Ein Bürokomplex von außen.
Bildrechte: Andreas Arnold / dpa

In Nürnberg stehen einige, besonders alte, Bürogebäude leer. (Symbolbild)

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Trotz Homeoffice und steigender Mieten: Neue Büros für Nürnberg

Die Nürnberger Versicherung verlässt bis 2025 schrittweise den Business Tower – auch andere Büros in der Stadt werden weniger genutzt. Trotzdem werden anderswo neue Büros gebaut, zum Beispiel im Norden Nürnbergs. Ist das überhaupt sinnvoll?

Über dieses Thema berichtet: regionalZeit - Franken am .

Die Nürnbergerinnen und Nürnberger arbeiten öfter vom Homeoffice aus, immer mehr Büros bleiben leer. Dennoch bauen Investoren in der Stadt lieber neue Bürokomplexe, statt neue Wohngebäude. Ein Widerspruch? Tatsächlich scheint der Bürobedarf in Nürnberg größer zu sein, als in anderen deutschen Städten, das zeigt ein aktueller Bericht. Doch wie verträgt sich das mit dem großen Leerstand? Und lässt sich der nicht einfach in Wohnfläche umbauen?

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nürnberger Versicherung haben das Homeoffice für sich entdeckt. Die Nürnberger Versicherung verlässt ihren Standort in der Ostendstraße in Nürnberg nicht, das betont Pressesprecher Ulrich Zeidner ausdrücklich. Viele Büroarbeitsplätze befinden sich im siebenstöckigen Karreé, um den Business Tower herum, die werden auch weiterhin genutzt.

Allerdings wird sich die Nürnberger Versicherung bis 2025 fast vollständig aus den 34 Etagen des 163 Meter hohen Business Towers zurückziehen, das bestätigt Zeidner. Zwar habe man im Turm schon immer Büroflächen vermietet, bis 2025 werden aber nochmal 16.250 Quadratmeter an Fläche zusätzlich frei.

Trotz Leerstand wird neu gebaut

Nur wenige Meter vom Business-Tower entfernt hat der Erlanger Projektentwickler "Sontowski und Partner" erst kürzlich neue Büros mit einer Fläche von rund 22.000 Quadratmetern gebaut. Auch im Nürnberger Stadtteil Thon wird auf dem Gelände der ehemaligen Endhaltestelle derzeit, ebenfalls vom Erlanger Unternehmen beauftragt, ein elfstöckiger Neubau mit rund 10.000 Quadratmeter Fläche gebaut.

In Nürnberg werden immer mehr Büros vermietet

Wolfgang Küspert arbeitet seit rund 30 Jahren in der Immobilien- und Bürobranche in Nürnberg. Mit dem Team seiner Immobilienberatungsfirma bringt er jährlich einen Marktbericht heraus, der sich die Lage auf dem Nürnberger Büromarkt genauer ansieht. Keine andere Firma bringt einen so umfassenden Bericht heraus, das bestätigt auch Nürnbergs Baureferent Daniel Ulrich.

Für den Marktbericht werden laut Küspert mehrere 100 Akteure, darunter Investoren, Eigentümer oder Verwalter von Büroimmobilien befragt. Das Ergebnis im vergangenen Jahr hat ihn überrascht. In Nürnberg wurden nämlich mehr als 100.000 Quadratmeter an Fläche neu vermietet. Damit setze sich Nürnberg klar von Städten wie München, Berlin oder Frankfurt ab, die einen Rückgang an Vermietungen von 25 bis 30 Prozent verkraften mussten.

Den Grund dafür sieht Küspert in folgender Tatsache: In Nürnberg gibt es weniger große Konzerne, die dementsprechend große Büros haben und ihre Mitarbeitenden im Homeoffice lassen. Auch wenn das gute News für Nürnberg sind, es habe auch schon Jahre gegeben, in denen mehr als 200.000 Quadratmeter Fläche vermietet worden seien, so Wolfgang Küspert.

Branchen-Experte: "Alte Bürogebäude nicht mehr marktfähig"

Zum Stichtag des Marktberichts Ende 2023 standen in Nürnberg rund 233.000 Quadratmeter an Bürofläche leer, das sind laut Küspert etwa sechs Prozent. Im Bundesdurchschnitt kein ganz guter, aber auch kein ganz schlechter Wert.

Insgesamt gibt es in Nürnberg etwa vier Millionen Quadratmeter Bürofläche – davon sind laut Küspert etwa 80 Prozent 20 Jahre alt oder älter: "Die Nachfrage nach Bürogebäuden, die 20 Jahre oder älter sind, nimmt rapide ab und so ab 30 Jahren können sie sagen, ist ein Bürogebäude ohne größere Investitionen nicht mehr marktfähig."

Für Küspert ist klar, dass es deshalb neue Bürogebäude braucht. Denn alte Gebäude zu renovieren, lohne sich oft nicht. Um die Haustechnik von modernen Büros unterzubekommen, brauche es mehr Raumhöhe, die in älteren Gebäuden oft nicht vorhanden ist. Deshalb sei es manchmal günstiger, ältere Büros abzureißen.

Leerstand in bester Wohnlage

In den einschlägigen Immobilienportalen im Internet werden einige ältere Bürogebäude angeboten, die zum Teil leer stehen. Der Johannis-Turm in der Großweidenmühlstraße ist so ein Beispiel. Hier war viele Jahre lang die Nürnberger Firma "Sellbytel" untergebracht, seit dem Umzug im Jahr 2018, sind rund 4.500 Quadratmeter Fläche frei. Laut Eigentümervertreter wird das Gebäude mit dem Baujahr 1993 derzeit kernsaniert, um es dann anschließend mit modernen Büros neu vermieten zu können – ein großer neuer Mieter ist aber derzeit noch nicht in Sicht.

Ähnlich sieht es mit einem Bürokomplex im Nürnberger Stadtteil Wöhrd aus, in der Dr. Gustav Heinemann Straße direkt am Ring, auch hier sind laut Küspert rund 4.500 Quadratmeter zu haben. Das Gebäude soll nicht renoviert werden, es stammt aus dem Jahr 1994. Ein neuer Mieter ist auch hier noch nicht in Sicht.

Im Nürnberger Stadtteil Maxfeld in der Pirckheimerstraße sind im Maxtorhof, Gesamtfläche rund 20.000 Quadratmeter, etwa 6.000 Quadratmeter zu haben. Laut Eigentümervertretung sollen diese Flächen aber zeitnah neu vermietet werden. Baujahr des Gebäudes ist das Jahr 2000, damit ist es also auch schon 24 Jahre alt.

Können Büros als Wohnungen genutzt werden?

Alte Bürogebäude in Wohnräume umzuwandeln ist eine Option. Laut einer Studie der Immobilienberatung Jones Lang LaSalle (JLL) aus dem vergangenen Jahr könnte das neuen Wohnraum in sieben großen Städten, darunter München, Köln oder Düsseldorf möglich machen. Bis zum Jahr 2025 könnten so 20.000 neue Wohnungen entstehen, rechnet die Studie vor. Wäre so etwas auch in Nürnberg denkbar?

Nürnbergs Baureferent Daniel Ulrich (parteilos) ist prinzipiell offen für solche Ideen, sieht allerdings auch Hürden bei einer möglichen Umnutzung. Oft seien Bürogebäude anders aufgebaut als Wohnhäuser. Es fehle zum Beispiel an der Sanitär-Infrastruktur, erklärt Ulrich. Das sei teuer und oft nicht wirtschaftlich. Gerade in Gewerbeparks, in denen Bürogebäude leer stehen, sieht Ulrich eine Umnutzung kritisch, da müsse man sich genau überlegen, ob das passe. Gerade wenn es hier noch Industrie gebe, könnte die für die potenziellen neuen Nachbarn schnell zur Lärmbelastung werden.

Entscheidung über Sinnhaftigkeit liegt nicht bei Stadt

Bei der Entscheidung, ob neue Bürogebäude gebaut werden dürfen oder nicht, habe die Stadt keinen allzu großen Handlungsspielraum, so Ulrich: "Wir müssen schauen, ob es an diesem Ort zulässig ist oder nicht." Was Wirtschaftlichkeitsfragen angehe, halte die Stadt sich raus. Nichtsdestotrotz spreche man natürlich intensiv mit einem Investor darüber, wo etwas Sinn ergibt.

Als Beispiel nennt Ulrich den geplanten Neubau am Hauptbahnhof (Ergo-Gebäude). Hier hätte sich die Stadt gerne auch Wohnungen gewünscht. Die Investoren hätten das auch ernsthaft geprüft, sagt Ulrich, es sei aber letztendlich nicht wirtschaftlich gewesen. Deshalb wird der alte Bau abgerissen und ein Neubau errichtet, mit Büroflächen: "Im Endeffekt sind dann an solchen guten Standorten, die Büromieten erträglicher als die Wohnmieten." Um den Standort in Nürnberg weiterhin attraktiv zu halten, brauche es weiterhin neue Bürogebäude, ist sich Ulrich sicher: "Das Bedürfnis sich im Büro zu treffen, das ist nicht weg."

Büroflächen auch in der Innenstadt möglich

Ähnlich sieht das auch Nürnbergs Wirtschaftsreferentin Andrea Heilmaier (CSU). Sie kann sich zudem vorstellen, Büroflächen auch in bestehenden Gebäuden in der Innenstadt und der Fußgängerzone einzurichten. So könnte die Innenstadt weiter belebt werden. Das Erdgeschoss eigene sich gut für den Einzelhandel, die Stockwerke darüber zum Beispiel für Büros. Man sei immer im Kontakt mit Investoren und den Eigentümern von Büroflächen und versuche eine "Revitalisierung" möglich zu machen, dort, wo es rechtlich zulässig sei. Als Beispiel für eine erfolgreiche Umnutzung nennt sie "The Q" auf dem ehemaligen Quelle-Gelände – das sei die größte europäische Umnutzung von bestehender Substanz, bei der auch Büro- und Wohnraum neu entstehen würde, sagt Heilmaier.

Zukunft des Büromarkts ungewiss

Wolfgang Küspert rechnet damit, dass die Entwicklung des Büromarkts in Nürnberg in den kommenden zwei Jahren erst einmal so bleibt, wie sie ist. In vielen Unternehmen sei nach wie vor nicht klar, wie hoch der Bedarf an Bürofläche in den kommenden Jahren durch Homeoffice tatsächlich ist.

Die Mieten, gerade für neue Gebäude, würden weiter steigen. Derzeit liegen Spitzenmieten laut Bericht bei rund 17,30 Euro pro Quadratmeter, die durchschnittliche Miete liegt bei 11,40 Euro. Neue Bürogebäude, wie in Thon oder am Wöhrder See, wird es auch in Zukunft brauchen, ist Küspert überzeugt. Bei "The One" in Thon sind laut Sontowski und Partner von 10.000 Quadratmetern noch 3.350 zu haben, beim "Seetor Campus" am Wöhrder See von 22.000 Quadratmetern noch ungefähr 3.300. Bei letzterem stehe man in "sehr konkreten Verhandlungen" so die Firma aus Erlangen.

Brancheninsider berichten aber auch, dass es aktuell schwierig sei, Büros zu vermieten, gerade längerfristig. Während sich Mieter früher leichter getan haben, lange Mietverträge einzugehen, sei es heute schon ein Highlight, wenn man drei oder fünf Jahre verlängern würde, erzählt ein Insider.

Barista-Bar und moderne Besprechungsräume

Nicht zuletzt am Rückzug der "Nürnberger Versicherung" aus dem Business-Tower sieht man, dass sich der Mietmarkt von Büroflächen verändert hat, genauso wie die Anforderungen an moderne Arbeitswelten. Die Versicherung bietet ihren Mitarbeitenden zum Beispiel moderne Rückzugsräume und eine Barista-Bar. Um den Business-Tower auch in Zukunft attraktiv zu halten, werden die alten Doppel- und Vierer-Büros zu modernen und großen Besprechungsräumen und Büros umgebaut, erklärt Pressesprecher Zeidner. Neue potenzielle Mieter hätten zudem die Möglichkeit, zu bestimmen, wie sie ihre Büros gestaltet haben möchten.

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