Die Studierenden aus dem Biedersteiner Studentenwohnheim in München kämpfen  um den Erhalt der demokratischen Selbstverwaltung.
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Die Studierenden aus dem Biedersteiner Studentenwohnheim in München kämpfen um den Erhalt der demokratischen Selbstverwaltung.

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Selbstverwaltung in Studentenwohnheimen vor dem Aus?

In den Wohnheimen, die dem Studierendenwerk Oberbayern unterstehen, sollen in Zukunft viele Elemente der Selbstverwaltung abgeschafft werden. Die Studierenden sehen das als "Angriff auf die Demokratie" und wehren sich.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Oberbayern.

Insgesamt 15 Hochschulen mit rund 135.000 Studierenden fallen in den Verantwortungsbereich des Studierendenwerks München Oberbayern, auch Stuwerk genannt. Diese Wohnheime haben sich bisher selbst verwaltet. Und das durch sogenannte Haussprecher oder Tutoren, die von den Studierenden selbst gewählt wurden.

Die Wohnheimpartys sind eine feste Größe in München

Diese Vertreter waren bisher für die Selbstverwaltung der Wohnheime zuständig. Die Haussprecher fungieren als Art Mediatoren und Vertreter der Studenten für alle Probleme, die im menschlichen Miteinander auftreten können.

Sie organisieren aber auch Partys. Die Faschingsfeste sind dabei seit Jahren eine feste Größe und weit über München hinaus bekannt. Im Biedersteiner Wohnheim in München gibt es etwa 35 Ämter. Die Haussprecher organisieren das Zusammensein in den fünf Häusern an der Biedersteiner Straße. In den Wohngemeinschaften leben bis zu acht junge Menschen zusammen, da sind Diskussionen und Probleme programmiert.

Das Stuwerk will die Haussprecher abschaffen

Doch mit dem Amt des Haussprechers soll bald Schluss ein. Das Studierendenwerk München Oberbayern plant ab dem Sommersemester in diesem Jahr die Haussprecher abzuschaffen und somit auch die demokratischen Wahlen in den Wohnheimen, zuerst hatte die Süddeutsche Zeitung darüber berichtet (Externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt).

Die Tutoren soll es weiterhin geben, sie sollen die Aufgaben des Haussprechers übernehmen. Die Tutoren werden allerdings nicht mehr von den Studierenden selbst gewählt. Wer Tutor werden möchte, kann sich in Zukunft beim Studierendenwerk bewerben.

Ehrenamt wird durch die Reformen unattraktiv für Studenten

Melanie Meincke, Studentin und Vorsitzende im Kulturausschuss der Studenten im Olympiazentrum, kritisiert das Vorhaben des Stuwerks. Das ganze System des studentischen Ehrenamtes würde durch die neuen Pläne zerstört. Wie beispielsweise die Ankündigung, dass die Wohnzeitgarantie wegfalle. Auch die halbierte Wohnzeitverlängerung von vier auf zwei Semester sei ein Problem. Die Ehrenamtlichen verlören so das Interesse an Ehrenämtern und das ginge zulasten der Kulturarbeit, so Meincke.

Studierende verbrächten weniger Zeit in den Wohnheimen und engagierten sich so auch weniger für die eigenen Belange. Auch, weil sie sich nicht auskennen. Das System der Haussprecher sei aber vor allem sehr wichtig für das Miteinander in den Wohnheimen. Gibt es Probleme untereinander, seien die Haussprecher immer als Ansprechpartner vor Ort und würden Probleme unbürokratisch und schnell, oft nur durch ein kurzes Gespräch mit den betreffenden Parteien regeln. Ein System, das gerade durch den kurzen Dienstweg immer gut funktioniert habe. Aber auch wenn es Beschwerden seitens der Bewohner an das Stuwerk gebe, und die gab es in den letzten Jahren wohl.

1.300 Studentenwohnungen stehen leer

Viele Häuser des Studierendenwerks sind sanierungsbedürftig, aktuell stehen allein in Freimann 1.300 Wohnungen leer. "Und vielleicht ist das eines der Hauptprobleme", sagt Florian Siekmann. Er ist seit 2018 Fraktionsmitglied der Grünen im Landtag und kritisiert das Vorgehen des Stuwerks. Er sagte dem BR: "Es drängt sich der Verdacht auf, dass nach der schlechten Presse in den letzten Jahren jetzt einfach Ruhe in das Thema Wohnheim gebracht werden soll." Er bezeichnete das Verhalten des Stuwerks als undemokratisch.

Siekmann hat mit seinem Fraktionskollegen Christian Hierneis eine Anfrage zur studentischen Selbstverwaltung im Parlament eingereicht. Über das Studierendenwohnheim im Olympiadorf wurde zudem eine Petition ins Leben gerufen.

Erstsemester sollen Chance auf einen Wohnheimplatz bekommen

Das Studierendenwerk München Oberbayern sagt, es möchte mit den Reformen vor allem Erstsemestern eine reelle Chance auf einen Wohnheimplatz geben. Aktuell haben neu Studierende in München keine Chance während ihres Studiums überhaupt einen Platz in den begehrten Wohnheimen zu bekommen. Die Wartezeit liegt zwischen 4 und 6 Semestern. Dass die Wohnheimplätze begehrt sind, erschließt sich jedem, der bereits eine Wohnung in München hat oder schon mal auf der Suche war. 360 Euro kostet der Platz im Wohnheim monatlich.

Auch plant das Stuwerk eine Erstsemester-Quote. Zudem sollen Studierende auch weiterhin in Entscheidungen einbezogen werden. Aber, so das Stuwerk schriftlich: "Wir können uns nicht von drängenden Weichenstellungen abhalten lassen, nur weil es unbequem ist und ein Teil der Bewohnerschaft auf Rechten besteht, die ihnen in der Vergangenheit zugestanden wurden. Das Studierendenwerk wird immer versuchen, im Sinne der Mehrheit der Studierendenschaft ausgleichend zu agieren."

Bei den letzten Wahlen der Haussprecher in den Wohnheimen im Oktober 2023 wurden die Änderungen bereits angekündigt. Das Stuwerk wirbt auf seiner Website mit den demokratischen Selbstverwaltungsstrukturen in ihren Wohnheimen. Deren Aufgabe sei es "das Gemeinschaftsleben zu fördern, indem beispielsweise Diskussionsabende oder kulturelle Veranstaltungen organisiert werden". Dabei wird es laut Sprecher Ingo Wachendorfer auch bleiben. Und er fügte hinzu: "Es ist vielleicht jetzt an der Zeit solidarisch mit den Erstsemestern und Studierenden zu sein, die dort auch wohnen wollen."

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