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Bürger fordern persönliche Beratungen

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Digital abgehängt: Computerzwang überfordert viele Senioren

Ein paar Knopfdrücke - und das Geld ist überwiesen. Doch genau da fängt für viele Ältere das Problem an: Zunehmend müssen sie sich mit Apps auseinandersetzen und finden immer seltener Menschen am Schalter vor. Eine Initiative möchte dies ändern.

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Farchant bei Garmisch-Partenkirchen. Die Gemeinde wird auch „das liebe Dorf“ genannt. 3700 Menschen leben hier – und sie möchten vor allem eines, dass ihre Dorfstruktur intakt bleibt. Dazu gehören auch zwei Banken. Doch diese sollen dicht gemacht werden. Eine Initiative um die Gemeinderätin Monika Ott wehrt sich:

"Das ist eine absolute Katastrophe, denn eine Bank brauche ich. Denn ich habe mein Geld ja nicht zuhause im Sparstrumpf, wie das früher der Fall war, sondern ich habe es auf der Bank. Es gibt Leute in Burgrain, die fahren mit dem Taxi zur Bank nach Farchant, holen 200 Euro ab und bezahlen 20 Euro allein für die Fahrt. Das finden wir unmöglich." Monika Ott, Gemeinderätin

Unter dem Motto "So geht's ned" sind kürzlich zahlreiche Menschen in Farchant auf die Straße gegangen. Über die drohenden Schließungen wird im Ort hitzig diskutiert. Und die Mitglieder der Bürgerinitiative versuchen alles, um die Schließung der Filialen zu verhindern, über 2000 Unterschriften haben sie gesammelt. Die Banken suchen inzwischen nach einer Möglichkeit, zumindest mehrmals die Woche eine persönliche Beratung anzubieten.

Hemmschwellen der digitalen Welt

Etwa 17 Millionen Menschen sind in Deutschland über 65 Jahre alt - ein Fünftel der Bevölkerung. Sie alle sollen von der fortschreitenden Digitalisierung nicht abgehängt werden. Doch das verlangt den älteren Menschen immer mehr ab. Die 80-jährige Barbara Schneider bemüht sich, den Anschluss nicht zu verlieren, hat schon mehrere Computerkurse belegt.

Und dennoch ist es für die Münchnerin nicht ganz leicht, die Tücken der Technik zu bewältigen. Immer wieder hängt das Programm und Barbara Schneider weiß nicht weiter. Sie hat keine Kinder, die ihr dann helfen können.  

"Ich konnte anfangs mit der Maus überhaupt nicht umgehen, weil ich richtig gezittert habe und hatte richtig Angst, darauf zu drücken, obwohl ich früher Schreibmaschine schreiben konnte und noch kann. Aber es war einfach so eine fürchterliche Hemmschwelle, die ich jetzt überwunden habe." Barbara Schneider, 80, besucht Computerkurse

Barbara Schneider wagt sich dank einer geduldigen Kursreferentin in immer mehr Bereiche im Internet vor. Bei Problemen holt sie sich im Kurs Rat. Mittlerweile kann sie im Netz Veranstaltungen buchen und ihre eigenen Fotos verwalten. Das reicht ihr aber nicht:

"Ich will auch lernen, Tickets zu kaufen, Banksachen weiß ich noch nicht, aber zumindest wissen, wie es geht, dass ich Auszüge drucken kann. Denn es kann ja sein, dass ich irgendwann nicht mehr so laufen kann, dann bin ich irgendwo mit der Welt noch verbunden durch dieses Gerät." Barbara Schneider, 80, sieht das Internet auch als Stütze zur Welt

Internetkurse helfen nicht immer

Weiterbildungsmöglichkeiten gibt es inzwischen viele, wenngleich meistens in größeren Städten. Ein eigenes Programm für Senioren bietet etwa die Volkshochschule München an. Aber was ist mit den Menschen mit kleiner Rente, bei denen es auf jeden Cent ankommt und die auch keinen PC besitzen? Fahrkarten werden immer häufiger online gebucht – dabei sind schon die Automaten für viele Senioren nicht leicht zu bedienen. Selbst Amtsgeschäfte laufen immer häufiger über das Netz.

Die 74-jährige Elfriede Bierl braucht eine neue Wohnung, in den dritten Stock ohne Aufzug schafft sie es nicht mehr. Für den Umzug muss sie dringend einen Antrag beim Amt für Wohnen und Migration stellen, kann aber zurzeit die Reparatur für ihren PC nicht bezahlen. Sie will das so nicht hinnehmen, hat einen Brief an die Stadt geschrieben. Sie findet: Für Menschen, die durch die Digitalisierung ausgeschlossen sind, soll es wieder persönliche Beratungen geben.

"All diese Dinge, was im geschäftlichen Bereich nötig ist, dass das online ist und digital ist, das ist ganz enorm wichtig und das muss ausgebaut werden ohne Ende. Aber ich bin der Meinung, dass, wenn es in den privaten Bereich des Bürgers geht, andere Kriterien herrschen müssen." Elfriede Bierl

Dorfbewohner wollen Bankfilialen behalten

In Farchant legen die Menschen viel Wert auf ihre intakte Dorfgemeinschaft. Die soll nicht auf der Strecke bleiben, betont Gemeinderätin Monika Ott. 

"Ich denke, dass wir vorsichtig sein müssen, dass wir aufpassen müssen, dass wir über diese Digitalisierung diesen sozialen Aspekt des Miteinander, das menschliche Miteinander, nicht aus den Augen verlieren." O-Ton Monika Ott, Gemeinderätin

Für die Leute in Farchant ist eine Bank auch ein sozialer Treffpunkt - der nun wegfallen soll. Dagegen wehren sie sich, denn für sie zählt eine reale Begegnung mehr als ein Chat im Internet.