Am 20. März entfallen die im Infektionsschutzgesetz verankerten Corona-Maßnahmen – darauf haben sich die Bundesregierung und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder Mitte Februar verständigt. Zugleich sollen die Länder aber die Möglichkeit erhalten, über diesen Termin hinaus Maßnahmen ergreifen zu können, wenn die Infektionslage dies in den kommenden Wochen und Monaten erfordern sollte.
Drei Wochen hatte die Ampel-Koalition seitdem Zeit, einen Entwurf für ein neues Infektionsschutzgesetz vorzulegen. Doch bis heute liegt kein Papier auf dem Tisch.
Welche Corona-Maßnahmen bestehen bleiben sollen
In dem Beschlusspapier von Bund und Ländern ist von "Basisschutzmaßnahmen" die Rede. Nach den Vorstellungen der Länder sollen insbesondere Maskenpflichten in geschlossenen Räumen in öffentlichen Gebäuden sowie in Bussen und Bahnen weiterhin möglich sein. Auch Abstandsregeln, Hygienevorgaben und Testpflichten wollen die Länder, wenn nötig, weiterhin verhängen dürfen. Darüber hinaus sollen "bereichspezifische Schutzmaßnahmen" möglich sein, "um besonders gefährdete Personen auch wirksam zu schützen".
Minister ringen um Lösung
Doch, ob das so kommt, ist ungewiss. Seit Tagen ringen die zuständigen Minister, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), um eine Lösung. Offenbar ein Ringen auf höchster Ebene, denn kaum jemand aus den zuständigen Ressorts und Arbeitsgruppen der Fraktionen weiß über den Verhandlungsstand oder gar konkrete Inhalte Bescheid.
Eigentlich sollte das Bundeskabinett am heutigen Mittwoch über einen Entwurf für die Änderung des Infektionsschutzgesetzes beraten. Lauterbach hält an diesem Termin auch noch fest. Die Zeit drängt. Nächste Wochen soll die Änderung des Infektionsschutzgesetzes durch Bundestag und Bundesrat. Tritt am 20. März nicht eine Neuregelung in Kraft, hat die Ampel-Koalition ein echtes Problem. Ohne neues Gesetz keine Corona-Regeln mehr – nicht einmal, wenn die Infektionszahlen regional in die Höhe schießen und sich die Lage in den Krankenhäusern zuspitzen würde.
Lauterbach warnt vor Sommerwelle
Hinter den Verhandlungskulissen liegen die Positionen von SPD, Grüne und FDP weit auseinander. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach warnte am Wochenende bereits vor einer Sommerwelle. Sowohl die Delta- als auch die Omikron-Variante seien so infektiös, dass es selbst bei guten Wetter durch viele Kontakte und den nachlassenden Impfschutz wieder zu steigenden Infektionszahlen kommen könnte, erklärte der SPD-Politiker.
Darauf müsse das Infektionsschutzgesetz ausgerichtet werden, forderte er. Der Minister will, dass die Länder weiterhin Maskenpflichten, Kontaktbeschränkungen sowie Zutrittsregeln etwa für die Gastronomie, also 2G- oder 2G-Plus-Regelungen, anordnen können.
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Die FDP stellt sich quer
Das will die FDP verhindern. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Liberalen, Christine Aschenberg-Dugnus, lehnt die derzeitigen Corona-Maßnahmen über den 20. März hinaus ab. Allerdings kann sie sich einzelne Schutzmaßnahmen weiterhin vorstellen, um Risikogruppen zu schützen – beispielsweise in Senioren- und Pflegeheimen und in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen. Dort würden Maßnahmen wie das Tragen von Masken und Tests weiterhin Sinn machen.
Ansonsten setzt die FDP-Politikerin auf die Eigenverantwortung der Menschen und fordert, dass ein Großteil der Corona-Regeln ausläuft. "Ich halte nichts davon, solche Dinge auf Vorrat weiterzuführen, das erscheint mir verfassungsrechtlich nicht geboten", sagte sie dem ARD-Hauptstadtstudio.
Bei vielen der bisherigen Maßnahmen wisse man bis heute nicht genau, was sie tatsächlich gebracht hätten. Jede einzelne Maßnahme müsse verfassungsrechtlich danach ausgerichtet werden, ob und welche Wirkung sie entfalte. Das könne man nicht ohne Weiteres auf Vorrat leisten, ohne zu wissen, was tatsächlich kommt. Natürlich könne eine neue Virusvariante die Situation wieder verändern, "aber der Bundestag hat es schon geschafft, innerhalb einer Woche neue Gesetze auf den Weg zu bringen", so Aschenberg-Dugnus.
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FDP: Keine "Maßnahmen auf Vorrat"
Statt Maßnahmen auf Vorrat ins Gesetz zu schreiben, brauche man ein Frühwarnsystem für den Herbst. "Gerade durch Omikron ist es nur schwer nachzuvollziehen, wer jetzt alles infiziert war und auch einen Schutz hat. Wir fragen immer, wie viele Menschen sind geimpft, aber wie hoch ist der Schutzstatus der Bevölkerung – das wissen wir nicht", sagte Aschenberg-Dugnus.
Hierfür brauche es repräsentative Stichproben und deutlich mehr Daten. Zudem sollte man erst mal auf die Ergebnisse des Sachverständigenausschusses warten, der im Mai eine Evaluierung des Infektionsschutzgesetzes und der bisherigen Maßnahmen vornehme.
Grüne fordern einen "Notfallkoffer"
Eine ganz andere Position vertreten die Grünen. Parteichefin Ricarda Lang warnte zuletzt davor, die Corona-Schutzmaßnahmen nach dem 20. März zu sehr zu lockern. "Maßnahmen zum Basisschutz, die wenig einschränken, aber viel nützen, wie etwa Maskenpflichten, werden wir auch zukünftig benötigen", sagte sie den Funke-Zeitungen.
Der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion Janosch Dahmen fordert im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio "einen Notfallkoffer an notwendigen Maßnahmen, um dort, wo kurzfristig die Fallzahlen wieder steigen und die Belastung im Gesundheitswesen zunimmt", schnell und umgehend reagieren zu können.
Ohne Rechtsgrundlage keine Corona-Maßnahmen
Das Argument der FDP, man könne Maßnahmen "nicht auf Vorrat" einrichten, kann der Grünen-Politiker nicht verstehen: "Es ist ja nicht so, dass wir erst eine Rechtsgrundlage schaffen für die Feuerwehr, ein Haus zu löschen, wenn das Haus schon brennt." Natürlich brauche es auch in Zukunft eine rechtliche Grundlage für Maßnahmen – und da gehe es mehr als nur darum, Maske zu tragen und Abstand zu halten. Sowohl die Länder als auch die Bevölkerung würden dies erwarten. Dahmen: "Es ist jetzt Aufgabe der Bundesregierung, das in einem Gesetz zu berücksichtigen." Alles andere sei keine vorausschauende und verlässliche Politik.
Wie diese verschiedenen Positionen zu einem gemeinsamen Gesetzentwurf finden sollen, ist noch schwer vorstellbar. Dem SPD-Minister Lauterbach und seinem FDP-Kollegen Buschmann ist jedoch klar: Es muss eine Einigung geben. Sonst stehen die Bundesländer ab dem 20. März ohne rechtliche Grundlage da, wenn sie Corona-Maßnahmen fortführen wollen.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach versucht sich in Zuversicht und erklärte gestern: "Die Details sind noch nicht ausverhandelt, aber ich kann Ihnen versichern: Wir arbeiten intensiv daran." Unterstützung bekommt er vom Expertenrat. In seiner neusten Stellungnahme fordern die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler "Reaktionsschnelligkeit": Es müssten Notfallstrategien ausgearbeitet und jederzeit umgesetzt werden können. Nur so könnten Gefahrenlagen und künftige Pandemien erfolgreich bekämpft werden.
Mit einem Kompromiss, der kaum Handlungsspielraum bietet, werden sich weder die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten noch der Expertenrat zufriedengeben – das weiß Lauterbach und verhandelt bis zur letzten Minute weiter.
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