Blick von oben auf den begradigten und vertieften Rappenalpbach in den Allgäuer Hochalpen
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Der begradigte und vertiefte Rappenalpbach im Naturschutzgebiet Allgäuer Hochalpen

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Begradigter Rappenalpbach: Umweltminister Glauber vor Ort

Der geschützte Rappenalpbach im Oberallgäu ist ungenehmigt begradigt worden. Einen verheerenden Schaden beklagen Bund Naturschutz und Landesbund für Vogelschutz. Umweltminister Thorsten Glauber macht sich am Vormittag selbst ein Bild der Lage.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Schwaben am .

Nach dem der streng geschützte Rappenalpbach in den Allgäuer Hochalpen ohne Genehmigung begradigt und vertieft worden ist, will sich der bayerische Umweltminister Thorsten Glauber am Vormittag selbst ein Bild von der Umweltzerstörung im Oberallgäuer Rappenalptal machen. Gemeinsam mit Landrätin Indra Baier-Müller sowie Vertretern von Wasserwirtschaftsamt und der Regierung von Schwaben ist ein Ortstermin in dem abgelegenen Tal geplant. Dieser Termin ist nicht öffentlich. Anschließend wollen Glauber und Baier-Müller aber in Oberstdorf Fragen beantworten.

Umweltministerium hält Zerstörung für nicht hinnehmbar

Das Umweltministerium in München hatte vergangene Woche auf BR-Anfrage erklärt, man nehme den "Eingriff am Rappenalpbach" "sehr ernst", die Zerstörung sei "nicht hinnehmbar". Von den zuständigen Behörden erwarte man "eine schnelle und lückenlose Aufklärung des Sachverhalts". Der Wildbach im Naturschutzgebiet "Allgäuer Hochalpen" ist nicht nur "europäisches Vogelschutzgebiet", es steht auch als "Flora Fauna Habitat"-Gebiet unter dem besonderen Schutz der EU.

Wildbach ohne Genehmigung begradigt

Der Rappenalpbach ist durch Baggerarbeiten auf einer Strecke von 1,6 Kilometern aufgerissen und begradigt worden. Bund Naturschutz (BN) und Landesbund für Vogelschutz (LBV) beklagen, dadurch seien Lebensräume von seltenen Tier- und Pflanzenarten ausgelöscht oder auf Jahrzehnte zerstört worden.

Landesbund für Vogelschutz stellt Strafanzeige

Der Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV) will damit nach eigenen Angaben erreichen, dass die Verantwortlichen für diesen unrechtmäßigen Eingriff zur Rechenschaft gezogen werden. "Verstöße gegen naturschutzrechtliche Verordnungen sind kein Kavaliersdelikt und müssen konsequent strafrechtlich geahndet werden", so der LBV-Geschäftsführer Helmut Beran.

LBV fordert Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sowie Geldstrafe

Neben der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes fordert der LBV Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sowie eine empfindliche Geldstrafe. Der Naturschutzverband hofft, dass vom Rappenalpbach eine Signalwirkung ausgeht. Derartige Verstöße sollten seiner Ansicht nach in Zukunft nicht mehr vorkommen, damit die Schönheit von Bayerns Natur nicht noch weiter zerstört werde.

  • Zum Artikel: "Rappenalpbach zerstört – wie kam es dazu?"

Freiheitsstrafe von mehreren Jahren möglich

Wie ein solches Delikt bestraft werden kann, ist nach Recherchen des BR unter anderem im Strafgesetzbuch unter Paragraph 329 zur Gefährdung schutzbedürftiger Gebiete geregelt. Laut Absatz 3 könnte den Verantwortlichen eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren drohen. Wie hoch die Strafe für die Verantwortlichen im Fall des Wildbaches genau ausfallen wird, lässt sich aber nur schwer abschätzen oder mit anderen Fällen vergleichen.

"Es gibt es nur eine Handvoll gerichtlicher Entscheidungen", erklärt der Umweltrechtsprofessor Prof. Holger Kröninger von der Hochschule Trier-Birkenfeld. Neben der Gefährdung schutzbedürftiger Gebiete könnten die Verantwortlichen auch gegen das Wasserhaushaltsgesetz verstoßen haben. In diesem Fall droht eine Geldbuße bis zu 50.000 Euro. Über die Höhe des Bußgeldes im Fall des Wildbaches im Allgäu will Kröninger keine Prognose anstellen, aber es sei "schon ein eklatanter Eingriff in das Gewässer und in die naturschutzrechtliche Umgebung, sodass man sich da doch im oberen Rahmen der zulässigen Strafen bewegen kann".

Gehring: Staatsregierung soll sich um Aufklärung kümmern

Auch der Allgäuer Landtagsvizepräsident Thomas Gehring (Grüne) machte sich inzwischen ein Bild vom begradigten und ausgebaggerten Bach und erklärte daraufhin: Die Zerstörung im Rappenalptal müsse lückenlos aufgeklärt werden. Er sehe die Staatsregierung in der Pflicht und habe deshalb laut Mitteilung auch eine entsprechende Anfrage gestellt. Inhalt des Schreibens: „Welche Behörden waren über die Maßnahmen im mehrfach geschützten Rappenalptal informiert? Wer konkret war der Auftraggeber für die Begradigung des Wildbachs? Gab es irgendeine Form der Rückmeldung an die Behörden aus der Bevölkerung oder von den im Gebiet befindlichen Behördenvertretern, die zu deren Intervention hätten führen können?“ Gemeinsam mit seiner Fraktion fordert Gehring in einem Dringlichkeitsantrag im Landtag, dass Umweltminister Glauber am Donnerstag (24.11.22) im Umweltausschuss des Landtags Rede und Antwort zu der Zerstörung des Rappenalpbachs steht.

BN: Verantwortliche sollten auch Rückbau finanzieren

Auch der Bund Naturschutz Bayern hat sich nochmals zu dem Vorfall geäußert. Alfred Karle-Fendt, Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Kempten-Oberallgäu, hatte die Maßnahmen entdeckt. Er sagt: "Am dramatischsten ist die Zerstörung der Bachsohle. Gewässerkleinlebewesen wie Würmer, Schnecken, Muscheln sowie Krebstiere sind vollständig verschwunden. Durch die Vernichtung der angrenzenden Fauna sind seltene Arten wie alpine Steinfliege, Köcherfliege, Idas-Bläuling […] vernichtet worden.“ Auch der Alpensalamander sei sicher bei den Baggerarbeiten getötet worden, so Karle-Fendt. Die BN-Verantwortlichen fordern, die Verantwortlichen strafrechtlich zur Rechenschaft zu ziehen und sie für die Kosten des Rückbaus und des Ausgleichs haftbar zu machen. Unabhängige Fachbüros sollten damit beauftragt werden, eine Rückbauplanung mit Orientierung am Vorzustand zu erstellen.

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