Apotheken-Inhaberin Christine Hannig berät eine Kundin.
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Apotheken-Inhaberin Christine Hannig schätzt die individuelle Beratung.

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Rezept gegen Apothekensterben auf dem Land

Allein in diesem Jahr mussten bereits 29 Apotheken in Bayern schließen. Die Gründe sind vielfältig. Im 1.500-Einwohner Dorf Remlingen im Landkreis Würzburg gibt es noch eine. Die Schloss-Apotheke – und das seit nunmehr 200 Jahren. Was ist ihr Rezept?

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Mainfranken am .

Das Dorfarchiv in Remlingen: Apotheker Michael Hannig öffnet einen Karton nach dem anderen. Fotos vom Remlinger Landleben der vergangenen 100 Jahre. Auch ein Foto der Schloss-Apotheke hier im Ort, die ihm und seiner Frau heute gehört. Damals waren Apotheke und Wohnhaus noch eins. "Die Apotheken waren früher nicht so groß wie heute. Man hatte nicht das Sortiment mit Verkaufsraum und so", erzählt Hannig.

Urkunde der Gründung ist 200 Jahre alt

Doch er sucht nach einem ganz bestimmten Dokument. Michael Hannig will wissen, wie alt die einzige Apotheke hier in Remlingen im Landkreis Würzburg ist. In einem weiteren Karton wird er fündig: "Das ist die Urkunde. Remlingen im Untermainkreis 1823", liest er vor. Die Remlinger Apotheke ist damit die erste im Landkreis Würzburg. Das Dokument, in geschwungener Handschrift verfasst, ist ausgestellt und genehmigt von der "königlichen Regierung des Untermainkreises". Eine Kopie natürlich.

Was eine Apotheke braucht? Schnell erreichbar und persönlich

Vor 30 Jahren haben er und seine Frau Christine Hannig die Schloss-Apotheke übernommen und sind in ein neues Gebäude gezogen. Größeres Sortiment heißt auch größerer Verkaufsraum. Verändert hat sich dennoch nicht viel. Worauf es ankomme, sei heute auch nicht anders als noch vor 200 Jahren: "Ich habe die Apotheke im Ort, kann jederzeit die Sachen, die ich brauche, holen, und der Arzt ist gleich nebenan", sagt eine Kundin. Eine andere schätzt die persönliche Ebene: "Gut ist, dass es immer die gleichen sind, die einen seit Jahren kennen und so besser beraten können."

Nah dran, gut erreichbar, persönlich – das erwarten diese Kundinnen von ihrer Land-Apotheke. Und das ist auch das Ziel von Christine Hannig, die diese Apotheke hier am Dorf ganz bewusst übernommen hat. So habe sie die Möglichkeit, jeden individuell zu bedienen. "Man kann nach Erfolgen in der Medikation fragen oder einfach ans vorherige Gespräch anknüpfen." Sie schätzt die menschliche Komponente.

So wenige Apotheken in Bayern wie vor 40 Jahren

Allerdings: Je weniger Geschäfte es in Remlingen gibt, desto schwieriger werde es auch für die Apotheke, sagt Michael Hannig. Von ursprünglich zwei Arztpraxen etwa gibt es nun nur noch eine. Lebensmittelgeschäfte haben auch zum Großteil zugemacht. Dabei brauche die Apotheke auch die Kunden, die zum Bäcker oder Metzger gehen. "Oder die, die gestern einen Schoppen zu viel getrunken haben und Beratung brauchen wegen akuten Kopfschmerzen", erklärt Hannig.

In Bayern sei die Zahl der Apotheken in den ersten drei Monaten dieses Jahres um 29 gesunken, so der Bayerische Apothekerverband. Damit gab es zum Ende des ersten Quartals insgesamt 2.853 Apotheken im Freistaat. Weniger Apotheken waren es zuletzt 1980.

Apotheken auf dem Land von Schließungen bedroht

Bei Risiken und Nebenwirkungen: Ärzte und Apotheker sind hier gleichermaßen gefragt. Doch vor allem auf dem Land wird das immer schwieriger, weil Praxen und Apotheken schließen müssen. Die Gründe, warum Apotheken schließen müssen, seien vielfältig, oft finanzieller und struktureller Natur, heißt es von der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA). "In ländlichen Regionen findet der Inhaber oder die Inhaberin oft kein Personal oder keine Nachfolge, viele zieht es lieber in die Großstadt. Manchmal schließt auch die einzige Arztpraxis im Ort, so dass es auch aus wirtschaftlichen Gründen für die Apotheke schwer wird, den Standort zu halten", erklärt Thomas Dittrich, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands.

Der ABDA ruft deshalb jetzt zu einem bundesweiten Protesttag am 14. Juni auf. An dem Tag werden viele Apotheken geschlossen bleiben, heißt es in der Ankündigung – um auf Lieferengpässe, Personalnot und Unterfinanzierung aufmerksam zu machen.

Apotheke als soziale Anlaufstelle vor Ort erhalten

Eine Entwicklung, die die Problematik verschärft, sei der Online-Handel, sagt Michael Hannig: "Gesundheit kann man nicht nur digitalisieren." Für ihn und seine Frau Christine geht es deshalb darum, beides miteinander zu verbinden. So bieten sie weiterhin "Click and Collect" an, liefern Medikamente nach Hause, die online bestellt wurden. Für die Hannigs ein gutes Rezept für die Apotheke der Zukunft: bequemes Internet und persönliche Beratung vor Ort.

Schild der Schloss-Apotheke.
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Schloss-Apotheke

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