Ausstellungsraum des Jüdischen Museum Franken in Fürth
Bildrechte: BR24 / Nicole Schmitt

Das Jüdische Museum Franken in Fürth zeigt in einer Dauerausstellung die Lebenswelt jüdischer Menschen. Auch ein Thema: Antisemitismus.

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Antisemitismus-Workshop für Lehrer besonders gefragt

Am 7. Oktober hat die Hamas ihren Terrorangriff auf Israel gestartet. Der Krieg hat nicht nur das Leben der Menschen im Nahen Osten verändert. Auch viele in Franken lebende Jüdinnen und Juden sind betroffen – gerade im Hinblick auf Antisemitismus.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Das Jüdische Museum Franken in Fürth ist über die Region hinaus bekannt für seine beeindruckende Sammlung zur fränkisch-jüdischen Kultur. Auf sechs Etagen zeigt eine Dauerausstellung den Lebensalltag jüdischer Menschen. Außerdem bietet das Museum auch Workshops und Fortbildungen an. Gerade die zum Thema Antisemitismus stehen derzeit hoch im Kurs.

Lehrkräfte üben, dem Antisemitismus die Stirn zu bieten

Ende Oktober beschmieren Unbekannte ein israelisches Restaurant in Nürnberg mit einem Davidstern und dem Schriftzug "Kindermörder". Etwa im selben Zeitraum berichten jüdische Jugendliche von ihrer Angst, auf die Straße zu gehen. Zwei aktuelle Beispiele, die zeigen, dass Antisemitismus auch in Franken zur Lebensrealität gehört.

Die Beispiele sind Bestandteil einer Fortbildungsveranstaltung im Jüdischen Museum Franken. "Tacheles reden!" heißt die und richtet sich an Lehrerinnen, Lehrer und pädagogisches Fachpersonal. Elf Lehrkräfte des Fürther Helene-Lange-Gymnasiums setzen sich hier einen Nachmittag lang mit den Wurzeln des Antisemitismus, den Konsequenzen und Herausforderungen auseinander. In dem Workshop wollen sie Strategien kennenlernen, um auf antisemitische Handlungen und Äußerungen souverän reagieren zu können – egal ob im Klassenzimmer oder auf dem Pausenhof.

Krieg in Nahost ist auf dem Schulhof Thema

Die Auseinandersetzung mit dem Thema sei wichtig, findet Lehrer Nico Löwinger. Seit dem siebten Oktober merke man, dass man die Spannung, die es in der Gesellschaft gebe, auch verstärkt in der Schule wahrnehme, erzählt er. "Ich denke, Schule ist immer ein Abbild von der gesamten Gesellschaft. Da bekommen wir es auch zu spüren, dass sich die Fronten verhärten."

Auch bei den jüngeren Schülerinnen und Schülern sei der Krieg der Hamas gegen Israel Thema, berichtet Geschichtslehrerin Christina Baumann. Ihre sechsten Klassen hätten durchaus Gesprächsbedarf. "Die kriegen das von den Eltern mit. Am Abendbrot-Tisch wird darüber diskutiert, man guckt gemeinsam Nachrichten, vielleicht auch Kindernachrichten, in denen das Thema vorkommt. Und natürlich sind auch grad bei den jüngeren Schülern ganz viele Fragezeichen vorhanden."

Und Kollege Sven Kratscher ergänzt, dass auch er immer wieder das Gespräch mit den Schülerinnen und Schülern sucht. Das sei im Einzelfall sehr schwierig, "weil es eine hoch emotionale Debatte ist – auch in der Gesellschaft – und erst recht bei den Schülern, denen halt sehr oft der Informationshintergrund fehlt."

Antisemitismus besteht seit Jahrhunderten

Neben zu wenigen oder falschen Informationen, die oft im Internet kursieren, würden gerade auch die Emotionen beim Thema Antisemitismus eine große Rolle spielen, bestätigt Benjamin Herrmann vom Jüdischen Museum Franken. Er leitet den Workshop und beschäftigt sich seit langem mit dem Phänomen des Antisemitismus: "Kurz und knapp gesagt ist Antisemitismus ein Weltbild, das Juden und Jüdinnen für unterschiedlichste Phänomene weltweit verantwortlich macht. Das drückt sich dadurch aus, dass behauptet wird, Juden würden insgeheim die Welt kontrollieren, das kann sich in unterschiedlichen Kontexten äußern."

Antisemitismus sei eine über Jahrhunderte gewachsene identitätsstiftende Weltanschauung, dessen Ursprung im christlichen Europa liege, so Herrmann weiter. Deshalb beschäftigen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Fortbildung nicht nur mit den Verschwörungsmythen, sondern auch mit der Historie des jüdischen Volkes und der Gründung des Staates Israel im Jahr 1948. Natürlich ist auch die Terror-Organisation Hamas Thema. Zum Beispiel wird die Frage aufgeworfen, wie mit einem solchen Akteur überhaupt diplomatische Verhandlungen möglich sein sollen, wenn einerseits die Friedenslösung generell abgelehnt werde und es zudem Ziel sei, die Juden und Israel zu vernichten und einen muslimischen Gottesstaat zu errichten. Hier habe man Antisemitismus in Reinform, konstatiert Herrmann.

Schülerinnen und Schüler ernst nehmen

Zudem schauen sich die Lehrkräfte konkrete Beispiele vorurteilsbehafteter Aussagen aus der Praxis an. Anhand derer wird dargestellt, wie man im Einzelfall auch im Klassenverbund auf problematische Inhalte reagieren kann. Ein Patentrezept für die Schule allerdings gebe es nicht, so Fortbildungsleiter Herrmann: "Auf jeden Fall müssen wir die Schülerinnen und Schüler ernst nehmen, auf ihre Gefühle und ihre Motivation eingehen, diese berücksichtigen. Da braucht es pädagogisches Fingerspitzengefühl. Gleichzeitig müssen wir Antisemitismus widersprechen und auch erkennbar machen. Wir brauchen den Raum, um mit den Schülerinnen und Schülern über die Wirkmechanismen beim Antisemitismus zu sprechen, weil die grundlegende Frage ja immer ist: 'Wie können wir alle respektvoll miteinander leben?'"

Workshop soll informieren, aufklären und zum Handeln anregen

Nach etwa drei Stunden haben die Lehrkräfte des Helene-Lange-Gymnasiums viel über Antisemitismus gesprochen, Wissen vertieft und auch verschiedene Methoden an die Hand bekommen, wie man in Konflikt-Situationen angemessen reagiert. Informieren, aufklären, gegen Verschwörungsmythen angehen, in den Dialog kommen und dabei auch Denkprozesse anstoßen – das ist das erklärte Ziel der Fortbildungsveranstaltung im Jüdischen Museum Franken in Fürth. Aktuell ist das Angebot besonders gefragt.

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