Schülerinnen und Schüler im Klassenzimmer einer 9. Klasse nehmen am Geografieunterricht mit Hilfe von Laptops und Tablets teil.
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Ein Holzstempel mit der Aufschrift "Digitalpakt" steht auf einer Schieferplatte

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Ungenutzte Millionen für die Schulen: Bayern ruft Geld kaum ab

Bayern ruft so wenig Geld aus dem Digitalpakt ab wie kaum ein anderes Bundesland. Nur ein Bruchteil der Fördersumme ist bislang beantragt worden. Kommunen sind häufig mit den komplizierten Anträgen überfordert und fürchten Folgekosten.

Fünf Milliarden Euro für die Schulen stellt der Bund seit 2019 zur Verfügung. Mit dem Geld sollen die Schulen digitaler werden. Gefördert werden beispielsweise der Wlan-Ausbau im Schulgebäude, bauliche Maßnahmen und digitale Arbeitsgeräte. Doch Zahlen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und des bayerischen Kultusministeriums zeigen: Bayern ruft bislang nur gut rund ein Fünftel der Mittel ab. Dahinter liegt nur noch das Saarland mit rund einem Zehntel. Spitzenreiter sind Sachsen (98,5 Prozent) und Sachsen-Anhalt (75,6 Prozent).

Bayern stehen im Digitalpakt gut 778 Millionen Euro zu, bis Ende 2021 waren davon nur knapp 132 Millionen Euro bewilligt, bis Ende März 166,1 Millionen Euro. Allerdings endet am 30. Juni dieses Jahres die Antragsfrist. Tatsächlich überwiesen wurden sogar nur 23,6 Millionen Euro.

Anträge zu aufwändig, zu kompliziert

Bürgermeister und Kommunen klagen, die Anträge seien zu kompliziert, zu aufwändig zu bearbeiten. Allein 64 Seiten der Verwaltungsvereinbarung müssten durchgearbeitet werden. Eine Kommune berichtet: Wenn die eigene IT-Abteilung sich um das Antragsverfahren gekümmert hätte, wäre sie für ein Jahr blockiert gewesen. Deshalb habe man sich einen externen Dienstleister geholt. Dieser habe allerdings mehrere 100.000 Euro gekostet. Geld, das der Kommune für weitere Investitionen fehlt.

Zudem fehlt gerade kleineren Kommunen die Erfahrung, wie europaweite Ausschreibungen formuliert werden müssen. Die Folge: Angebote sind nicht vergleichbar, weil die Anforderungen nicht klar formuliert waren. Häufig würden dann, so berichten es Kommunalpolitiker, einfach die billigsten Angebote angenommen.

Der Bürgermeister einer kleinen oberbayerischen Gemeinde berichtet, viele Kollegen hätten es gar nicht geschafft, sich in den Digitalpakt wirklich einzuarbeiten. Die Anforderungen im Vergleich zu früheren Förderprogrammen des Freistaats seien völlig anders.

Keine Kapazitäten in der Pandemie

In der Corona-Pandemie hat die Digitalisierung der Schulen besonderes Gewicht bekommen. Richtig vorangekommen ist sie aber in vielen Kommunen nicht. Die Verwaltungen waren häufig damit beschäftigt, Corona-Verordnungen umzusetzen, die Wirtschaft in der Pandemie zu unterstützen und sich um Intensiv-Plätze in Krankenhäusern zu kümmern.

Die Regierung von Mittelfranken schreibt auf BR-Anfrage, die Schulaufwandsträger sähen sich durch die Pandemie mit vielen zeitlich drängenden Themen konfrontiert. "Für eine Antragstellung im Basis-Digitalpakt waren bei vielen Zuwendungsempfängern daher erst zu einem späteren Zeitpunkt Kapazitäten zur Bearbeitung frei.“ Außerdem setzten bestimmte Fördermaßnahmen im Digitalpakt bauliche Vorbereitungen voraus, für deren Planung und Durchführung mehr Zeit benötigt werde.

Matthias Fischbach, der bildungspolitische Sprecher der FPD-Landtagsfraktion, spricht in diesem Zusammenhang von Bayern als einem "digitalpolitischen Entwicklungsland". Trotz des monatelangen Distanzunterrichts sei die Schuldigitalisierung eigentlich nur im Schneckentempo vorangebracht worden. Außerdem sei er "schockiert, was Bayern aus dem Digitalpakt gemacht hat. Die Staatsregierung habe es im Vollzug viel zu kompliziert gemacht". Ganz ähnlich sieht das der digitalpolitische Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, Max Deisenhofer. Er wünscht sich, dass beim Bund und bei den Ländern der Wunsch im Vordergrund stehe, etwas für die Schüler und die Lehrer auf den Weg zu bringen – nicht der Streit, was der Bund darf und was nicht.

Vorbild Sachsen?

Trotz der komplexen Anforderungen haben andere Bundesländer teilweise deutlich mehr Geld beantragt. Für Hans-Peter Meidinger, den Präsidenten des Deutschen Lehrerverbands, liegt das daran, dass Sachsen die Mittel schneller freigegeben hat. Heißt: Die Sachaufwandsträger, also die Kommunen, durften gleich nach der Antragsstellung die Aufträge vergeben. Richtig geprüft wurde erst hinterher. In Bayern ist das mittlerweile auch erlaubt. Allerdings ist den bayerischen Kommunen das Risiko ganz offensichtlich zu hoch, doch auf den Rechnungen sitzen zu bleiben.

Antragsflut zum Ende der Frist?

Recherchen des BR zeigen, dass etliche Kommunen gerade dabei sind, ihre Anträge für den Digitalpakt noch zu stellen. Laut Regierung von Niederbayern haben rund zwei Drittel der Schulaufwandsträger inzwischen einen Antrag gestellt. "Aus unseren vielen Beratungsgesprächen mit den Beteiligten wissen wir, dass sich dieser Anteil bis zum Ablauf der Antragsfrist Ende Juni noch einmal deutlich erhöhen wird. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, dass wirklich jeder Sachaufwandsträger in Niederbayern die Chance nützt."

Auch das Kultusministerium bestätigt, dass die Nachfrage erheblich gestiegen ist. Demnach seien zum 1. März 2022 inzwischen gut 1.500 Anträge eingegangen.

Bis Ende Juni wird aber voraussichtlich nicht die gesamte Geldmenge abgerufen werden. Gerhard Waschler, bildungspolitischer Sprecher der CSU-Landtagsfraktion und Vorsitzender des CSU-Arbeitskreises Bildung, will deshalb erreichen, dass die Frist um drei oder sechs Monate verlängert und auch die Antragsstellung einfacher wird.

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