Bahnhof Märzfeld
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"Tor zum Tod" – Bahnhof Märzfeld als Erinnerungsort aufwerten

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"Tor zum Tod" – Bahnhof Märzfeld als Erinnerungsort aufwerten

Die Nazis deportierten vom Bahnhof Märzfeld in Nürnberg Menschen jüdischer Abstammung in die Konzentrationslager. Bis 2025 soll der Ort umgestaltet werden, um den Menschen näher zu bringen, welche dunkle Vergangenheit der Bahnhof hat.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Für Jo-Achim Hamburger, den Vorsitzenden der Israelitischen Kultusgemeinde in Nürnberg, ist der Bahnhof Märzfeld mit düsteren Erinnerungen verbunden, denn eine Vorfahrin seiner Familie ist von hier aus in die Vernichtungslager gefahren worden. Der Bahnhof wurde 1938 von den Nazis in Betrieb genommen, in unmittelbarer Nähe von Zelt- und Barackenlager und diente zum Abtransport von rund 2000 Menschen jüdischer Abstammung Richtung Lettland und Polen. Auch Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter kamen hier an. Die Stadt Nürnberg will, zusammen mit der Deutschen Bahn, den Bahnhof als Erinnerungsort neugestalten und nimmt dafür rund 120.000 Euro in die Hand.

"Stadt der Täter"

Oberbürgermeister Marcus König (CSU) betonte bei einem Pressetermin, dass die Stadt eine "Stadt der Täter" sei. Der Bahnhof Märzfeld sei bisher eine "offene Wunde" gewesen und nie richtig beleuchtet worden. Von hier aus wurden die Menschen in den Tod transportiert, so König. Deshalb soll die Sandsteinfassade des Gebäudes, das nicht betretbar ist, umgestaltet werden, um besser an die düstere Vergangenheit erinnern zu können. Bisher sind Teile des Bahnhofs durch einen Zaun abgegrenzt, lediglich einer Erinnerungstafel weist bisher darauf hin, welche Bedeutung dieser Bahnhof während der Zeit des Nationalsozialismus hatte.

Fassade mit Namen der Opfer

Der Zaun wird bis zum Jahr 2025 verschwinden, außerdem sollen auf die Sandsteinfassade die Namen einiger jüdischer Familien angebracht werden. Auch an die Zwangsarbeiter, die hier angekommen sind, soll erinnert werden, erzählt die Kulturbürgermeisterin der Stadt Nürnberg, Julia Lehner (CSU). Dazu soll symbolisch an die Orte, aus denen die Menschen kamen, erinnert werden. Auch Fotomaterial wird auf dem Gelände zu sehen sein. Der Bahnhof war Teil des ehemaligen Reichsparteitagsgeländes. Lehner sieht den zukünftigen Erinnerungsort als eine Ergänzung zum Dokumentationszentrum am Dutzendteich. In Zukunft werden in der Nähe neue Schulen für knapp 2000 Schülerinnen und Schüler gebaut werden sagt Marcus König. Es sei auch wichtig, dass dieser Ort für jüngere Menschen zugänglich ist, um aus der Geschichte zu lernen.

"Raus aus der Blase"

Für den Vorsitzenden der Israelitischen Kultusgemeinde Jo-Achim Hamburger ist es besonders wichtig, dass Kinder und Jugendliche diesen Ort erleben können und auch die Menschen, die man sonst vielleicht nicht erreichen würde. Man müsse raus aus der Blase kommen und auch die erreichen, die sich nicht sowieso schon mit diesem Thema beschäftigten, betont er. Bestenfalls würden sich zum Beispiel die Jugendlichen genauer mit der Vergangenheit beschäftigen und sich fragen, was mit ihren Verwandten passiert ist, auf welcher Seite der Geschichte diese gestanden hätten. Von der geplanten Umsetzung des Gedenkorts ist er angetan.

Bezahlen für die Fahrt in den Tod

Hamburger erzählt, die rund 2000 Jüdinnen und Juden, die von hier aus deportiert worden waren, hätte für die eigene Fahrt bezahlen müssen. Man habe ihnen 50 Reichsmark abgenommen, in dem Glauben, sie könnten diese später am Ankunftsort verwenden. Auch mussten diese zum Beispiel Koffer nutzen, die unbeschriftet waren, die ihnen dann nach ihrer Ankunft im Konzentrationslager wieder von den Nazis abgenommen wurden. Genauso wie die Kleider, die ebenfalls weiterverwendet wurden. Das sei hinterhältig und perfide – man habe den Menschen das Geld abgenommen, für die Fahrt in den Tod, so Hamburger. Diese Geschichte dürfe nicht vergessen und nicht verharmlost werden.

120.000 Euro für Umgestaltung

Die Kosten für die Umgestaltung des Bahnhof Märzfeld teilen sich die Stadt Nürnberg (70.000 Euro) und die Deutsche Bahn (50.000 Euro), die das Gelände an die Stadt verpachtet. 80 Jahre nachdem der Zweite Weltkrieg beendet wurde, soll der neue Erinnerungsort fertig sein. Klaus-Dieter Josel, Chef der Deutschen Bahn in Bayern, sprach von einer moralischen Mitverantwortung, die die Deutsche Bahn habe, auch wenn die Bahn kein direkter Rechtsnachfolger der damaligen Reichsbahn sei.

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