Maxi Gemsjäger vom Kraxlkollektiv klettert eine Route an der "Riesigen Rosi"
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Maxi Gemsjäger vom Kraxlkollektiv klettert eine Route an der "Riesigen Rosi"

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Münchner Kraxler bauen riesige Boulderwand in Unterführung

Monatelang haben Kletterbegeisterte aus München an einer der wohl größten öffentlichen Boulderwände der Welt gearbeitet – in einer Unterführung. Jetzt ist die "Riesige Rosi" fertig. Bei der Versicherung nahm man sich ein Beispiel an Spielplätzen.

Über dieses Thema berichtet: Rucksackradio am .

"Lolliblock", "Dicker Hans", "Riesige Rosi": Was ein bisschen klingt wie ausgefallene Namen für Kindergerichte in Restaurants sind in Wirklichkeit Boulderwände. Und zwar keine gewöhnlichen in Kletterhallen, sondern frei zugängliche. Der "Dicke Hans" zum Beispiel stand früher auf der Theresienwiese und lockt mittlerweile an seinem neuen Standort Kletterfreunde unter die Candidbrücke in München.

Die "Riesige Rosi" ist das bislang ambitionierteste Projekt des "Kraxlkollektivs". Die junge Initiative aus boulderbegeisterten Münchnerinnen und Münchnern baut seit mehreren Monaten an "einer der größten öffentlichen Boulderwände der Welt", wie sie selbst sagen – und zwar in einer 70 Meter langen Unterführung im Stadtteil Ramersdorf. Genauer gesagt an der Rosenheimer Straße, deshalb auch "Riesige Rosi".

Aus Unterführung wird Bouldertunnel

Ein paar Arbeiten mussten zuletzt noch erledigt werden: Rahmen für wöchentlich wechselnde Kunstwerke wurden gebaut, Klappen für Schließfächer angeschraubt, Bewegungsmelder montiert, Schilder aufgehängt.

Bis hierher war es ein langer Weg.

Seit Mai schuften die Ehrenamtlichen im Untergrund. Am Anfang sah es dort aus, wie Unterführungen eben ausschauen in einer Großstadt: Am Boden Dreck, an den Wänden Schmierereien, wenig Licht, wenig einladend. Nun ist aus der Unterführung ein Bouldertunnel geworden. Mit viel Licht, einer frisch gestrichenen Decke, übersät mit Löchern für Griffe, am gesamten Boden sind weiche Matten verlegt.

Das Wichtigste sind natürlich die Wände. Dort sind auf beiden Seiten auf der gesamten Länge Platten angebracht. Und die sind mit ganz unterschiedlichen Motiven gestaltet. Mal Superhelden, mal Kletterszenen, mal Graffitis. An den Platten sind unzählige bunte Griffe angeschraubt, mit verschieden schweren Routen. Insgesamt 700 Quadratmeter Boulder-Fläche, sogar Überhänge gibt es. Die Rosi soll alle ansprechen. Der Plan ist, "dass der Opa hier mit seiner Enkelin bouldern kann und beide haben Spaß. Aber auch, dass Profis und Hobbysportler hier zum Trainieren vorbeikommen", sagt Maxi Gemsjäger vom Kraxlkollektiv.

Bouldern kommt übrigens aus dem Englischen von "Boulder", auf Deutsch: Felsblock. Bei dieser Sportart klettert man ohne Seil in Absprunghöhe.

Kosten über 200.000 Euro

Das Ganze war natürlich nicht billig. Über 200.000 Euro hat die "Riesige Rosi" gekostet. Und enorm viel Eigenleistung. Über mehr als vier Monate lang waren die Ehrenamtler vom Kraxlkollektiv vor Ort und haben geschuftet – mehrmals die Woche. Finanziert wurde die Rosi durch die Stadt München, Stiftungen, den Deutschen Alpenverein (DAV) und durch Spenden.

Das Ziel sei, solche sogenannten Unorte in München aufzuwerten und "Leuten die Möglichkeit zu geben, Sport zu treiben, auch wenn sie kein Geld haben, um sich einen Halleneintritt leisten zu können", sagt Gemsjäger. Zunächst musste die Stadt überzeugt werden. Argument für die Kraxler: An der Kreuzung gibt es Fußgängerampeln. Deshalb meiden viele Leute die Unterführung ohnehin.

Versichert wie ein Spielplatz

Der Bouldertunnel ist für alle Kletterer frei zugänglich. Wer kraxeln will, muss nichts unterschreiben. Ungefähr so wie bei einem Spielplatz – jeder klettert auf eigene Gefahr. Trotzdem müssen die Leute vom Kraxlkollektiv die Anlage regelmäßig checken. Stichwort Verkehrssicherung. Im schlimmsten Fall würde die Versicherung des DAV Oberland einspringen. "Wenn irgendwas fehlerhaft ist, dann muss unsere Haftpflichtversicherung greifen und dann tut sie das auch", sagt der Vorsitzende der DAV-Sektion Oberland, Matthias Ballweg.

Aber man achte im Rahmen der Verkehrssicherung darauf, dass nichts schiefgehen kann. Und wenn zum Beispiel ein Griff anfängt sich zu drehen, den man noch am Vortag kontrolliert hat, dann sei der DAV dafür auch nicht haftbar. "Wer an einer öffentlichen Boulderanlage klettert, muss im Zweifel auch mal hinlangen und schauen, ob alle Griffe auch hundertprozentig fest sitzen", sagt Ballweg. Das sei auch in einer Kletterhalle so.

Keine Angst vor Vandalismus

Größere Beschädigungen befürchtet der DAV-Vorsitzende indes nicht. Mit dem "Dicken Hans", der Boulderanlage unter der Candidbrücke in München, würden die Leute bisher ganz gut umgehen, sagt Ballweg. Größeren Vandalismus habe es dort noch nicht gegeben. Die Anlage sei ja auch recht solide, ähnlich wie ein Spielplatz.

Das offizielle Eröffnungsfest steigt am 26. September, aber schon jetzt kann jeder kommen und sich an der "Riesigen Rosi" die Zähne ausbeißen – und zwar komplett kostenlos. Dafür müssen allerdings auch Leute da sein. Am "Dicken Hans" sei es nicht so, dass dort jeden Tag 500 Leute am Bouldern sind. Da gebe es eine kleine Fangemeinde und immer mal wieder Leute, die vorbeischauen. "Wir müssen noch weiter lernen, wie man es schafft, so ein niederschwelliges Angebot so aufzuziehen, dass es wirklich viele Leute nutzen", sagt Ballweg.

Maxi Gemsjäger vom Kraxlkollektiv ist optimistisch, schließlich sei die "Riesige Rosi" ein ganz cooler Ort geworden. "Mal schauen, ob die Touristen in Zukunft nicht nur zum Eisbach gehen, sondern vielleicht auch hierherkommen", sagt der Kraxler.

Schild, auf dem ein Kletterer abgebildet ist
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Sieht man auch nicht oft: An den Eingängen der Unterführung hängen "Kletterschilder".

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