Die Kriminalität auf dem Oktoberfest nimmt ab im Vergleich zum Vorjahr – doch im Netz kursieren Gerüchte über Gruppenvergewaltigungen auf der Wiesn. Einem Faktencheck können sie nicht standhalten.
„Die Vergewaltigungsorgien durch Flüchtlinge auf Oktoberfest haben begonnen“, heißt es auf der Seite "Halle-Leaks", auf der immer wieder Falschmeldungen zu finden sind. Solche Meldungen werden in sozialen Medien häufig geteilt. Der Satz impliziert, dass Flüchtlinge massenhaft Frauen vergewaltigen.
Doch die Polizei München hat keine Masse von Sexualstraftaten registriert, die dieser Beschreibung entsprechen.
Das Präsidium könne "tatsächlich in diesem und auch im letzten Jahr keine Straftaten vermelden, die in die Richtung „Vergewaltigungsorgien“ oder „Gruppenvergewaltigungen“ gehen", wie eine Sprecherin dem Bayerischen Rundfunk sagte.
Das Gerücht ist nach einem für Falschmeldungs-Seiten bekannten Muster aufgebaut. Die Urheber nutzen einen tatsächlichen Vorfall und behaupten, er sei Teil eines größeren Phänomens.
In diesem Fall nutzen die Autoren einen tatsächlichen Vorfall, über den die Münchner "tz" auch online berichtete. Den Text, der auf einer Polizei-Pressemitteilung vom vergangenen Freitag basierte, übernahm "Halle-Leaks":
"Wie die Wiesnwache berichtet, sind zivilen Polizeibeamten am Donnerstag gegen 23 Uhr drei junge Männer aufgefallen, die sich auffällig immer wieder Frauen näherten und diese bedrängten. Als sich die drei afghanischen Männer (21, 23 und 28 Jahre alt) wieder einer Wiesn-Besucherin näherten, ging der Lebenspartner der Frau dazwischen, um die Annäherungsversuche zu stoppen. Bei dem Streit kam es zu körperlichen Auseinandersetzungen. Die zivilen Polizeibeamten schritten in diesem Moment ein und gaben sich deutlich als Polizeibeamte zu erkennen. Trotzdem ließen die drei Männer nicht ab und schlugen auf den Lebenspartner ein. “
Soweit stimmt die Geschichte.
Die Fakten aus den Akten
Bei den drei Männern handelte es sich um Asylsuchende.
Was an der Falschmeldung nicht stimmt: Dass eine Frau oder mehrere Frauen bei dem Vorfall vergewaltigt wurden, weder von einem noch von mehreren Männern. „Da war keine Vergewaltigung im Spiel“, sagte eine Sprecherin der Wiesn-Wache der Münchner Polizei dem Bayerischen Rundfunk.
Die Behauptung, es gebe „Vergewaltigungsorgien durch Flüchtlinge“ auf dem Oktoberfest, sei maßlos übertrieben.
Vor wenigen Tagen erst legte die Polizei München ihre Halbzeitbilanz zur Wiesn vor. Die Zahl aller statistisch erfassten Delikte ging im Vergleich zum Vorjahr zurück, von 550 auf 475.
Zwei Vergewaltigungen
Im Bereich der Sexualdelikte sank die Zahl der Fälle sogar deutlich, um 38,2 Prozent (von 34 auf aktuell 21 Fälle, in denen Strafanzeige gestellt wurde). Sexuelle Belästigungen mit körperlichem Kontakt, was als Grapschen gilt, zählen dazu. 14 Täter nahm die Polizei fest, davon zwei Beschuldigte von Vergewaltigungen.
In einem der beiden Fälle ist ein pakistanischer Tourist tatverdächtig. Im zweiten Fall ein Münchner.
In diesem Jahr kam es laut Polizei auf dem Oktoberfest aber bislang zu keiner Vergewaltigung durch Gruppen, von der die Polizei weiß.
Auch zu Körperverletzungsdelikten kam es seltener als im vergangenen Jahr zur Halbzeitbilanz, 129 Fälle wurden angezeigt (2017: 149). Im Deliktsbereich der gefährlichen Körperverletzung verzeichnet die Polizei jedoch einen leichten Anstieg von 38 auf 41 Anzeigen.
Auffällig nennt die Polizei jedoch die steigende Zahl der Fälle von Gewalt gegen Polizeibeamte. Im vergangenen Jahr waren es noch 11 gewesen, in diesem wurden bei 14 Widerstandshandlungen 10 Beamte verletzt.
Beteiligung von Asylsuchenden
Die Polizei erfasst in ihrer Statistik auch, wenn Asylsuchende beteiligt waren.
In diesem Jahr erfasste die Polizei München bis zur Halbzeit der Wiesn signifikant weniger Delikte aus allen Kriminalitätsfeldern, an denen Asylsuchende als Tatverdächtige involviert waren, als im Vorjahr im gleichen Zeitraum. Damals waren es 52 Fälle, in diesem Jahr bislang 20 Fälle. In neun Fällen davon handelte es sich um Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, in fünf um Eigentumsdelikte - und in drei Fällen um Sexualdelikte. Hinzu kamen zwei Körperverletzungsdelikte und ein Fall von Widerstand gegen Polizeivollzugsbeamte.