Die Einführung einer Corona-Impfpflicht ab 60 Jahren ist im Bundestag vorerst gescheitert.
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Die Einführung einer Corona-Impfpflicht ab 60 Jahren ist im Bundestag vorerst gescheitert.

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Warum die Corona-Impfpflicht scheiterte

Nach langer Debatte ist der Gesetzentwurf zur Corona-Impfpflicht ab 60 gescheitert. Die Ampel-Entscheidung, keinen eigenen Gesetzentwurf vorzulegen, erweist sich als Problem. Der Kampf um die Deutungshoheit über die Ergebnisse begann schon vorher.

Emotional wie selten, lang wie selten: Ursprünglich waren für die Debatte zur Impfpflicht 70 Minuten vorgesehen, es wurden fast zweieinhalb Stunden. Immer wieder unterbrachen Abgeordnete ihre Reden, um auf Zwischenfragen zu antworten, stritten teilweise heftig. Dabei wurde die inhaltliche Frage über das Für und Wider einer Impfpflicht streckenweise überlagert von parteipolitischen Auseinandersetzungen zwischen den Ampelfraktionen und der Union.

Corona Impfpflicht ab 60 scheitert deutlich

Am Ende war das Ergebnis überraschend eindeutig: Der aussichtsreichste Gesetzentwurf über eine Impfpflicht ab 60 Jahren scheiterte deutlich. 296 Abgeordnete waren dafür, 378 dagegen, neun enthielten sich. Auch der Antrag der Union über eine Impfvorsorge statt einer sofortigen Impfpflicht fiel durch mit 172 Ja-Stimmen und 497 Nein-Stimmen.

Immer wieder betonten Politiker der Ampelparteien vor, während und nach der Debatte und Abstimmung, dass der Gesetzentwurf eben kein Regierungsentwurf sei. Die Ampel hatte die Abstimmung geöffnet mit der Begründung, die Abstimmung über die Impfpflicht sei eine Gewissensfrage eines jeden einzelnen Abgeordneten.

Ampelkoalition ohne eigene Mehrheit

An dieser Entscheidung scheiterte die Impfpflicht nun letztendlich, denn die Ampelkoalition hatte keine eigene Mehrheit. Eine Gruppe um den FDP-Politiker Wolfgang Kubicki lehnte die Impfpflicht in einem Antrag komplett ab – auch der fand keine Mehrheit.

Deshalb versuchten Befürworter der Impfpflicht noch in der Debatte, Politiker aus der Opposition zu überzeugen. Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen fand drastische Worte: die Union benehme sich "gewissenlos", da sie auf dem eigenen Gesetzentwurf bestehe. Parteipolitik in dieser Frage "tötet das Vertrauen in die demokratischen Institutionen", kritisierte Dahmen.

CDU-Gesundheitspolitiker Tino Sorge wies das von sich. Die Union könne nicht jetzt einer Impfpflicht für den Herbst beschließen, wenn überhaupt nicht klar sei, wie die Lage im Herbst werde.

Niederlage für Bundeskanzler Olaf Scholz

Die Appelle der Impfpflicht-Befürworter an die Union konnten über einen Fakt nicht hinwegtäuschen: Hätte die Ampelkoalition eine eigene Mehrheit gehabt, wären solche Aufrufe an die Opposition nicht nötig gewesen. Die Entscheidung der Bundesregierung, keinen eigenen Vorschlag vorzulegen, erweist sich jetzt als Problem. Damit lässt sich die verlorene Abstimmung auch als Niederlage für Olaf Scholz werten, der seit Ende letzten Jahres für eine Impfpflicht geworben hatte. Der Bundeskanzler selbst hörte der Debatte im Plenum zu, äußerte sich aber nicht.

FDP-Minister stimmen gegen Impfpflicht

Bemerkenswert ist auch, dass die FDP-Führung komplett gegen die Impfpflicht gestimmt hat – neben Parteichef und Finanzminister Christian Lindner auch sämtliche FDP-Minister der Ampelregierung. Die Begründung klingt sehr ähnlich zu der der Union: Man wisse heute noch nicht, welche epidemische Situation Deutschland im Herbst erwarte. Deshalb hätten sie zwar einer Beratungspflicht, wie sie der ursprüngliche Antrag um den FDP-Abgeordneten Andrew Ullmann vorsah zugestimmt, nicht aber dem Kompromiss aus diesem und dem Antrag der Gruppe um die Impfpflicht mit 18.

Diese Konstellation könnte nun zu Unstimmigkeiten in der Ampel führen. Auch wenn Politiker der Ampel, wie z.B. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai, betonen, die Abstimmung sei eine "ethisch-medizinische" gewesen und keine "parteipolitische". Und die Begründung des Scheiterns darin sehen, dass die Union sich gegen jeden Kompromiss gesperrt habe, wie die SPD-Bundestagsabgeordnete Heike Baehrens erklärte.

Alexander Dobrindt: Ampel solle nicht Opposition beschimpfen

Der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, weist die Lesart zurück und sieht das Scheitern darin begründet, dass SPD und Grüne sich nicht auf eine gemeinsame Linie mit der FDP einigen konnten. Die Ampel solle sich Gedanken machen, "ob sie bei so heiklen Fragen regierungsfähig ist", sagt der CSU-Politiker, "und nicht immer die Opposition beschimpfen."

Wie es jetzt weiter geht, ist offen. Die Union hat der Ampel kurz nach der Abstimmung weitere Gespräche angeboten. Auf das Angebot reagierten Abgeordnete der Ampelfraktionen erstmal verhalten. Gesundheitsminister Karl Lauterbach sieht die Impfpflicht hingegen noch nicht vom Tisch. Gespräche müssten ohne Vorbehalte geführt werden. "Wir müssen versuchen in den nächsten Wochen doch noch einen Neuanfang für die allgemein Impfpflicht zu schaffen", erklärte Lauterbauch. Für den Moment aber ist die Impfpflicht gegen Corona gescheitert.

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