Erfolgreicher Test: Aus dem Bohrturm in Halsbach sprudelt eine dampfende Fontäne.
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Erfolgreicher Test: Aus dem Bohrturm in Halsbach sprudelt eine dampfende Fontäne.

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Wärme aus der Tiefe: Geothermie im Landkreis Altötting

Geothermie hat großes Potenzial, fast die Hälfte des bayerischen Wärmebedarfs zu decken. Der Ausbau in Bayern geht allerdings schleppend voran. Eine Gemeinde im Landkreis Altötting prescht nun voran. Das Projekt könnte Vorbild-Charakter haben.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau - Der Süden am .

In Halsbach im Landkreis Altötting sprudelt heißes Wasser aus 3.000 Metern Tiefe. Über einen Bohrturm wird es nach oben gepumpt und sorgt für eine dampfende Fontäne aus Tiefenwasser – ein sichtbares Zeichen für einen erfolgreichen Geothermie-Pumptest. Für die Geschäftsführer der Naturwärme Kirchweidach-Halsbach ist das eine große Erleichterung. Zwei vorangegangene Fehlversuche haben auf die Stimmung gedrückt, die Erleichterung ist jetzt umso größer: "Wir haben schon ein bisschen gezweifelt", sagt Gemüsebauer Josef Steiner. Die Tiefenwärme soll unter anderem seine Gewächshäuser ganzjährig versorgen – ohne CO₂-Ausstoß.

Mit eigener Firma zur Tiefenwärme

Im benachbarten Kirchweidach wird bereits klimafreundliche Geothermie bezogen. Allerdings will der Anbieter diese für die Stromerzeugung nutzen. Deshalb haben der Kirchweidacher Bürgermeister Robert Moser und Groß-Gemüsebauer Josef Steiner kurzerhand eine eigene Firma gegründet, die Naturwärme Kirchweidach-Halsbach, um eine zweite Geothermie-Quelle zu erschließen - ein unkonventioneller Weg, der auch an Risiken gebunden ist. 50 Millionen Euro kostet das Projekt.

Geteiltes Risiko

Die Gesellschafteranteile liegen zu 15 Prozent bei der Gemeinde und zu 85 Prozent bei Gemüsebauer Josef Steiner. Die Tiefenwärme könnte in seinen Gewächshäusern ganzjährig Temperaturen von 19 bis 25 Grad sicherstellen. Auch rund 500 Haushalte der Gemeinde Kirchweidach, die an das Fernwärmenetz angeschlossen sind, könnten versorgt werden. Bürgermeister Robert Moser kann sich außerdem vorstellen, umliegende Städte mit einzubeziehen: "Vor allem Burghausen hat schon Interesse angemeldet und wir sind guter Dinge, dass wir das hinbekommen", sagt Moser.

Großes Potenzial, das direkt im Boden liegt

Diese Tiefenwärme ist klimaneutral und überreichlich verfügbar – unabhängig von der Tageszeit. Besonders günstig sind Standorte im sogenannten Molassebecken am Nordrand der Alpen. Das belegen auch die vielen Thermalbäder in Bayern - etwa in Bad Aibling, Erding oder den niederbayerischen Orten Bad Birnbach und Bad Griesbach - und die bereits erfolgreich genutzten Geothermie-Standorte. Vor allem in und um die Landeshauptstadt München, aber auch in den oberbayerischen Gemeinden Holzkirchen, Pullach, Waldkraiburg oder Traunreut wurde bereits erfolgreich gebohrt.

Trotzdem ist das volle Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft, wie eine Studie der Technischen Universität München belegt. Demnach könnte die Tiefengeothermie bis zu 40 Prozent des bayerischen Wärmebedarfs decken.

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Die meisten Anlagen liegen rund um München und in Oberbayern. Am leichtesten lässt sich Geothermie im Molassebecken des Alpenvorlands nutzen.

Erstmal sind hohe Investitionen nötig

Um das Potenzial auszuschöpfen und wirklich 40 Prozent des bayerischen Wärmebedarfs mit Tiefengeothermie zu decken, wären rund 500 Bohrungen nötig. In den vergangenen 20 Jahren sind aber gerade einmal 22 Geothermieanlagen in Bayern entstanden. Ein Grund könnte das Geld sein: In der 9.000-Einwohner-Gemeinde Pullach südlich von München etwa heizen über 50 Prozent der Pullacher Haushalte mit Geothermie; bald werden es 80 Prozent sein, so Helmut Mangold von der IEP Innovative Energie für Pullach GmbH. Für die Geothermie-Bohrungen und vor allem für das zugehörige Fernwärmenetz hat die Gemeinde allerdings insgesamt über 100 Millionen Euro bezahlt.

Bund unterstützt - Freistaat bislang nicht

Schwung in die Sache bringen könnte ein Zuschussprogramm, gestartet von der Ampelkoalition, das 40 Prozent der nötigen Investitionen für Bohrungen und Fernwärmenetz übernimmt. "Sehr gut", nennt das sogar Bayerns Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger (FW). Doch die verbleibenden 60 Prozent müssen die Kommunen selbst stemmen. Einen Zuschuss vom Freistaat hatte das von Hubert Aiwanger geführte Wirtschaftsministerium abgelehnt mit der Begründung, eine Erhöhung der Gelder würde "aus Gründen der Doppelförderung keinen Sinn machen".

Die Staatsregierung hat allerdings angekündigt, dass bis zum Jahr 2050 ein Viertel des bayerischen Wärmeverbrauchs im Gebäudesektor durch Geothermie gedeckt werden soll. Das Wirtschaftsministerium geht von 74 weiteren Bohrungen bis 2030 aus. Dazu sollen Genehmigungsverfahren beschleunigt werden - dafür ist eine zentrale Koordinationsstelle für Tiefengeothermie geplant.

Wurde der Ausbau verschleppt?

Nach Ansicht von Martin Stümpfig, dem energiepolitischen Sprecher der Landtagsgrünen, hat die Staatsregierung Ausbau und Forschung zur Geothermie verschleppt. Zwei Jahre lang habe die Bewertung des Masterplans "nur in einer Schublade" des Wirtschaftsministeriums gelegen. Von "verlorener Zeit" spricht auch die Wirtschaftspolitikerin der Landtags-SPD, Annette Karl. Grüne und SPD fordern vor allem mehr Investitionen. Aktuell sind 7,5 Millionen Euro für die Erkundung und zehn Millionen Euro für Forschungsvorhaben eingestellt in den Bayerischen Etat fürs laufende Jahr. Schon eine einzige Bohrung sei allerdings um ein Vielfaches teurer, moniert die Opposition.

Hoffnung in Kirchweidach: Ihr Erfolg könnte Schule machen

Auch Kirchweidachs Bürgermeister Robert Moser vermutet, dass sich viele Gemeinden wegen der Investitionen nicht trauen: "Bisher waren es überwiegend große Investoren, die aus aller Welt gekommen sind und mit unserer Gegend wenig zu tun haben." Ohne die örtlichen Gegebenheiten und die jeweiligen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister zu kennen, seien Projekte in der Größenordnung schwieriger durchführbar.

Der Bürgermeister hofft, dass der Erfolg in Halsbach andere Gemeinden motiviert, in die Geothermie zu investieren. "Jetzt haben wir eine Quelle, die uns die nächsten Jahrzehnte absichert und unabhängig macht von fossilen Energieträgern, was gibt’s Schöneres?", sagt Moser. Bald werden er und sein Geschäftspartner Josef Steiner den Bauantrag für die Wärmeübergabestation stellen.

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