Bayern 2 - radioWissen


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Von der Ächtung zur Achtung der Arbeit

Von: Christian Sepp / Sendung: Leo Hoffmann

Stand: 11.02.2019 | Archiv

GeschichteRS, Gy

Im Zuge der Urbanisierung Mitteleuropas entstanden im 12. Jahrhundert genossenschaftliche Zusammenschlüsse von Handwerkern, die sogenannten Zünfte. Über 800 Jahre hinweg blieben sie prägend für das städtische Arbeitsleben.

Vom Aufstieg und Niedergang der Zünfte

Die Entstehung der Zünfte hängt eng zusammen mit der Urbanisierung Mitteleuropas im 12. Jahrhundert. Die aufblühenden Städte veränderten die Arbeitswelt der Menschen, denn sie brachten eine erste Arbeitsteilung mit sich: Die landwirtschaftliche Arbeit außerhalb der Städte und die gewerbliche Arbeit innerhalb der Städte trennten sich voneinander. Handwerker und Gewerbetreibende in den Städten entwickelten ein eigenes Selbstverständnis und begannen, sich in Zünften genossenschaftlich zu organisieren. Als älteste Zunft im deutschen Sprachraum gilt die der Fischer in Worms aus dem Jahr 1106. In den Quellen tauchen neben der Bezeichnung Zunft auch noch andere Ausdrücke auf, wie Gilde, Gaffel, Zeche oder Innung. Die Zünfte dominierten das städtische Arbeitsleben in Mitteleuropa über 800 Jahre hinweg, erst mit dem Aufkommen der Manufaktur und der industriellen Produktion erstarrte das Zunftwesen. Mit der Einführung der Gewerbefreiheit 1810 wurden die Zünfte in Preußen abgeschafft, in Bayern passierte dies erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Die Aufgaben der Zünfte

Die Mitglieder eines einzelnen Handwerks oder einer Gruppe verwandter Handwerkszweige bildeten eine Zunft. Die Zünfte übernahmen zahlreiche Aufgaben und Funktionen und sicherten unter anderem die wirtschaftlichen, sozialen, politischen und gesellschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder. So sorgten sie nicht nur für eine qualitative, sondern auch für eine quantitative Kontrolle der gewerblichen Produktion, indem sie die Anzahl der Meister vor Ort begrenzte, um deren Einkommen zu sichern. Gleichzeitig sorgten die Zünfte mit Hilfe von Kranken- und Sterbekassen für die soziale Absicherung ihrer Mitglieder und deren Familien. In Versammlungen beratschlagten sich die Zunftmitglieder und die Zunftmeister repräsentierten ihre Interessen gegenüber der Stadtregierung. Außerdem gewährte die Zunft Unterstützung bei vom Stadtrecht geforderten Pflichten wie der Verteidigung der Stadtmauer oder dem Brandschutz. Dafür mussten sich die Mitglieder strengen Regeln unterwerfen, der Zunftordnung, die selbst das private Leben mit einschlossen.

Von Lehrlingen, Gesellen und Meistern

Einer Zunft gehörten jeweils die Meister, Gesellen und Lehrlinge eines Handwerks an. Der Lehrling hatte innerhalb der Zunft die wenigsten Rechte. Dafür wurde die Qualität seiner Ausbildung überwacht und nach deren Abschluss der Lehrling von der Zunft feierlich freigesprochen. Zum Gesellen aufgestiegen begab er sich auf Wanderschaft, um neues Wissen zu erwerben und die Wartezeit auf eine der raren Meisterstellen zu überbrücken. Um schließlich zum Meister aufsteigen zu können, musste die berufliche Qualifikation durch die Anfertigung eines Meisterstückes nachgewiesen werden. Neben der persönlichen Eignung musste der angehende Meister über ein gewisses Kapital verfügen, um das Bürgerrecht erwerben und die Aufnahmegebühr in die Zunft bezahlen zu können.


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