Bohrkopf für eine Geothermie-Bohrung
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Bohrkopf für eine Geothermie-Bohrung. Das heiße Wasser kommt oft aus über zwei Kilometern Tiefe.

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Heizen mit Tiefen-Geothermie: Warum gibt es das nicht öfter?

Geothermie, also Wärme aus den Tiefen der Erde, ist so etwas wie ein schlafender Riese. Bis zu 40 Prozent des Wärmebedarfs von Bayern könnte sie decken, erreicht ist aber noch nicht mal ein Prozent. Woran das liegt – und wie es sich ändern könnte.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Während viele in Deutschland sich fragen, wie sie künftig umweltfreundlich heizen sollen, hat die 9.000-Einwohnergemeinde Pullach im Isartal da eher kein Problem. Hier haben sie schon 2004 damit begonnen, per Bohrung das heiße Wasser im Untergrund zu erschließen. Heute heizen damit über 50 Prozent der Pullacher Haushalte, bald werden es 80 Prozent sein, so Helmut Mangold von der IEP Innovative Energie für Pullach GmbH.

Eigentlich könnten es weite Teile Südbayerns genauso machen, das so genannte Molassebecken bietet beste geologische Voraussetzungen. Dass es bisher noch nicht so ist, liegt vor allem am Geld. Pullach hat für die Geothermie-Bohrungen und vor allem für das zugehörige Fernwärmenetz insgesamt über 100 Millionen Euro bezahlt.

Karte: Tiefe Geothermie - Anlagen in Bayern

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Die meisten Anlagen liegen rund um München und in Oberbayern. Am leichtesten lässt sich Geothermie im Molassebecken des Alpenvorlands nutzen.

Bund legt großes Förderprogramm auf

Das ist zwar einerseits eine rentierliche Investition in die Zukunft, denn über 30 Jahre gerechnet lohnt sich das Ganze nicht nur für die Umwelt, sondern auch finanziell. Doch die meisten Kommunen Bayerns können es sich nicht leisten, so viel Geld erst einmal vorzustrecken. Und auch die Möglichkeiten zur Kreditaufnahme sind begrenzt.

Vom Bund kommt jetzt Hilfe: Die Ampelkoalition hat ein Zuschussprogramm gestartet, das 40 Prozent der nötigen Investitionen für Bohrungen und Fernwärmenetz übernimmt. "Sehr gut", nennt das sogar Bayerns Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger (FW). Trotzdem bleiben auch die restlichen 60 Prozent der Millioneninvestitionen ein Problem. Könnte nicht der Freistaat ein Bürgschaftsprogramm auflegen, regt der Pullacher Geothermie-Chef Mangold an, damit sich Kommunen die restliche Summe leihen können?

Staatsregierung will Kommunen Risiko nicht abnehmen

Das lehnt die Staatsregierung jedoch ab – haushaltsrechtlich nicht darstellbar, heißt es. Energieminister Aiwanger meint, die Kommunen müssten eben selbst versuchen, das zu stemmen. Oder auch privates Kapital hereinholen. Nach Einschätzung von Mangold sind für Privatinvestoren die Renditen im Geothermie-Geschäft allerdings in der Regel zu niedrig.

Und es bleibt auch noch ein weiteres Problem, das viele Kommunen davor zurückschrecken lässt, es mit der Geothermie zu versuchen: Wenn eine Geothermie-Bohrung mal nicht auf ausreichend heißes Wasser stößt, müssen Millionen abgeschrieben werden. Der Koalitionsvertrag der Berliner Ampel sieht vor, eine Versicherung für dieses Fündigkeitsrisiko zu prüfen – bisher jedoch ohne Ergebnis. Und aus dem Aiwanger-Ministerium heißt es, man führe zwar Gespräche mit Versicherungsunternehmen, der Freistaat selber werde das Risiko aber nicht absichern: "Die Kommunen müssen ihren eigenen Risikoanteil selbst tragen, riskante Bohrexperimente zulasten des Staates sind zu vermeiden."

SPD und Grüne: Wo bleibt die Unterstützung aus Bayern?

Die Opposition im bayerischen Landtag argumentiert, der Bund habe mit seinem Geothermie-Förderprogramm die versprochene Unterstützung geliefert, jetzt sei Bayern dran. SPD und Grüne fordern mehr Unterstützung für Kommunen und Stadtwerke bei der Geothermie.

Ein Ziel hat die Staatsregierung zumindest ausgegeben, wenn auch für das weit entfernte Jahr 2050. Bis dahin soll ein Viertel des bayerischen Wärmeverbrauchs im Gebäudesektor durch Geothermie gedeckt werden. Genehmigungsverfahren sollen beschleunigt werden, und eine zentrale Koordinationsstelle für Tiefengeothermie ist geplant.

Nur ein Bruchteil des Potenzials ausgeschöpft

Es bleibt jedoch noch sehr viel zu tun. Nach einer Studie der TU München könnte rein technisch gesehen zwar sogar 40 Prozent des bayerischen Wärmebedarfs aus der Tiefengeothermie gedeckt werden. Dafür wären aber rund 500 Bohrungen nötig. Zum Vergleich: In den letzten 20 Jahren sind in Bayern 22 Geothermieanlagen entstanden.

Im Audio: Interview mit Geothermie-Experte

Geothermieanlage der Stadtwerke Schwerin
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Symbolbild: Geothermieanlage

Dieser Artikel ist erstmals am 4. Mai 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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