Biorinder: Wenn eine Weidepflicht kommt, müssen manche Landwirte mit Öko aufhören
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Biorinder: Wenn eine Weidepflicht kommt, müssen manche Landwirte mit Öko aufhören

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Weidepflicht für Bio-Kühe stellt viele Biobauern vor Probleme

Rinder, Schafe, Ziegen – sie alle müssen auf Biobetrieben ab nächstem Jahr Zugang zu einer Weide haben. Doch viele Landwirte haben gar keine Flächen dafür. Nun stehen betroffene Öko-Milchbauern vor der Frage: Mache ich überhaupt weiter mit Bio?

Über dieses Thema berichtet: Unser Land am .

Kühe auf einer Weide.
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Kühe auf einer Weide.

Eigentlich schreibt die EU-Ökoverordnung bereits seit 2000 eine Weidepflicht für Raufutterfresser ab der 16. Lebenswoche vor. Aber hierzulange gewährten Agrarbehörden wie auch Bio-Anbauverbände jahrelang Ausnahmeregelungen. Damit soll jetzt Schluss sein. Das stellt einige Bio-Milchbauern vor massive Probleme.

Woher die Flächen nehmen?

Kerstin und Hermann Grampp blicken besorgt auf ihren für zwei Millionen Euro gebauten Milchbauernhof wenige hundert Meter außerhalb von Melkendorf bei Kulmbach: Wohin sollen sie ihre 160 Kühe auf eine Weide lassen? Direkt am Hof liegt nur ein Hektar Pachtfläche, auch die meisten weiteren Flächen sind klein und gepachtet. Die Grampps haben 2015 auf Biomilch umgestellt, mit Ausnahmegenehmigung ohne Weide. Sie füttern als Ersatzlösung im Sommer täglich frisches Grün.

Landwirte sind besorgt

Im Stall hat jedes Tier rund zehn Quadratmeter Platz samt betoniertem Auslauf ins Freie. Ihren Kühen gehe es gut, sagen die Biomilchbäuerin und ihr Mann. Und der Milchpreis sei die letzten zehn Jahre stabil geblieben, darum gebe es keinen Grund zum Jammern. Dennoch machen sie sich Sorgen wegen der Umsetzung der Weidepflicht: "Wenn das ganz schlimm wird, fliegen wir da von einem Jahr aufs andere als Biobetrieb raus", sagt Hermann Grampp.

Wassermangel wird zum Problem für Weidehaltung

Der Bio-Bauer geht mit einem Pickel auf die Grasfläche neben dem Stall und hackt in den staubtrockenen Boden. Der hat Risse, in die er seine Hand stecken kann. Seit gut zwei Monaten gab es kaum nennenswerte Niederschläge. "Was sollen die Kühe da fressen", fragt er Bioland-Beraterin Ulrike Koch, die zu einem Besuch auf den Hof gekommen ist. Sie berichtet von vielen Betrieben in Nordbayern, die Probleme mit der Weidepflicht haben. Das hat mehrere Gründe: Erstens fehlt es an verfügbaren Flächen, zweitens wächst in Franken mangels Wasser im Sommer einfach zu wenig Gras auf den Flächen. Es gebe Betriebe, die eigentlich auf Biomilch umstellen wollten, wegen der Weidepflicht aber zögern, berichtet die Beraterin.

Betriebe überlegen Bio-Haltung aufzugeben

Der Stall der Grampps ist neu und noch lange nicht abbezahlt. "Da hat man jährliche Verpflichtungen mit der Bank. Aber wenn wir das nicht schaffen, können wir nicht einfach die Tierhaltung aufgeben und nur den Ackerbau ökologisch weitermachen“, sagt Hermann Grampp. Schlussendlich bliebe dann nichts anderes übrig als den ganzen Betrieb auf konventionell rückumzustellen.

Allein in der Umgebung der Grampps gibt es sieben größere Bio-Milchviehbetriebe, die überlegen, ob sie nicht wieder zurückschwenken auf konventionelle Milchproduktion. Damit würden allein der Coburger Käserei mehrere Millionen Liter Biomilch fehlen, prognostiziert Grampp. "Wie wollen wir so vorankommen mit mehr Biolandwirtschaft?"

Krisenstimmung bei Biobauern?

Österreich hat auf Drängen der EU die Weidepflicht bereits umgesetzt. Auch dort gab es große Ängste. Aber am Ende, so ein Sprecher von BioAustria, hätten sich nicht so viele von der Bio-Milch abgewandt wie befürchtet. In Bayern registrieren die Bio-Anbauverbände noch keine Krisenstimmung oder eine großflächige Rückkehr ihre Mitglieder zur konventionellen Landwirtschaft. Sie hoffen vor allem auf Übergangsfristen. Ob wirklich Bio-Milchbauern die Viehhaltung komplett aufgeben und nur noch Ackerbau betreiben, ist noch nicht abzuschätzen.

Individuelle Lösungen wie "Jogging-Weide"

Für Landwirte wie die Grampps, die aus Überzeugung weiter biologisch wirtschaften möchten, weiß Bioland-Beraterin Ulrike Koch Lösungen. So gibt es etwa automatische Selektions-Tore, um Kühen gezielt und nur zeitlich begrenzt den Zugang zu einer Weide zu ermöglichen. Das koste etwa 15.000 Euro, funktioniere aber bereits arbeitssparend auf einigen bayerischen Betrieben.

Außerdem, so Koch, schreibe die EU keine "Weide" vor, von der sich Kühe ernähren können, wo unbedingt viel grünes Gras wachsen muss. Familie Grampp könne etwa mit einer so genannten "Jogging-Weide" ihren Kühen einen computergesteuerten Zugang zu einer Art Auslauf ins Grüne gewähren. Hauptsache raus aus dem Stall.

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