Kinderarzt Andreas Daudt untersucht den dreijährigen Caner Jamal in der neuen Kinderarztpraxis in Buchloe.
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Kinderarzt Andreas Daudt arbeitet jetzt in einem Versorgungszentrum – für ihn ein idealer Arbeitsplatz.

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Nachwuchssorgen bei Kinderärzten: Helfen Versorgungszentren?

Viele Kinder- und Jugendmediziner stehen vor der Rente. Eine Nachfolge zu finden, ist schwer. In Buchloe hat nach fast zehn Jahren Pause nun wieder eine Kinderarztpraxis eröffnet – als Medizinisches Versorgungszentrum. Eine Lösung für das Problem?

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Kinderarzt Andreas Daudt steht in einem Behandlungszimmer und hört mit seinem Stethoskop den kleinen Caner Jamal ab. Nach fast zehn Jahren gibt es wieder eine Kinderarztpraxis in Buchloe im schwäbischen Landkreis Ostallgäu. Fahrtwege von bis zu 25 Kilometern zum nächsten Kinderarzt fallen für etliche Familien aus der Stadt und der Umgebung damit weg.

Eine große Erleichterung, findet Caner Jamals Mutter: "Wenn man zum Beispiel nach Kaufbeuren fahren muss, sind das 20 bis 30 Minuten", sagt Viktoria Kepceoglu. "Und wenn man nicht nur ein Kind hat, ist das schon eine Belastung." Deshalb seien viele froh, dass es in Buchloe nun wieder einen Kinderarzt gibt.

Weniger Verantwortung, geregeltere Arbeitszeiten

Die neue Praxis ist als Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) beim Klinikum in Buchloe angedockt. Andreas Daudt ist bei den Kliniken Ostallgäu-Kaufbeuren angestellt, hat damit nicht die ganz große Verantwortung wie in einer eigenen Praxis und geregeltere Arbeitszeiten. Für ihn war das ausschlaggebend dafür, dass er aus einer Klinik in die Praxis gewechselt ist.

Arztberuf und Familie besser vereinbar

"Ich war immer interessiert, in eine Praxis zu gehen", sagt der 45-jährige Mediziner. "Aber ich wollte selber nie mit den Banken zu tun haben und mich noch zusätzlich ums Personal kümmern müssen." Als angestellter Arzt in dem MVZ zu arbeiten, biete ihm die Möglichkeit, den Praxisalltag kennenzulernen. Außerdem lässt sich der Beruf für den zweifachen Vater so besser mit der Familie vereinbaren. "Die Selbständigkeit ist nicht für jeden was. Ich bin gerne der Angestellte und meine Familie hat so auch einen geregelten Urlaub. Das ist mir auch wichtig."

Generationenwechsel in den Kinderarztpraxen

Fast die Hälfte der praktizierenden Kinderärzte sind laut dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte in Bayern über 60 Jahre alt und werden ihre Praxen in den nächsten fünf Jahren abgeben. Nachfolgerinnen und Nachfolger zu finden, ist schwierig: 60- bis 80-Stunden-Wochen, viel Verantwortung und jede Menge Papierkram machen eine Praxisübernahme für viele junge Ärztinnen und Ärzte unattraktiv. Immer mehr wollen auch flexibel arbeiten können, um Familie und Job besser unter einen Hut zu bringen.

MVZs können Lücken schließen

Volkmar Reschke, ärztlicher Leiter des MVZ in Buchloe, glaubt deshalb, dass Medizinische Versorgungszentren dem Ärztemangel auch in der Kinder- und Jugendmedizin ein Stück weit entgegenwirken können. "Wir haben gerade erst in Kaufbeuren erlebt, dass - nachdem eine Kollegin in den Ruhestand gegangen ist - eine klassische Nachfolge nicht möglich war", erzählt der Kinderarzt. Vor allem im ländlichen Raum sieht Reschke in Medizinischen Versorgungszentren deshalb eine Möglichkeit, Lücken zu schließen und die ambulante Versorgung sicherzustellen.

Eine Konkurrenz zu den bestehenden Praxen erwartet Reschke durch die MVZ nicht. Im Gegenteil: "Letztendlich geht es darum, dass man überhaupt noch Kinder- und Jugendärztinnen findet, die - sei es als Selbstständige oder als Angestellte - die Versorgung sicherstellen", sagt der Mediziner.

Ein Stetoskops vor hellen Hintergrund als Symbol für Mediziner
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Eltern in Buchloe sind erleichtert, weil es einen neuen Kinderarzt vor Ort gibt.

Berufsverband: Gute Ergänzung zu den Praxen

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte in Bayern (BVKJ) steht den Medizinischen Versorgungszentren grundsätzlich positiv gegenüber. "MVZ sind nicht das Allheilmittel", sagt der BVKJ-Landesvorsitzende Dominik Ewald. "Aber sie können eine gute Ergänzung zu den bestehenden Praxen sein. Wenn das menschlich richtig geführt wird, ist das natürlich eine Alternative." Für Ärztinnen und Ärzte, die sich flexible Arbeitszeiten wünschen, könne die Arbeit in einem MVZ durchaus attraktiv sein. "Wir müssen ihnen eine Arbeitsplatzoption geben, dass sie auch in die ambulante Medizin gehen", sagt der BVKJ-Landesvorsitzende.

Kassenärztliche Vereinigung sieht Vorteile auf beiden Seiten

Auch die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) sieht im MVZ-Modell durchaus Vorteile: Verschiedene Kollegen und Kolleginnen könnten sich dort gut austauschen, so ein KVB-Sprecher im Gespräch mit dem BR. Außerdem böten die Versorgungszentren sehr gute Möglichkeiten, auch angestellt in der ambulanten Versorgung zu arbeiten. "Dies entspricht durchaus den Wünschen junger Ärztinnen und Ärzte, die nicht sofort als Selbständige in die ambulante Versorgung starten möchten", so der Sprecher. Einzelpraxen hätten aber auch weiterhin durchaus ihre Vorteile - zum Beispiel den direkten Kontakt zum Haus- oder Facharzt, der die Patienten schon seit Jahren behandle - und damit auch ihre Berechtigung.

KVB: Gesundheit nicht zum Spekulationsobjekt machen

Investorengetragene Medizinische Versorgungszentren (iMVZ) sieht die KVB dagegen sehr kritisch: "Was wir definitiv ablehnen, dass private Investoren mit Gewinnmaximierungsabsicht sogenannte iMVZ betreiben", heißt es von der Kassenärztlichen Vereinigung. "Damit wird Gesundheit zum Spekulationsobjekt für Finanzinvestoren, die Praxissitze aufkaufen, zu MVZ-Ketten zusammenschließen, um diese dann mit teilweise riesigen Gewinnen weiter zu veräußern." Das sei in Buchloe mit der kommunalen Klinik als MVZ-Betreiber aber sicher nicht der Fall.

Kinderarztpraxis in Buchloe läuft gut an

In der Ostallgäuer Stadt ist die ambulante Versorgung der Kinder und Jugendlichen mit dem neuen MVZ der Kliniken Ostallgäu-Kaufbeuren nach fast zehn Jahren Pause jetzt wieder vor Ort möglich. Zwischen 20 und 50 junge Patienten behandelt Andreas Daudt dort inzwischen pro Tag, Tendenz steigend. Und der Kinderarzt fühlt sich - drei Wochen nach Eröffnung der Praxis - dort durchaus wohl: "Es läuft an, ich habe viel zu lernen", sagt Daudt. "Wie sicherlich bei jedem Wechsel ist es anstrengend – aber auch schön."

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