Darsteller der Landshuter Hochzeit, in historischer Kleidung mit Trompete
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Warum die Landshuter Hochzeit schon damals legendär war

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Warum die Landshuter Hochzeit schon damals legendär war

Soziale Medien gab es noch nicht, trotzdem verbreitete sich im 15. Jahrhundert die Kunde von der prächtigen Landshuter Hochzeit wie ein Lauffeuer. Dafür hatte der machtbewusste Gastgeber ganz bewusst gesorgt.

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Die Landshuter Hochzeit von 1475 war für Ludwig den Reichen von Bayern-Landshut mehr als die Vermählung seines Sohnes Georg mit der polnischen Königstochter Hedwig. Bei den zehntägigen Feierlichkeiten bestimmte der Herzog nicht nur die Gästeliste, Ludwig nutzte die Gelegenheit auch, um den aufstrebenden, extrem wohlhabend gewordenen Stadtbürgern und konkurrierenden Fürsten seine Großmächtigkeit zu demonstrieren, politisch wie militärisch. Dafür war ihm, dem Reichen, nichts zu teuer. Die Feierlichkeiten im November 1475 ließ er minutiös durchplanen.

Logistische Herausforderung für die Organisatoren

Das Organisationskomitee aus rund 80 niederbayerischen Beamten und Räten musste eine logistische Mammutaufgabe bewältigen: Rund 10.000 Gäste, dazu genauso viele Pferde und Wagen, sollte es in einer Stadt unterbringen, die ihrerseits höchstens 10.000 Einwohner hatte. In sämtlichen Bürgerhäusern Landshuts mussten Unterkünfte geschaffen werden, für den Empfang und die Betreuung der Gäste hatten niederbayerische Adelige zu sorgen.

Alle Ämter (heute wären es die Landkreise) des Herzogtums mussten Lebensmittel für Mensch und Tier in die Hauptstadt liefern. Sämtliche Gäste und Bürger der Stadt sollten schließlich für die zehntägige Hochzeitsfeier freigehalten werden, bei der zahlreiche Festmähler, prächtige Turniere, Bälle und andere Vergnügungen ständig für neue Sinnesreize sorgten.

Silbergeschirr: Essbesteck und Währung im Kriegsfall

Besonderes Augenmerk dürften die Gäste auf das Silbergeschirr Ludwigs gelegt haben, damals nicht nur ein Gradmesser für Reichtum, sondern auch für militärische Potenz. Im Kriegsfall konnte man dieses Silber in Stücke schlagen, also buchstäblich verscherbeln, daraus Münzen prägen und Söldner damit bezahlen. In Friedenszeiten war daher der Umfang des Silbers für jeden fürstlichen Gast ein Zeichen, an dem er die militärische Stärke seines Gastgebers abschätzen konnte. Ein Aufwand, der sich rentierte. Möglicherweise entschied ein Gast nach dem Blick auf die silberne Tafel, sich lieber nicht mit dem Gastgeber anzulegen – militärische Abschreckung mit Silber.

Noch wichtiger allerdings war es, die schönen Künste zu fördern, sich prächtig zu kleiden, teure Weine zu kredenzen und die Speisekammern mit feinen Gewürzen zu füllen. Am Hof Ludwigs des Reichen fehlte es nicht an teuren, vergänglichen Luxusgütern. Militärisch waren sie nutzlos, man konnte damit keine Söldner bezahlen. Wer sich solch zweckfreien Luxus leisten konnte, zeigte, dass er buchstäblich im Überfluss lebte, und glänzte machtpolitisch deshalb ganz besonders.

Allein was den Prunk seiner Kleidung betraf, stellte deshalb Bräutigam Georg alle Gäste seiner Hochzeit weit in den Schatten – sogar auch die beiden ranghöchsten Gäste in Landshut: Kaiser Friedrich III, der mit seinem Sohn Maximilian und dem Bruder des türkischen Sultans angereist war, und den einflussreichen Markgrafen von Brandenburg-Ansbach.

Eine Hochzeit für über 100 Millionen Euro

Aller Aufwand nutzt nichts, wenn niemand davon erfährt. Deswegen wurden alle Ausgaben für die aufwendige Landshuter Hochzeit minutiös festgehalten und die Rekord-Kosten anschließend herausposaunt. Chronisten berichteten über die Ereignisse für den eigenen Hof und für fremde Fürsten und Städte. Daher sind die Historiker heute bis in Details bestens über das Großereignis informiert. Überliefert sind die Summen für die anfallenden Organisations- und Einkaufsreisen. Was für Hofgewand und Livreen, die nötigen Kleinodien und Geschenke gezahlt wurde. Was für die Musiker und die Handwerker fällig wurde und was die herzogliche Kammer für Küche und Keller ausgegeben hat. Essen und Trinken machte den bedeutendsten Teilbetrag des Etats aus.

Allein 323 Ochsen, 969 Brühschweine und Spansauen, 3.295 Schafe und Lämmer, 490 Kälber, 11.500 Gänse, 40.000 Hühner und 194.345 Eier wurden abgerechnet, nicht geachtet die enormen Ausgaben für Fische, Gewürze, Wein, Getreide, Käse, Obst, Viehfutter oder Brennmaterial. Der Gesamtabrechnung zufolge kostete das Fest insgesamt 60.766 rheinische Gulden. Das war weit mehr als das, was das gesamte Herzogtum zu dieser Zeit jährlich erwirtschaftete.

Ein normaler Handwerker verdiente damals etwa 30 Gulden im Jahr, nach aktuellem Goldwert 4.700 Euro. Ein heutiger Handwerker verdient leicht das Zehnfache davon. Setzt man die Kosten für die Hochzeit dazu in Relation, wären das nach heutigen Preisen je nach Schätzung zwischen 90 und 130 Millionen Euro für ein zehntägiges Hochzeitsfest.

Der prächtigste Hof des Reichs

Die Landshuter Hochzeit war aber bei Weitem nicht das einzige derartige Fest, von dem wir wissen. Andere Hochzeiten und auch Leichenfeiern liefen in Landshut ähnlich aufwendig ab. Aber auch im Alltag war die Hofhaltung unvergleichlich prunkvoll.

Beispielhaft dafür ist etwa der tagtägliche Weinverbrauch am Landshuter Hof. Neben dem allgemeinen Landshuter Wein aus der Umgebung bevorzugte man am Hof den Wein aus Spitz an der Donau in der Wachau. Der Ort war in wittelsbachischem Besitz und trägt bis heute die weißblauen Wecken im Wappen. Sein berühmter Tausendeimerberg ergab in guten Jahren weit über 500 Hektoliter Rebensaft. Doch der reichte nicht.

Täglich 600 Liter Wein für rund hundert Menschen

An der herzoglichen Tafel allein am Landshuter Hof wurden jährlich mehr als 700 Hektoliter Wein aus Spitz und Umgebung verbraucht. Wobei da die beiden anderen niederbayerischen Hofhaltungen in Burghausen und Ingolstadt noch nicht mitgerechnet sind. Eine enorme Menge, aber nur ein Drittel des gesamten Jahresbedarfs von jährlich rund 2.100 Hektolitern Wein. An einem durchschnittlichen Tag wurden also auf der Landshuter Burg vom Herzog, seinen rund hundert dauerhaften Angestellten und den Gästen knapp sechs Hektoliter – 600 Liter – Wein getrunken.

Sogar aus Griechenland ließ sich Ludwig enorme Mengen des extrem teuren und deshalb besonders prestigeträchtigen Malvasiers liefern, um Reichtum und Macht öffentlichkeitswirksam zur Schau zu stellen. Jahr für Jahr wurde in Landshut sieben Mal mehr Geld für Wein ausgegeben als beispielsweise bei der Verwandtschaft in München. Kein anderer deutscher Fürstenhof, schon gar nicht der des Kaisers in Wien, konnte sich im Aufwand für die Hofhaltung mit dem Landshuter Hof messen.

Ewiger Ruhm für die Landshuter Hochzeit

Die Pracht des Landshuter Hofs erfüllte nicht nur ihren Zweck bei den Zeitgenossen, sein Ruhm hielt sich jahrhundertelang. Als im 19. Jahrhundert schließlich Münchner Künstler das historische Landshuter Rathaus im Geschmack der Zeit umgestalteten, ließen sich die Stadtväter den Rathaussaal mit einem umlaufenden Wandgemälde ausschmücken. Der Titel: Die Einholung der Braut bei der Landshuter Hochzeit 1475.

Der Rathaussaal war der Ort, an dem das große Fürstenbankett bei der originalen Hochzeit stattgefunden hatte. Seine neue Ausstattung wurde schließlich zum Vorbild für das alle vier Jahre stattfindende Historienfest Landshuter Hochzeit 1475. Aus bescheidenen Anfängen im Stil der Münchner Künstlerfeste des 19. Jahrhunderts entwickelte sich schließlich das größte historische Fest Europas mit knapp 2.500 Mitwirkenden.

Im Video: Startschuss für die "Landshuter Hochzeit":

30.06.2023, Bayern, Landshut: Teilnehmer der "Landshuter Hochzeit" stehen am Rande des Turnierplatzes.
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30.06.2023, Bayern, Landshut: Teilnehmer der "Landshuter Hochzeit" stehen am Rande des Turnierplatzes.

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