Ein Mitarbeiter der Partnerorganisation Anera verlädt die Medikamente
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Ein Mitarbeiter der Partnerorganisation Anera verlädt Hilfsgüter

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Steiniger Weg: Münchner Verein bringt Medikamente nach Gaza

Warten, bangen, hoffen: Der Münchner Verein "Apotheker ohne Grenzen" hat zusammen mit Partnerorganisationen seine erste Hilfslieferung in den Gazastreifen gebracht. Welche Herausforderungen dabei zu überwinden waren.

"Es hat sich angefühlt, als ob wir nicht bei Null starten, sondern bei minus 10", sagt Eliette Fischbach, Geschäftsführerin von "Apotheker ohne Grenzen" (AoG). Es ist Mitte Januar, seit über drei Monaten arbeitet der Verein daran, Medikamente nach Gaza zu bringen. Und das gestaltet sich schwierig. Der Grund: strenge Kontrollen am Grenzübergang, die instabile Lage, anfangs kein Partner vor Ort. Ob und wann die Lieferung ankommen wird, weiß die Geschäftsführerin zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Medikamente für 10.000 Menschen und drei Monate

Dennoch sagt sie: "Der Weg, den die Lieferung jetzt nehmen wird, ist klar. Wir sind optimistisch." Der in München ansässige Verein schickt Medikamente nach Gaza, mit denen etwa 10.000 Menschen für drei Monate versorgt werden können. Hauptsächlich sogenannte Basismedikation, die leicht zu verabreichen ist. Laut Verein soll sie dafür eingesetzt werden, dass Menschen erst gar nicht zu einem Notfall werden, für den keine Rettungskette vor Ort mehr vorhanden ist.

Konkret geht es um Schmerzmittel, Fiebermedikamente, Antibiotika, Mittel gegen Erbrechen und Durchfall. Dazu kommen Verbände und Nähbesteck für kleine Wunden. In der Lieferung enthalten sind außerdem Arzneien zur Behandlung von chronischen Krankheiten wie Diabetes oder Bluthochdruck. Bezahlt wird die Lieferung aus Mitteln des Vereins, der sich über Spenden finanziert.

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AoG-Geschäftsführerin Eliette Fischbach in ihrem Münchner Büro

Die Situation in Gaza: Es mangelt an allem

Denn die Lage im Gazastreifen ist katastrophal. Laut Angaben des Deutschen Roten Kreuzes fehlt es den Menschen an Trinkwasser, Lebensmitteln, Treibstoff und Medikamenten. Nach Ansicht von DRK-Präsidentin Hasselfeldt kann die Bevölkerung durch die wenigen offenen Hilfskorridore nicht annähernd menschenwürdig versorgt werden.

Mit Blick auf die Lage in Gaza sagt auch die Geschäftsführerin von Apotheker ohne Grenzen: "Eine Lieferung von AoG wird da wirklich nur an der einen oder anderen Stelle kurzfristig helfen.“

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Hilfslieferungen in der Lagerhalle in Amman, Jordanien.

Über diese Grenze kommt man nur mit Partnern

Doch bevor die Lieferung helfen kann, muss sie überhaupt ankommen. Eliette Fischbachs Hand fährt über eine Karte, während sie die Route beschreibt: Zunächst hat ein Flugzeug die Medikamente von den Niederlanden nach Jordanien gebracht. Dort sind sie an die Hilfsorganisation Anera übergeben worden. Diese ist in der Region gut vernetzt und soll die Lieferung in den nächsten Tagen zu einem kleinen Militärflughafen in Ägypten bringen. Von da geht es mit einem Lastwagen weiter zum Grenzübergang Rafah.

Hier wird es brenzlig, denn der Grenzübergang gilt als Nadelöhr. Ob die Grenze offen oder geschlossen ist, hängt auch davon ab, ob gerade im südlichen Gazastreifen gekämpft wird. Doch auch wenn die Lage ruhiger und die Grenze offen ist, bleiben Probleme, weiß die Geschäftsführerin: "Es gibt viele Lieferungen, die sich anstauen, weil die Checks so strikt sind. Also sowohl auf ägyptischer Seite als auch von israelischer Seite wird sehr streng kontrolliert."

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Die Medikamente warten im Lagerhaus in Jordanien.

Insulin: Trotz hohem Bedarf keine Lieferung

Wegen der strikten Kontrollen verzichtet der Verein auf manche Medikamente, obwohl sie dringend benötigt werden. Zum Beispiel das für Diabetiker lebenswichtige Medikament Insulin. Der Grund: Die Kühlkette kann auf dem Transport nicht durchgängig gewährleistet werden. Wenn die Kühlkette reißt, ist Insulin noch für drei Monate verwendbar. Das genügt laut Eliette Fischbach zwar, um es über die Grenze zu bringen und als sicheres Arzneimittel einzusetzen. Aber sie sagt, bei anderen Kontrollen sei eine solche geringe Haltbarkeit ein Grund gewesen, um eine ganze Lieferung zu blocken. "Deswegen verzichten wir darauf."

Nach Ansicht der Geschäftsführerin sind die Regeln zur Mindesthaltbarkeit grundsätzlich sinnvoll, denn von anderen Hilfsorganisationen wurden auch schon abgelaufene Medikamente geliefert. Jedoch wünscht sie sich mit Blick auf die Lage vor Ort ein pragmatischeres Vorgehen der Grenzbeamten. Damit ist sie nicht allein: Vergangene Woche haben sowohl der UN-Sicherheitsrat als auch der Internationale Gerichtshof Israel dazu aufgefordert, mehr Hilfslieferungen in den Gazastreifen zuzulassen.

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Die Medikamenten-Lieferung auf Flughafen-Rollfeld in Ägypten.

Ein Weg mit Hindernissen

Doch wie ging es nun weiter mit der Hilfslieferung des Münchner Vereins? Ende Januar ist klar, dass die Lieferung in Amman, Jordanien, festhängt. Grund ist, dass der Rafah-Grenzübergang nach Gaza und der Flughafen in Ägypten überlastet sind. Die Geschäftsführung von Apotheker ohne Grenzen spricht von einem "Rückstau". Außerdem würden aufgrund der drohenden Hungersnot mittlerweile Nahrungsmittel-Lieferungen priorisiert. Die Medikamenten-Lieferung von AoG muss also warten.

Den Weitertransport ab Jordanien organisiert die Partnerorganisation Anera. Drei Wochen lagert die Lieferung in Amman, dann wird sie nach al-Arish, Ägypten, geflogen, dort erneut kontrolliert und gelagert. Wieder heißt es warten.

Vor Ort zu arbeiten, ist gefährlich: Laut Anera wurde kurz vor dem endgültigen Transport einer ihrer Logistiker bei einem israelischen Bombardement getötet. Nicht der einzige Fall, in denen Helfer Opfer werden: Zuletzt sorgte der Tod von sieben ausländischen Helfern von "World Central Kitchen" für weltweite Empörung. Laut dem Deutschen Roten Kreuz sind seit der Eskalation des bewaffneten Konflikts bei den Schwestergesellschaften Roter Halbmond und Roter Davidstern insgesamt mindestens 18 Helferinnen und Helfer ums Leben gekommen.

Elf Tage, nachdem die Medikamentenlieferung von "Apotheker ohne Grenzen" in Ägypten angekommen ist, kommt dann die erhoffte Nachricht: Die Medikamente werden auf sieben Paletten verteilt und auf Lkw geladen. Mitte März passiert die Lieferung endlich den Rafah-Grenzübergang nach Gaza. Dort werden die Medikamente nun an medizinisches Personal in verschiedenen Flüchtlingsunterkünften übergeben.

"Was zunächst als Weihnachtsgeschenk gedacht war, wird nun ein Ostergeschenk", sagt die Geschäftsführerin. Eine lange Zeit, in der Medikamente dringend nötig gewesen wären. Deshalb prüft der Verein nun alternative, schnellere Wege für mögliche weitere Hilfslieferungen.

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