Inhaberinnen oder Inhaber von Kosmetikstudios haben es seit Beginn der Corona-Pandemie wegen der strengen staatlich verordneten Bestimmungen schwer. Nicht wenige fühlen sich im Stich gelassen und fürchten um ihre Existenz. In Niederbayern haben sich die Kosmetikerinnen zu einer Innung zusammengeschlossen. Sie wollen gerade während der Pandemie gestärkt auftreten und gehört werden – ähnlich wie es bei den Friseuren in den vergangenen Monaten der Fall war.
Zusperren während des Lockdowns
Kosmetikerin Silvia Hartl-Katzdobler trägt Handschuhe – auf der Liege vor ihr massiert sie das Gesicht ihrer Kundin. Hartl-Katzdobler liebt ihren Beruf. Die gelernte Restaurantfachfrau hat mit 49 Jahren beschlossen, nochmal etwas Neues auszuprobieren. 2020 schließlich absolvierte sie ihre Meisterprüfung als Kosmetikerin und arbeitet jetzt in ihrem eigenen Kosmetikgeschäft in Deggendorf. Doch es war ein steiniger Weg und harter Anfang. Der Grund: die Pandemie.
"Für mich war es sehr schwierig: Ich war Mitte November mit meinem Meisterkurs fertig – dann konnte ich anfangen zu arbeiten, wir haben das Geschäft Mitte September aufgemacht, Mitte Dezember aber schon wieder zugesperrt wegen des Lockdowns. Der Anfang war wieder beendet. Und nach dem Lockdown fängt man wieder von vorne an." Kosmetikerin Silvia Hartl-Katzdobler
Die größte Herausforderung für die Kosmetikerin: Wie an Informationen gelangen? Welche Hilfe steht einem während der Pandemie und des Lockdowns zu, wann darf aufgesperrt werden, wer darf behandelt werden? Hartl-Katzdobler erzählt, dass sie und viele andere Kosmetikerinnen ihre Informationen aus sozialen Medien bezogen, was nicht klappte, weil jedes Bundesland andere Regeln aufstellte. "Da waren wir alle durcheinander", so die Kosmetikerin.
Letzte Innungs-Gründung vor mehr als 60 Jahren
Das Problem: Die Kosmetikerinnen hatten keine Innung – im Gegensatz zu den Friseuren. In einer Innung schließen sich Mitglieder desselben Handwerks zusammen, um die gemeinsamen Interessen zu vertreten und zu fördern. Innungen haben lange Traditionen – so gibt es auch die Innung von Bäckern oder Steinmetzen. Die Tradition reicht weit zurück bis ins Mittelalter und den Zünften, die bis ins 19. Jahrhundert existierten.
Die letzte Gründung einer Innung in Niederbayern im Gebiet der Kreishandwerkerschaft Donau-Wald war vor mehr als 60 Jahren, so Stefan Griesbeck, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft. Insgesamt gibt es in diesem Gebiet 16 Innungen.
Kosmetikerinnen-Innung: Sprachrohr gegenüber der Politik
Doch jetzt kommt eine neue Innung hinzu: die Kosmetikerinnen-Innung. "Es ist sehr, sehr selten, dass sich neue Innungen gründen – eigentlich stagnieren die Gründungen von Innungen. Es ist für uns ein besonderes Ereignis, ich bin stolz", so Griesbeck. Für ihn hat die Innung der Kosmetikerinnen einen entscheidenden Vorteil: "Wir versuchen so viele Betriebe wie möglich zusammenzuschließen, um vor Politik und Wirtschaft ein Sprachrohr zu haben und die Probleme nach vorne zu bringen."
Pandemie als richtiger Zeitpunkt für Zusammenschluss
Für Kosmetikerin Hartl-Katzdobler war jetzt während der Pandemie der richtige Zeitpunkt für eine Innung: Der 52-Jährigen und ihren Kolleginnen geht es darum, eine Stimme zu haben, "dass wir gehört werden."
Ähnlich wie Friseure – die haben sich schon lange vor der Pandemie zu einer Innung zusammengeschlossen. "Hätten wir während der Pandemie eine Innung der Kosmetikerinnen gehabt, hätte uns das was gebracht, das hat man bei den Friseuren gesehen. Die haben zwar auch für uns mitgekämpft, dass wir öffnen dürfen. Aber wir sind Friseuren nicht gleichzustellen." Deswegen hat Hartl-Katzdobler auch den Vorstand der neuen Innung übernommen und ist jetzt Obermeisterin.
21 Betriebe aus Niederbayern in neuer Innung
Seit Anfang des Jahres existiert die neue Kosmetiker-Innung mit bereits 21 Betrieben aus den Landkreisen Straubing-Bogen, Deggendorf, Dingolfing-Landau und Regen. Auch aus der Oberpfalz gibt es schon Interesse. Durch die Innung erhalten die Kosmetikerinnen aktuelle Informationen, Seminare und Schulungen sowie juristischen Beistand. "Wir tauschen uns aus und wissen: Wir sind nicht alleine", so Hartl-Katzdobler.
Ziel: Beruf und Ausbildung von Kosmetikerinnen stärken
Die Innung verfolgt aber nicht nur das Ziel, gestärkt gerade in der Pandemie gegenüber der Politik aufzutreten. Es geht auch darum, den Beruf und vor allem die Ausbildung zu stärken. Jeder kann ein Kosmetikstudio aufmachen, jeder darf sich Kosmetiker nennen. Aber: Es gibt eine dreijährige Ausbildung – "die wird aber nicht wahr- oder angenommen. Wenn man auch so ein Kosmetikstudio aufmachen kann, dann tun das auch viele ohne Ausbildung", so Hartl-Katzdobler.
Es gebe zu wenig Ausbildungsbetriebe, da nicht bekannt sei, dass es überhaupt eine Ausbildung gebe.
"Es gibt zu wenig Ausbildungsbetriebe, weil es nicht publik ist, dass es eine Ausbildung zur Kosmetikerin gibt. Dem möchten wir entgegenwirken. Das sind dann ausgebildete Kosmetiker, die einen Meister machen können, die ein Geschäft eröffnen können, wo sich der Kunde drauf verlassen kann: Der weiß, was er macht. Kosmetikerin zu sein bedeutet mehr, als nur ein bisschen schminken und cremen." Kosmetikerin Silvia Hartl-Katzdobler
In Hartl-Katzdoblers Kosmetikstudio in Deggendorf hängt ihr Meisterbrief, auf den sie stolz ist. Kosmetikerin zu sein bedeutet für sie ein richtiges Handwerk auszuüben. Das schätzen auch ihre Kunden.
Kosmetikerin: Echtes Handwerk
Auch Griesbeck hofft, dass durch die neue Innung der Kosmetikerinnen die qualifizierte Ausbildung und das Handwerk gestärkt werden. Er ist der Meinung: Die ausgebildeten Kosmetikerinnen sollen keine Nachteile erfahren, wenn sie in Konkurrenz zu Kosmetikerinnen stehen, die nur einen Wochenendkurs belegt haben.
Kosmetikerinnen-Innung: 2G-Regel abschaffen
Viel steht jetzt an bei der neuen Innung, wie neue Mitglieder und Betriebe anwerben. Aber eins steht fest: Man wolle die 2G-Regel angehen. "Die schmerzt uns sehr", so die 52-jährige Kosmetikerin. "Die Kunden wandern alle in die Schwarzarbeit ab, 40 Prozent, die nirgends kontrolliert werden", so Hartl-Katzdobler. Die Kosmetikerinnen wollen künftig für eine 3G-Regel kämpfen.
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