Ein Plakat an einer Hauswand, auf dem gegendert wird.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Sven Hoppe

Das Genderverbot der bayerischen Staatsregierung wird kontrovers diskutiert.

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Pro und Contra: Was bringt das bayerische Genderverbot?

In Bayern gilt jetzt: Schriftlich dürfen staatliche Behörden oder Schulen keine Genderzeichen mehr verwenden. Die Staatsregierung hat das verboten und vor einer "ausgrenzenden Wirkung" gewarnt. Zwei unterschiedliche Ansichten: Ein Pro und Contra.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Gendersternchen, Binnenmajuskel, Doppelpunkt und Gendergap sollen mit diesem Monat in Bayern Vergangenheit sein – zumindest im Schriftverkehr von Schulen, staatlichen Behörden und Hochschulen. Seit dem 1. April ist das Genderverbot der Staatsregierung in Kraft.

Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) erklärte: Sprache müsse klar und verständlich sein. Ziel sei, "die Diskursräume in einer liberalen offenen Gesellschaft tatsächlich offenzuhalten". Ideologisch aufgeladene Sprache habe eine "stark exkludierende Wirkung". Aber: Ist das Genderverbot der richtige Weg, um dieses Ziel zu erreichen? Zwei BR24-Reporter haben da unterschiedliche Ansichten.

Pro: Bayern zieht’s durch – tschüss, nerviges Gendersternchen!

Von Julia Ruhs

Ab heute gilt’s: keine nervigen Gendersternchen mehr! Was Bayern da macht, ist ein geschickter Schachzug: Diejenigen mit Wut im Bauch, die bisher geklagt haben, "die da oben" im Staate seien abgehoben und frönen einer Kunstsprache, sehen jetzt: "Die da oben" verbieten sich das Gendern nun einfach selbst. Kein Ministerium, keine Behörde, keine Schule, keine Universität – also all das, was in staatlicher Hand ist – darf mehr gendern.

Ab jetzt kann niemand mehr sagen, Kinder würden an den Schulen mit Genderstern indoktriniert. Studenten würden mit Gendersprache zum politisch-korrekten Denken erzogen. Bürger würden durch Sonderzeichen-schreibende Behörden "von oben angegendert". Was heißt: Den ein oder anderen wird das zumindest ein wenig mit den Regierenden versöhnen.

Die akademisierte Blase, die jetzt empört so tut, als sei so ein Genderverbot bevormundend und minderheits-diskriminierend, sollte sich beruhigen. Ein Genderverbot hilft nämlich auch den Schülern, die noch nicht so fit im Lesen und Schreiben sind. Laut der aktuellen PISA-Studie sind das so einige. Deren Lehrer kommen jetzt gar nicht mehr in Versuchung, ganz besonders inklusiv und vermeintlich modern sein zu wollen. Das nutzt auch den Kindern, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. Es ist doch gut, wenn die nicht durch Sonderzeichen komplett verwirrt werden – sondern eine korrekte Rechtschreibung lernen.

Die Streber in den Klassenzimmern können übrigens weiterhin ihr Sternchen verwenden. Sie kriegen das in Schularbeiten zwar angestrichen, aber nicht mal Punktabzug. Bayern drückt bei Schülern, die gendern, nämlich ein Auge zu. Nur eben nicht mehr bei Lehrern. Ziemlich liberal eigentlich. Schleswig-Holstein greift da zum Beispiel viel härter durch. Die haben nämlich auch ein Genderverbot. Sachsen und Sachsen-Anhalt auch. Ach ja, und selbst in Frankreich ist in der Schule das Gendern verboten! Also längst keine bayerische Schnapsidee.

Mit dem Genderverbot stellt sich Bayern gegen einen moralisierenden Zeitgeist, der auch die Sprache ergriffen hat. Dafür gibt’s von mir ein fettes Danke.

Contra: Meinungsbildung in Basta-Manier abgewürgt

Von Jonas Wengert

Was ist eigentlich aus dem bayerischen Motto "leben und leben lassen" geworden? Aus dieser sympathisch-unaufgeregten Philosophie, die auch Markus Söder gern zitiert.

Erst warnt der CSU-Ministerpräsident in schrillen Tönen vor Umerziehung und Genderwahn – um dann rigoros gegen den eigens aufgebauten Popanz vorzugehen: mit einer Beruhigungspille für die kochende Stammtischseele.

Nun ist es da, das bayerische Genderverbot. Es soll laut Staatsregierung "Diskussionsräume offenhalten" – auf diese Begründung muss man erstmal kommen. Ein Verbot in derartiger Basta-Manier hält sicher keine Diskussionsräume offen. Das gelingt, indem man Argumente austauscht, und andere Standpunkte respektiert – wie in diesem Pro-Contra zum Beispiel. Oder wenn der eine Lehrer im Unterricht Arbeitsblätter mit Gendersternchen verwendet und die nächste Lehrerin Arbeitsblätter ohne. So können sich Jugendliche eine eigene Meinung bilden.

Doch der Staatsregierung geht es nicht um "offene Diskussionsräume", sondern um knallharten Kulturkampf: Söder und Aiwanger stacheln auch an anderer Stelle gesellschaftliche Gruppen gegeneinander auf: Fleischesser gegen Veganerinnen! Auto- gegen Lastenradfahrer! Stadt- gegen Landbevölkerung! Anstatt zu spalten wäre es wichtig, verbal abzurüsten. Das gilt im Übrigen für alle demokratischen Kräfte: Nicht jede andere Meinung, ist gleich eine Ideologie.

Das Genderverbot ist falsch, weil es Diskussionen abwürgt. Statt verhärteter Fronten brauchen wir als Gesellschaft mehr respektvollen Meinungsaustausch, mehr Verständnis für die Lebensrealitäten von anderen, mehr Gelassenheit – und mehr "leben und leben lassen".

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