Senioren an einem Tablet-PC.
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Vom Internet abgehängt: Verein hilft Senioren in Würzburg

Weil sich viele Senioren von der Digitalisierung überfordert fühlen, hat ein Würzburger Verein ein Hilfsangebot geschaffen: In einem Internetcafé von Senioren für Senioren finden Ältere Unterstützung bei der Bewältigung digitaler Alltagsprobleme.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Langsam tippt Helmut Sauer auf seinem Tablet herum. Er will sich ein Deutschlandticket kaufen, denn am Schalter, wo der 81-Jährige sich sonst seine Fahrkarten holt, ist das nicht möglich. "Stattdessen soll ich es online kaufen", wundert sich der Rentner aus Würzburg. "Und dann stehe ich natürlich da!" Dabei hat Helmut Sauer sich sogar ein Tablet angeschafft, doch die Handhabung fällt ihm oft schwer. Murmelnd liest er sich die vielen Ergebnisse seiner Google-Suchanfrage durch. Von verschiedenen Apps ist die Rede und dann wird auch noch nach einem Aktionscode gefragt. Entschlossen klappt der Rentner sein Gerät zu. "Da komme ich nicht weiter", lacht er, "da muss ich ins Internetcafé."

Zunehmende Digitalisierung: Senioren fühlen sich abgehängt

So wie Helmut Sauer geht es heutzutage vielen Senioren. In seiner Altersgruppe ist er sogar einer der wenigen, die sich überhaupt mit dem Internet auseinandersetzen. Laut einer aktuellen Studie des Bundesseniorenministeriums nutzen zwei Drittel aller Menschen über 80 das Internet überhaupt nicht. Auch bei den 65- bis 74-Jährigen waren laut statistischem Bundesamt 17 Prozent noch nie online. Dabei ist das für viele Alltagsaufgaben dringend erforderlich. Von Bankgeschäften bis hin zur Vereinbarung eines Arzttermins: Vieles läuft heute rein digital. Einige Senioren fühlen sich davon zunehmend unter Druck gesetzt, so die Verbraucherzentrale Bayern. Vielen fehle das Vertrauen in Internet-Angebote und vor allem in die eigene Medienkompetenz.

Von Senioren für Senioren: Internetcafé in Würzburg

In Würzburg bietet eine Initiative Unterstützung an: Jeden Dienstagvormittag und Mittwochnachmittag organisiert der Verein "Internet von Senioren für Senioren" ein Internetcafé, in dem Ehrenamtliche bei der Bewältigung digitaler Herausforderungen helfen. Mit Unterstützung der Stadt Würzburg ist der Verein dafür im Caritas-Seniorenzentrum St. Thekla eingemietet.

Rentner Helmut Sauer ist immer wieder dort, wenn er mit seinem Tablet nicht weiterkommt. Zwei andere Senioren sitzen bereits an den Tischen, als er den Raum betritt. Außerdem vier ehrenamtliche Helfer.

Herausforderung Englisch: Ältere Ehrenamtliche können Schwierigkeiten nachvollziehen

Das Besondere am Konzept: Es ist von Senioren für Senioren gedacht. Die ehrenamtlichen Helfer seien alle bereits selbst im Ruhestand und könnten erste Berührungsängste daher noch gut nachvollziehen, erklärt Peter Wisshofer, Vorstand des Vereins.

Zum Beispiel, dass es oft allein schon an den Begrifflichkeiten scheitert. "Wir hatten halt keine Fremdsprache in der Schule", meldet sich Margarete Rodamer zu Wort, eine 82-jährige Besucherin des Internet-Cafés. "Diese englischen Wörter – das sind für uns alles böhmische Dörfer!" Rodamer hat zuhause gar kein Internet. Nun braucht sie aber eine Mail-Adresse, um sich bei einer Klinik registrieren zu können. Geduldig übersetzt ihr eine Mitarbeiterin, was mit "Log In" und "Link" eigentlich gemeint ist.

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Im Würzburger Internetcafé helfen Senioren anderen Senioren.

Im Jahr 2000 gegründet: Vom Röhren-Monitor zum Tablet-Kurs

Auch die Helfer lernen so immer wieder dazu. Tatsächlich hat sich die Initiative bereits im Jahr 2000 gegründet. Damals habe man mit neun Computern begonnen, erinnert sich Vorstand Wisshofer. Die Stadt Würzburg hatte bei der Finanzierung der Geräte geholfen. Seither ist der Verein mit der Technik mitgegangen: Mittlerweile führt er auch Anfänger-Kurse für den Umgang mit Tablets durch. Der nächste startet im September dieses Jahres.

Tablet-Kurse werden genauso wie das Internetcafé auch in der Bücherei im Bahnhof Veitshöchheim und der Bibliothek in Höchberg angeboten.

Internetcafé gut angenommen: Ehrenamtliche Helfer gesucht

Diese Vielzahl an Angeboten werde insgesamt sehr gut angenommen, erzählt Vorstand Peter Wisshofer. Mittlerweile bitte er die Senioren um eine telefonische Anmeldung im Vorfeld, damit genügend Helfer vor Ort sind. Hier gebe es nämlich noch Bedarf, meint Wisshofer. "Wir bräuchten einfach mehr ältere Menschen, die sich schon ein bisschen auskennen und Lust haben, anderen Senioren zu helfen", richtet er seinen Aufruf an die Würzburger.

Digitalisierung: Auch Vorteile für Senioren

Vielleicht sogar jemand, der zuvor selbst schon Hilfe gebraucht hat. Auch Helmut Sauer konnte bereits anderen Teilnehmern helfen, die sich schwerer tun als der frühere Maschinenbauer. Er hat mittlerweile auch die Vorzüge des Digitalen für sich entdeckt. "Wenn ich essen gehen möchte, sehe ich mir jetzt davor schon Bewertungen und die Speisekarte an", erzählt er, und gerade Senioren, die nicht mehr so gut zu Fuß sind, könnten sich ein Buch einfach online bestellen statt ins Geschäft zu gehen. "Ich empfehle wirklich, sich da zu öffnen und den Mut zu haben, das anzupacken", lacht der 81-Jährige.

Und wenn auch er nicht mehr weiterkommt, gibt es ja immer noch das Internet-Café: Stephan Debes, Ehrenamtlicher und 2. Vorstand des Vereins, konnte Sauer in der Zwischenzeit helfen, das Deutschlandticket online zu buchen. "Einfach super!", freut sich Sauer. Und auch Seniorin Margarete Rodamer ist stolz: "Ich habe heute meine erste Mail geschrieben", erzählt sie.

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