Der Angeklagte mit seinen Anwälten
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Noch mal aufgerollt: Prozess zum Unfalltod zweier junger Frauen

Viereinhalb Jahre nach einem Verkehrsunfall mit zwei Toten ist der Prozess gegen einen Autofahrer weitergegangen. Der 28-Jährige war zu zwei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden. Das Bayerische Oberste Landesgericht hob das Urteil aber auf.

Zu Beginn des Prozesses vor dem Landgericht Traunstein äußerte sich der heute 28-Jährige Angeklagte zunächst nicht, wie eine Gerichtssprecherin berichtete. Stattdessen wurden die beide Nebenkläger angehört - eine damals schwer verletzte Beifahrerin und der Vater einer der beiden getöteten jungen Frauen.

Zeugin kann sich an Unfall nicht mehr erinnern

Eine dritte Frau, damals 19, überlebte schwer verletzt. Sie sagte als Zeugin, dass sie sich an den Unfall nicht mehr erinnern könne. Auf die Frage der Richterin schilderte sie die Folgen der Verletzungen. "Ich schaue heute nicht mehr so aus, wie vor dem Unfall" sagte die Frau, die unter anderem schwerste Gesichtsverletzungen erlitten hatte. Neben den nach wie vor starken physischen Einschränkungen sei sie psychisch schwer belastet. Bei dem Unfall waren ihre jüngere Schwester und die beste Freundin gestorben.

Vater der getöteten Fahrerin: Stellungnahme gegen Raser

Der Vater der getöteten Fahrerin sollte sich zur Abwicklung des Schadens äußern, wollte seine Aussage aber mit einem allgemeinen Appell gegen Raser verbinden. Das unterband die Richterin freundlich, aber bestimmt mit dem Hinweis, dass es bei einer Zeugenaussage keine Anmerkungen geben könne, die nicht direkt mit der Sache zu tun hätten.

Erster Verhandlungstag am Mittag beendet

Da eigentlich eingeplante weitere Zeugen nicht kommen konnten, war die Verhandlung bereits am Mittag zu Ende. Es werden noch sechs Verhandlungstage folgen, der nächste am 1. Juni. Ein Urteil wird für den 15. Juni erwartet.

Tödlicher Unfall vor vier Jahren

Nach erfolgreicher Revision wegen eines Formfehlers wurde der Prozess um den Unfalltod zweier junger Frauen im Landkreis Rosenheim jetzt neu verhandelt. Bei dem Unfall am 20. November 2016 auf der Rosenheimer Südumgehung hatte ein überholender Golf GTI den entgegenkommenden Kleinwagen dreier junger Frauen vom Samerberg frontal gerammt. Zwei der Frauen (21 und 15 Jahre alt) starben dabei, die Dritte (damals 19 Jahre alt), Schwester eines der Todesopfer, erlitt schwere Verletzungen. Auch der Unfallverursacher und seine Beifahrerin wurden schwer verletzt.

Fahrer des Golf schon rechtskräftig verurteilt

Der Fahrer des Golf wurde vom Amtsgericht Rosenheim rechtskräftig zu einer Bewährungsstrafe von 20 Monaten verurteilt. Mit angeklagt wurden auch zwei BMW-Fahrer aus Kolbermoor und Riedering. Sie wurden von dem Golffahrer aus Ulm unmittelbar vor der tödlichen Kollision überholt und hatten laut Urteil des Landgerichts Traunstein verhindert, dass der Überholer noch rechtzeitig vor dem Gegenverkehr wieder auf seine Fahrbahn einscheren konnte. Die beiden hätten die Lücke zwischen ihren Fahrzeugen dicht gemacht, deshalb sei es zu dem Unfall gekommen. Sie wurden zu Freiheitsstrafen ohne Bewährung verurteilt.

Formfehler eines Richters führt zu neuem Prozess

Während das Urteil von zwei Jahren und fünf Monaten Freiheitsstrafe gegen einen der BMW-Fahrer rechtskräftig wurde, hob das Bayerische Oberste Landesgericht das Urteil gegen den anderen Fahrer auf. Die Richter begründeten das mit einem Formfehler. Während des Prozesses am Landgericht wurde gegen einen Angeklagten auch wegen eines illegalen Autorennens mitverhandelt. In dieser Zeit verließ der andere Angeklagte mit seinem Anwalt den Gerichtssaal. Das hatte der Vorsitzende Richter auf Frage des Anwalts mit einer Handbewegung genehmigt.

Nach Ansicht der Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht hätte dafür ein formeller Beschluss ins Protokoll aufgenommen werden müssen. Das sei aber nicht geschehen, dieser Formfehler stelle einen sogenannten "absoluten Revisionsgrund" dar, weswegen das Urteil aufzuheben sei, so die Begründung.

40 Zeugen werden noch einmal gehört

Jetzt müssen 40 Zeugen und ein Sachverständiger erneut aussagen, für viele ist es das fünfte Mal, rechnet man die Befragung bei der Polizei und die Prozesse in erster Instanz dazu. Für die Angehörigen der Opfer beginnt alles von vorne, sie werden wieder im Gerichtssaal sein wie an den vielen vorausgegangenen Verhandlungstagen, der Tod ihrer Töchter wird wieder besonders schmerzlich bewusst werden.

Angehörige der Opfer sind verzweifelt

"Man fragt sich, warum wir jetzt wieder von vorne anfangen müssen. Was damit den Familien angetan wird, kann sich niemand vorstellen", sagt Manuela Daxlberger, die Mutter von Unfallopfer Ramona Daxlberger (15). Ralf Rüth, dessen Tochter Melanie (21) starb, kann nicht verstehen, warum der ganze Prozess nur wegen eines Formfehlers neu aufgerollt werden muss: "Es geht nicht um die Schuld, sondern nur um einen Verfahrensfehler, weil etwas nicht schriftlich festgehalten wurde. Das ist nicht angemessen und nicht vertretbar".

Neuentscheidung des Landgerichts Traunstein

Bei dem Prozess geht alles wieder "auf Anfang". Die 1. Strafkammer des Landgerichts Traunstein wird sich eine eigene Meinung bilden und dann erneut entscheiden – wie auch immer. Das Gericht ist dabei nur an eines gebunden: Die Strafe darf nicht höher ausfallen als im Prozess davor, also höchstens zwei Jahre und drei Monate betragen. Da nur der verurteilte Autofahrer in Revision gegangen war, gilt das sogenannte "Verschlechterungsverbot". Das bedeutet, dass der Angeklagte nicht schlechter wegkommen darf als mit dem angefochtenen Urteil.

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