Ein Berufsrichter neben einer Schöffin
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Vor Gericht entscheiden Schöffen über Schuld und Strafe von Angeklagten mit. Ein Berufsrichter neben einer Schöffin (Symbolbild)

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"Unbezahlbare Erfahrung": Tausende Schöffen in Bayern gesucht

Dieses Jahr werden in Bayern wieder neue Schöffinnen und Schöffen gewählt. In den nächsten Wochen läuft noch die Bewerbungsphase für die kommenden fünf Jahre. Die Kommunen suchen nun Tausende Bewerber – nicht immer mit Erfolg.

Über dieses Thema berichtet: B5 Hintergrund am .

Als Wolfgang DePonte 2019 das erste Mal als Schöffe auf der erhöhten Richterbank Platz genommen hat, hatte er durchaus Respekt. Es sei merkwürdig gewesen, sagt der 64-Jährige, der eigentlich Journalist ist. "Das geht schon los, dass man als Schöffe vereidigt wird. Dann wird einem noch mal klar, wie ernst die Sache ist. Ich hatte schon daran zu knabbern, ob ich dem gerecht werden kann."

Haftstrafen verhängen ist nicht einfach

Schöffe zu sein, sei eine enorm spannende Aufgabe und eine unbezahlbare Erfahrung, sagt DePonte, aber auch eine Herausforderung. Er selbst ist Schöffe am Regensburger Landgericht, wo auch lange Haftstrafen verhängt werden. In der Regel urteilen hier gemischte Kammern. Ein bis drei Berufsrichter werden durch zwei Laienrichter ergänzt.

Wird in einer Kammer über das Urteil abgestimmt, hat jedes Mitglied eine gleichberechtigte Stimme, egal ob Schöffe oder Berufsrichter. Über das Schicksal von Menschen entscheiden zu müssen, sei "oft nicht so einfach", sagt DePonte. Wenn jemand ins Gefängnis müsse, sei man plötzlich mitverantwortlich. Auch zuhause hätten ihn Fälle beschäftigt. "Da träumt man auch davon. Das nimmt man auch mit."

Lange Verhandlungstage fordern

Gleich in seinem ersten Jahr als Schöffe hat DePonte ein echtes Mammut-Verfahren mitentschieden. Den Bayern-Ei-Prozess mit über 40 Verhandlungstagen. Tage, an denen er von der Arbeit freigestellt werden musste. "Da kann man sich vorstellen, dass die Kollegen in der Arbeit nicht jubeln."

Dazu kommt: In einem Jahr mit vielen Verhandlungstagen sei die Entschädigung zu gering, um den Verdienstausfall komplett auszugleichen. "Das ist etwas, wo ich an den bayerischen Justizminister appelliere, zu überlegen, wie wichtig die Schöffen sind und das dann auch ernst zu nehmen", sagt DePonte. Das Ehrenamt sei sonst nur noch für Menschen aus dem öffentlichen Dienst und Rentner interessant.

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Wolfgang DePonte ist seit 2019 Schöffe am Regensburger Landgericht

"Ich habe kein Monster erlebt"

Trotz der Belastung habe er es aber nie bereut, sich als Schöffe beworben zu haben. Er habe tiefe Einblicke in verschiedene Themengebiete bekommen, sich intensiv mit Menschen auseinandersetzen können. "Man hat ja manchmal den Eindruck, wenn man eine Anklage liest, da muss jetzt ein Monster zur Tür reinkommen. Ich habe aber noch kein Monster erlebt", sagt DePonte. Ihn hätten die Verhandlungen gelehrt, dass die Welt nicht nur schwarz-weiß ist, sondern viele Grautöne hat.

16.000 Kandidaten in Bayern gesucht

Aktuell werden in Bayern wieder neue Schöffinnen und Schöffen gesucht. Wer sich jetzt in den nächsten Wochen noch bewirbt und im Laufe des Jahres gewählt wird, kann dann ab 2024 fünf Jahre lang mit auf der Richterbank sitzen. Bis Ende Januar können die Gerichte in Bayern noch ihren Bedarf anmelden. Die Kommunen müssen sich dann auf Kandidatensuche begeben.

Die Deutsche Vereinigung der Schöffinnen und Schöffen schätzt, dass in Bayern wieder rund 8.000 Laienrichterinnen und -richter benötigt werden. Damit die aus Gerichts- und Gesellschaftsvertretern bestehenden Gremien eine richtige Wahl haben, müssen die Kommunen aber doppelt so viele Menschen vorschlagen. Für die Kommunen eine Pflicht.

Hoffen auf viele Bewerber

Nicht immer finden sich aber genügend Freiwillige, sagt Alfons Kuhn von der Deutschen Vereinigung der Schöffinnen und Schöffen in Bayern. Die Kommunen müssten dann auf anderen Wegen die Listen füllen und Menschen bestimmen. "Es ist unser Ziel und hoffentlich auch das Ziel der Gerichte, dass wir hier nur über Freiwillige reden, denn nur diese sind informiert und motiviert, die Aufgabe wahrzunehmen", sagt Kuhn, dessen Verband zusammen mit den Volkshochschulen derzeit Informationsveranstaltungen organisiert, um Freiwillige zu gewinnen.

Für eine Bewerbung ist die deutsche Staatsbürgerschaft notwendig. Kandidatinnen und Kandidaten müssen zwischen 25 und 69 Jahren alt sein. Auch wer von einem Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als einem halben Jahr verurteilt worden ist, oder keine öffentlichen Ämter mehr bekleiden darf, ist ausgeschlossen.

Extremisten ungeeignet und nicht erwünscht

Auch verfassungstreu sollen die Bewerber sein, sagt Kuhn. Allerdings wisse der Verband von Parteien und Vereinigungen am politischen Rand, die speziell zur Bewerbung aufrufen. Man setzte hier darauf, dass in den Städten und Gemeinden ungeeignete Personen erkannt werden. So liegen die Kandidatenlisten beispielsweise öffentlich aus und jeder kann Einwände gegen Kandidaten vorbringen.

Wer Schöffe werden will, sollte außerdem ausreichend deutsch sprechen und körperlich in der Lage sein, auch lange Verhandlungstage durchzuhalten.

Mehr Vielfalt wünschenswert

Wolfgang DePonte wird sich für die nächsten fünf Jahre nicht mehr zur Verfügung stellen. Die langen Verhandlungstage seien schon fordernd. Es sollen ruhig Jüngere ran, sagt der 64-Jährige. Trotzdem: Schöffe zu sein, sei eine einmalige Erfahrung.

Er hofft, dass sich möglichst viele verschiedene Menschen bewerben, damit die Laienrichter insgesamt vielfältiger werden. "Ich würde mir ein Losverfahren in der Bevölkerung wünschen, damit zum Beispiel auch Menschen mit Migrationshintergrund, die vielleicht nicht so einen Zugang haben, Schöffen werden. Damit einfach der Querschnitt größer ist", sagt DePonte.

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