Blick über den Tegernsee auf Häuser in Hanglage der Gemeinde Tegernsee
Bildrechte: picture alliance / SVEN SIMON | Frank HOERMANN

Wohnraumnot im Urlaubsparadies: Streit um Ferien- und Zweitwohnungen

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Wegen Touristen: Wohnraum in bayerischen Urlaubsorten knapp

Wenn man da wohnt, wo andere Urlaub machen: Zweitwohnsitze und Ferienhäuser verknappen den Wohnraum in Touristenregionen und steigern die Preise. Die Kommunen tun sich nach Recherchen des BR-Politikmagazins Kontrovers schwer, dem entgegenzuwirken.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Wenn Dominik Samstag eine seiner Ferienwohnungen in Garmisch-Partenkirchen betritt, macht er das mit einem gewissen Stolz. Der Vermieter deutet ins Badezimmer. "Von der Badewanne aus kann man bei gutem Wetter in Richtung Zugspitze schauen", sagt er. "Auf der Terrasse wird es sogar bald eine Sauna geben." Die Wohnung ist eine von fünf, die Samstag in der Region gerade anbietet. 105 Quadratmeter und im "High-End-Bereich", wie es heißt. Eine Übernachtung kostet je nach Saison zwischen 100 und 220 Euro, hinzu kommt eine Reinigungsgebühr.

Luxuswohnungen treiben Immobilienpreise und Mieten in die Höhe

Für die Einheimischen werden solche Luxuswohnungen allerdings immer mehr zum Problem. Denn sie verknappen den Wohnraum. Die Quadratmeterpreise für Immobilien haben sich in Garmisch-Partenkirchen in wenigen Jahren verdoppelt, auch die Mieten steigen. Inzwischen gehört der Ort zu den zehn teuersten Landkreisen in Deutschland.

Das liegt aber nicht nur an Vermietern von bereits vorhandenen Ferienwohnungen. In der Nähe des Hauptbahnhofs wurde kürzlich ein ganzes Areal mit Ferienwohnungen bebaut. Ganz in der Nähe gibt es bereits zahlreiche Zweitwohnungen, deren Besitzer leben oft in Großstädten wie München. Viele nutzen die Wohnungen, um Kapital anzulegen und von der Wertsteigerung zu profitieren.

Sachrang: Rund die Hälfte des Wohnraums sind Zweitwohnungen

Auch weitere bayerische Urlaubsorte sind von dieser Entwicklung betroffen. In Sachrang im Chiemgau besteht mittlerweile fast die Hälfte des Wohnraums aus Zweitwohnungen. Trotz einer hohen Zweitwohnungssteuer von 20 Prozent zieht der Ort immer mehr Investoren an. Für die Einheimischen ist das existenzbedrohend: Einige Gaststätten haben mittlerweile geschlossen, weil in Sachrang kaum noch etwas los ist.

Selbst ein vielversprechendes Bauprojekt der Tegernseer Firma Springwater Group wurde für die Gemeinde zumindest vorerst zur Enttäuschung: Eigentlich sollte im Ort ein neues Hotel entstehen. "Wir haben zwei Jahre an der Planung für Hotel und Gastronomie gearbeitet", sagt Wast Pertl. Der Landwirt und Gemeinderat hatte sich schon auf "ein wenig Leben im Ort" gefreut. "Und auf einen Schlag hat es im Dezember geheißen, wir machen jetzt ganz was anderes, wir wissen, was Sachrang braucht: Großzügige Wohneinheiten, Lodges, Suites, egal wie man das nennt. Wir als Gemeinde wollen das aber nicht." Gerade liegt das Projekt auf Eis.

Die Firma Springwater Group teilt auf Kontrovers-Anfrage mit: "Wir befanden uns mit unserer bisherigen Planung und befinden uns auch mit unserer heutigen Planung stets innerhalb der Satzung der Gemeinde Aschau zur Sicherung von Gebieten mit Fremdenverkehrsfunktion."

Studie: Einheimische leiden besonders unter den hohen Preisen

Die Universität Eichstätt hat in einer Studie untersucht, wie sich die Entwicklung auf dem Immobilienmarkt in den beliebtesten Urlaubsorten Bayerns auf die Bevölkerung auswirkt. Ein Ergebnis: Die Menschen dort sind durch die spezielle touristische Ausrichtung der Regionen durch die hohen Preissteigerungen besonders betroffen.

"Wir sehen eine zunehmende Diskrepanz zwischen einem immer luxuriöser werdenden touristischen Angebot und auf der anderen Seite den nicht im gleichem Maß ansteigenden Löhnen für die Menschen, die im Tourismusbereich und im Dienstleistungsbereich tätig sind", erklärt Frank Zirkl von der Universität Eichstätt. "Das birgt natürlich enorme Konflikte, weil diese Unterschiede eher größer als kleiner werden."

Garmisch-Partenkirchen gegen Verbot von neuen Ferienwohnungen

Das Bauamt in Garmisch-Partenkirchen versucht gegenzusteuern. Generell verbieten will man hier aber weder neue Ferienwohnungen, noch Zweitwohnungen. Ziel sei es, die Investoren in die Pflicht zu nehmen. "Wenn jemand einfach bauen möchte, sagt man: Die Hälfte vom Grundstück darf er nutzen und bebauen, wie er das für richtig erachtet, für sich selbst. Und die andere Hälfte stellt er der Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen zur Verfügung mit einer Nutzungsbindung", erklärt der stellvertretende Baumamtsleiter Markus Gehrle-Neff im Interview mit dem BR-Politikmagazin Kontrovers.

"So versuchen wir das mit unseren Werkzeugen, die wir hier im Ort haben. Ohne eine große Satzung oder einen Beschluss wie jetzt in Sylt." Was er meint: Die Gemeinde Sylt in Norddeutschland hat kürzlich den Neubau von Ferienwohnungen verboten.

Auch einheimische Vermieter tragen zur Verknappung bei

Oft sind es auch die einheimischen Vermieter, die dazu beitragen, dass sich der Wohnraum durch Ferienwohnungen verknappt. Zu ihnen gehört auch Dominik Samstag. Seine Familie vermietet darüber hinaus auch an Einheimische. Doch seine Luxusferienwohnungen werden hier von vielen abgelehnt.

Manchmal habe er ein schlechtes Gewissen, sagt er. "Wir hätten auch lieber etwas gemacht für Einheimische oder auch für uns selber, aber wir hätten es nicht finanzieren können. Es wäre auch für mich schön, hier einzuziehen. Aber wir können es uns so nicht leisten", sagt er. Vielleicht, fügt er hinzu, ziehe er aber in fünf Jahren in eine der Wohnungen.

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