Braunkohlekraftwerk in der Lausitz, aufgenommen am 05.04.22 (Symbolbild).
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Braunkohlekraftwerk in der Lausitz, aufgenommen am 05.04.22 (Symbolbild).

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"Vor unseren Augen": Klimaforscher alarmiert wegen neuer Daten

Dramatische Höchststände bei Treibhausgasen und Meeresspiegel, immer mehr Tote wegen Umweltverschmutzung: Der Klimawandel schreitet weiter rasant voran. Die Weltwetterorganisation schlägt Alarm und warnt vor verheerenden Folgen für die Ökosysteme.

Vier wichtige Indikatoren für den Klimawandel haben laut dem neuen Klimazustandsbericht der Weltwetterorganisation (WMO) Rekordwerte erreicht. Das unterstreiche die verheerenden Folgen der menschlichen Aktivitäten für die Ökosysteme, die eigentlich das Überleben der Menschheit sichern sollen, betonte die WMO am Mittwoch in Genf

Neue Höchstwerte seit Beginn der Aufzeichnungen gab es beim Anstieg des Meeresspiegels, beim Wärmeinhalt der Ozeane, bei der Versauerung der Meere und bei der Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre. Dabei handelt es sich vor allem um Kohlendioxid (CO2). Nach einer WMO-Prognose könnte die globale Jahres-Durchschnittstemperatur schon bis 2026 zumindest in einem Jahr mehr als 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau liegen. Die Wahrscheinlichkeit dafür liege bei fast 50 Prozent.

Temperatur zuletzt 1,1 Grad über vorindustriellem Niveau

Die WMO bestätigte auch ihre vorläufige Berechnung, dass die globale Durchschnittstemperatur 2021 etwa 1,1 Grad über dem vorindustriellen Niveau (1850-1900) lag. Ab einer Erhöhung um 1,5 Grad rechnen Wissenschaftler mit schwerwiegenden Schäden für Menschen und den gesamten Planeten. Die vergangenen sieben Jahre waren laut den Angaben die wärmsten seit Messbeginn. Die Sonderorganisation der Vereinten Nationen hatte diese Entwicklung schon in einem vorläufigen Bericht im Oktober angerissen. Zu diesem Zeitpunkt lagen aber noch nicht alle Messwerte vor.

"Klima verändert sich vor unseren Augen"

"Unser Klima verändert sich vor unseren Augen", sagte WMO-Chef Petteri Taalas. Die menschengemachten Treibhausgase in der Atmosphäre verhinderten die Wärmestrahlung der Erde ins All, weshalb sich der Planet noch über Generationen aufheizen werde, "wenn nicht Verfahren erfunden werden, um Kohlenstoff aus der Atmosphäre zu entfernen". Gleichwohl sei es wichtig, die Menge freigesetzter Treibhausgase jetzt zu reduzieren, um die Erwärmung dauerhaft unter 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau zu halten.

Das Abschmelzen mancher Gletscher sei nicht mehr aufzuhalten, betonte Taalas. Das habe langfristige Folgen in einer Welt, in der schon mehr als zwei Milliarden Menschen keine ausreichenden Trinkwasserressourcen hätten. Investitionen in Katastrophenschutz verringerten den Verlust an Menschenleben, während die wirtschaftlichen Kosten stark stiegen. Dennoch sei noch mehr zu tun. Der Experte verwies auf die aktuelle Dürrekatastrophe am Horn von Afrika und extreme Hitze in Indien und Pakistan. Für die Klimaanpassung seien Frühwarnsysteme entscheidend, allerdings verfügten weniger als die Hälfte der WMO-Mitgliedstaaten darüber.

Weltmeere versauern weiter

Auch der Zustand der Weltmeere bereitet der WMO Sorge. Laut der Organisation nehmen die Ozeane etwa 23 Prozent der menschengemachten Treibhausgase auf. Die Gase reagieren mit dem Wasser, was zu Versauerung führt. Hinzu kommt: Je saurer das Wasser, desto geringer die Kapazität, weiteres CO2 aufzunehmen. Der Weltklimarat (IPCC) berichtete vor kurzem, dass der pH-Wert an der Oberfläche der offenen Ozeane mit großer Wahrscheinlichkeit aktuell so niedrig ist wie seit mindestens 26.000 Jahren nicht mehr.

Der Anstieg des Meeresspiegels wiederum hängt vor allem mit dem Abschmelzen von Eis auf dem Land zusammen. Der Anstieg lag laut WMO zwischen 1993 und 2002 bei etwa 2,1 Millimetern pro Jahr. Auch hier gibt es eine deutliche Erhöhung: Zwischen 2013 und 2021 stieg der Meeresspiegel um jährlich rund 4,5 Millimeter.

Jeder sechste Todesfall wegen Umweltverschmutzung?

Auch eine andere aktuelle Studie gibt in Sachen Klimawandel wenig Grund für Zuversicht. Laut einer in der Fachzeitschrift "Lancer" veröffentlichten Untersuchung ist Umweltverschmutzung für weltweit jeden sechsten vorzeitigen Todesfall verantwortlich. Im Jahr 2019 starben demnach neun Millionen Menschen verfrüht. Hauptursache seien schlechte Luftqualität und chemische Schadstoffe, insbesondere Blei. Die Situation hat sich den Wissenschaftlern zufolge seit 2015 nicht verbessert: Bereits damals ging rund jeder sechste vorzeitige Todesfall auf Umweltverschmutzung zurück.

Umweltverschmutzung und Abfälle, die in Luft, Wasser und Boden gelangen, führen selten direkt zum Tod. Sie können jedoch schwere Herzerkrankungen, Krebs, Atemprobleme und akuten Durchfall verursachen. Die Auswirkungen der Umweltverschmutzung auf die Gesundheit seien "sehr viel größer als die von Krieg, Terrorismus, Malaria, HIV, Tuberkulose, Drogen und Alkohol", erklärten die Autoren rund um Hauptautor Richard Fuller. Besonders betroffen sind demnach Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Auf sie entfallen 92 Prozent der Todesfälle und ein Großteil der damit verbundenen wirtschaftlichen Verluste.

Doch auch eine positive Erkenntnis beinhaltet die Studie: Die Zahl der Todesfälle, die durch schlechte Luftqualität in Innenräumen, unsauberes Trinkwasser und Hygienemängel verursacht wurden, ging zurück.

(mit Informationen von dpa und AFP)

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