bei der Problemlösung helfen". Seitens der Naturschützer werde zu wenig zugehört. Bricht hier also ein echter Konflikt auf?

Laura Killer, Mitglied der Miesbacher "Fridays for Future"-Gruppe versucht eine Brücke zu bauen: "Wir sollten damit aufhören, Tourismus gegen Naturschutz, Jung gegen Alt, Stadt gegen Land. Das bringt uns alles überhaupt nichts." Ein gesamtgesellschaftliches und auch generationenübergreifendes Problem sei hier auszumachen. Es gebe eben nicht nur die jungen Menschen "mit den Apps", sondern auch welche, die auf die Straße gingen, um etwas zu bewegen. Anstatt die Schuld unter den Bürgern zu suchen, wendet sich die junge Miesbacherin direkt an die Politik und kritisiert Schulen und Lehrpläne.

Rita Hagl-Kehl sitzt als Vertreterin dieser Politik auf dem Podium, auch weil sie Mitglied des Tourismusausschusses im Bundestag ist. Sie bekundet, dass Maßnahmen dort aktuell vor allem im Zuge einer neuen Tourismusstrategie ausgearbeitet würden. Sie betont, wie auch Thorsten Glauber, den Stellenwert der Besucherlenkung. Ein Konflikt ist zwischen den Podiumsgästen an diesem Abend nicht zu spüren. Die Ansätze zu Problemlösungen gehen in ähnliche Richtungen.

Gemischte Gefühle nach der Sendung

Doch wie haben die Bürger den Abend empfunden? Was ist ihre Bilanz und ermutigt sie der Kontakt mit den Verantwortungsträgern? Georg von Preysing hat seine Zweifel an einer positiven Veränderung. "Die Politiker unterliegen so vielen Zwängen, es wird noch sehr viel Zeit ins Land gehen bis überhaupt was passiert", so der Gmunder. Zu seinem Herzensthema, den Mountainbikern, wäre er gerne noch einige Worte losgeworden. Er beteilige sich gerade an der Ausarbeitung von Plänen für spezielle Trails, welche die Freizeitsportler aus dem freien Gelände locken.

Auch Ladenbetreiberin Stephanie Wagner hat es im Gespräch an Antworten gemangelt. Ihre Frage, wer das Heft des Handelns nun letztendlich in die Hand nimmt, konnte nicht ausreichend beantwortet werden. "Es werden Daten erhoben, es werden Studien in Auftrag gegeben und jeder hat gute Lösungsansätze", eine Umsetzung sei für sie aber an keiner Stelle erkennbar. "Überall wird sich rausgewunden", lautet ihre ernüchternde Zusammenfassung. Froh ist sie dennoch über das Format. Um etwas zu bewegen, müsse man sich trauen "nach vorne zu kommen und wirklich etwas zu sagen".

Wasmeier: Auf die jungen Leute hören

Für einen Appell sorgt nach der Sendung der wohl bekannteste Gast der "jetzt red i"-Ausgabe in Miesbach. Ski-Weltmeister und Olympiasieger Markus Wasmeier hat sich ebenfalls rege beteiligt. Er ist als Betreiber seines Freilichtmuseums am Schliersee unternehmerisch tätig. Als ehemaliger Skifahrer weiß er allerdings auch um den Wert der Natur in den Alpen. Er glaubt an innovative Ideen zur Problemlösung. "Wir müssen mehr auf die Jungen hören. Die haben geniale Ideen, diese werden aber von Haus aus in den Behörden abgeblockt. Ich verstehe dann, dass die irgendwann frustriert sind", so "Wasi". Und für die aufgeladene Stimmung hat Wasmeier wenig Verständnis: "Irgendwann ist einer der unsrigen auch mal Gast woanders." Er ruft zum Miteinander auf. Der Abend zeigt: Den Tourismus erhalten und dabei nachhaltige Lösung finden, um die Region zu entlasten, das werden die Bürger in und um Miesbach nur gemeinsam schaffen.

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