Produzent Wilhelm Keitel (links mit Enkel Flynn) und Cellist und Orchester-Manager Oleksandr Lysiuk.
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Produzent Wilhelm Keitel (links mit Enkel Flynn) und Cellist und Orchester-Manager Oleksandr Lysiuk.

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Ukrainische Musiker: Dank Marktoberdorf auf Europatournee

Krieg in der Heimat, Flucht nach Marktoberdorf und jetzt Konzerte mit Filmmusik-Komponist Hans Zimmer: Zehn Musiker der Nationaloper Odessa reisen gerade durch Europa. Ihre ukrainischen Familien sind im Allgäu in Sicherheit.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Es ist der 24. Februar morgens um fünf. Russland greift die Ukraine an und für Oleksandr Lysiuk ist klar: Er muss mit seiner Frau und seinem drei Monate alten Sohn fliehen. Der Cellist und Manager des Orchesters an der Oper in Odessa holt noch schnell sein Cello aus dem Opernhaus, packt neben den wichtigsten Dingen eine zweite Familie samt Hund ins Auto und fährt los. Von unterwegs versucht er per Handy, seine Musikerkollegen zu erreichen.

"Keine Zeit zum Warten"

"Ich habe alle angerufen und ihnen gesagt, dass sie abreisen sollen," erzählt Oleksandr Lysiuk. "Es gab keine Zeit zum Warten." Eine halbe Stunde, nachdem Lysiuk und seine Familie die Grenze zu Rumänien passiert hatten, kam die Meldung, dass Männer zwischen 18 und 60 Jahren das Land nicht mehr verlassen dürfen.

Vom Auto aus ruft Oleksandr Lysiuk Wilhelm Keitel in Marktoberdorf an. Der Dirigent und Produzent hat die bevorstehende Europatournee des Orchesters aus Odessa mit dem doppelt oscarprämierten Filmmusik-Komponisten Hans Zimmer organisiert. Und Keitel sagt am Telefon: "Klar! Kommt zu uns ins Ostallgäu."

"Das kriegen wir irgendwie geregelt!"

"Der erste Anruf von Alik war nicht ein Anruf von einem offiziellen Musiker, sondern der Anruf eines Freundes, der Hilfe gebraucht hat," sagt Keitel. "Wo man einfach gesagt hat: ‚Das kriegen wir irgendwie geregelt!‘"

Welle der Hilfsbereitschaft in Marktoberdorf

Inzwischen sind zehn weitere Musiker des Orchesters aus Odessa mit ihren Familien in Marktoberdorf und Umgebung an- und mit Hilfe vieler Menschen aus der Region privat untergekommen. "Da gab es wirklich eine Welle von Hilfsbereitschaft", erzählt Produzent Keitel. Viele Leute hätten Wohnungen angeboten, Geld gespendet, Sachspenden organisiert. "Es kam eine Flut von Hilfsangeboten, die wir anfangs gar nicht bewältigen konnten."

Orchester-Manager Oleksandr Lysiuk wohnt inzwischen mit seinem Baby, seiner Frau und den beiden Omas in einer bisher leerstehenden Wohnung im Nachbarhaus von Keitels Sohn. "Wir sind sehr froh und dankbar“, sagt der Cellist und Manager. "Sie haben uns hier wie ihre eigene Familie aufgenommen.“

Musiker auf Europatournee mit Hans Zimmer

Die ukrainischen Familien sind jetzt im Ostallgäu in Sicherheit. Zehn von eigentlich 19 Musikern aus Odessa konnten dadurch ihre lang geplante Europatournee antreten. Orchestermanager Oleksandr Lysiuk versucht unterdessen von Marktoberdorf aus, noch mehr Orchestermitglieder ins Ostallgäu zu holen. Denn im Mai steht schon die nächste Tour mit Wilhelm Keitel an - und das mit insgesamt 65 Musikern.

Ende April entsteht ein Künstlerdorf in Marktoberdorf

Die für die Tour eigentlich in Odessa geplante Probenwoche wird nun ins Ostallgäu verlegt. Der Marktoberdorfer Produzent und Dirigent Wilhelm Keitel hat ein Feriendorf in der Nähe gemietet. Ein befreundeter Künstler stellt sein geräumiges Atelier als Probenraum zur Verfügung. "Für eine Woche wird hier in Marktoberdorf ein Künstlerdorf entstehen", sagt Keitel.

"Wir lassen uns nicht unterkriegen!"

Mit Angst und Sorge verfolgen die Musiker und ihre Familien die Entwicklung daheim in der Ukraine. Bei ihrer Tournee quer durch Europa wollen die Mitglieder des Orchesters aus Odessa Botschafter sein für ihr Land und seine Kultur. "Wir wollen zeigen, dass wir überlebt haben. Und dass wir weiter unsere Musik machen", sagt Oleksandr Lysiuk. "Jeder, der zu dieser Show kommt, wird wissen: ‚Hier spielt ein ukrainisches Orchester.‘ Und ich glaube, das bedeutet schon sehr viel.“ Und Produzent Keitel ergänzt: "‘Wir lassen uns nicht unterkriegen!‘ - Das, denke ich, ist die Hauptbotschaft. Wir sind da. Und wir bleiben da."

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