Täter-Straßennamen
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Die Pfarrer-Axenböck-Straße in Maitenbeth war bis zum 1. Oktober nach einem Missbrauchstäter benannt.

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Missbrauchstäter und Straßennamen – Diskussion um Umbenennungen

In Maitenbeth bei Mühldorf am Inn war bis 1. Oktober eine Straße nach einem katholischen Pfarrer benannt, der Missbrauchstäter war. Auch in anderen Städten und Gemeinden ehren Straßennamen noch immer Kirchenmänner, die Täter waren oder Täter deckten.

Über dieses Thema berichtet: STATIONEN am .

Maithenbeth bei Mühldorf am Inn: Helmut Bader kommt mit Hund Balu täglich an der Pfarrer-Axenböck-Straße vorbei - wissend, dass der Wohltäter Ludwig Axenböck auch ein Täter war. Von ihm wurde Helmut als Bub sexuell missbraucht. Viele Jahre schweigt Helmut Bader über den Missbrauch. Erst 2022 meldet er seinen Fall dem Erzbistum München und Freising. Weitere Opfer von Pfarrer Axenböck melden sich daraufhin anonym.

Missbrauch in mindestens acht Fällen wird dem inzwischen verstorbenen Priester zur Last gelegt - für die Pfarrei ein Schock, sagt Pfarrgemeinderatsvorsitzender Klaus Oberpichler: "Es war schwer vorstellbar. Pfarrer Axenböck war zu seiner Zeit eine Respektsperson. Er hat eine hohe Autorität gehabt." Schnell wurde die Forderung laut: Das Schild muss weg, die Pfarrer-Axenböck-Straße soll umbenannt werden.

Mitwisser: Müssen ihre Denkmäler auch weg?

Auch in München sind Straßen nach Kirchenmännern benannt, die umstritten sind - etwa Michael Faulhaber oder Julius Döpfner. Nicht weil sie Täter waren, sondern weil sie Missbrauch vertuschten. Eine Kommission im Münchner Stadtrat befasst sich mit Straßenumbenennungen. Ein Mitglied ist der Grünen-Stadtrat Florian Roth. Er fordert, die Liste belasteter Namensgeber zu erweitern - um Würdenträger, die Missbrauch vertuschten:

"Wenn wirklich nachgewiesen wurde, dass Missbrauch ermöglicht wurde durch Passivität, wenn man sich nicht an seine eigenen Regeln gehalten hat, dann ist eine Umbenennung notwendig. Wenn man sagt, okay, das war leider die Zeit, da hat sich jemand leider nicht anders verhalten als viele andere, dann wird vielleicht eine Kommentierung ausreichen." Florian Roth, Stadtrat München, Die Grünen

Eine Mitschuld am Missbrauch durch Unterlassung - das attestierte das Landgericht Traunstein in einem laufenden Zivilverfahren auch Joseph Ratzinger, dem verstorbenen Papst Benedikt. War sein Fehlverhalten so gravierend, dass Denkmäler für ihn wegmüssen?

Traunstein: QR-Code mit Hintergrundinfos

Eine Frage, die man sich auch im Landratsamt auf dem Papst-Benedikt-Platz stellt. Geplant ist nun, das Straßenschild, das an den Ehrenbürger Traunsteins erinnert, mit einer Info-Tafel und einem QR-Code zu versehen, die den fraglichen Umgang Joseph Ratzingers mit Missbrauchsfällen benennen. Darin werde auf Verdienste, aber auch auf Fehler im Umgang mit Missbrauchsfällen und auf umstrittene theologische Positionen hingewiesen, sagt Landrat Siegfried Walch: "Wir wollen demjenigen, der sich mit dem Thema befasst, die Möglichkeit geben, es selbst zu bewerten und zu einem reifen Urteil zu kommen." Eine Tilgung von Namen würde dem gerade nicht gerecht werden, meint Walch: "Weil es ja dazu führt, dass man sich gar nicht damit auseinandersetzt."

Der Impuls für diese Art der Aufarbeitung kam von der katholischen Basis: "Viele Katholiken im Landkreis sind auf uns zugekommen, die sagten, wir möchten Teil einer Kirche sein, die auch diese Beschädigung sieht", sagt Kultur- und Heimatpflegerin Birgit Löffler vom Landratsamt Traunstein. "Das war ein ganz wichtiges Argument - zum Beispiel von der katholischen Landjugend." Auch Richard Kick, Sprecher des Betroffenenbeirats im Erzbistum München und Freising, hält es für wichtig, die kirchliche Gedenkkultur kritisch zu prüfen: "Wenn Namen an Straßen prangen oder Schilder befestigt sind, die einen Täternamen tragen, dann sollten die entfernt werden", so Kick.

Bürokratischer Akt mit großer Bedeutung

In Maitenbeth ist die Entscheidung inzwischen gefallen. Nach Gesprächen mit Helmut Bader war für Bürgermeister Thomas Stark und den Gemeinderat klar, die Pfarrer-Axenböck-Straße kommt weg. Auch die Anwohner befürworten das. Ein kleiner bürokratischer Akt, mit großer Bedeutung für Helmut Bader: "Vielleicht kommen weniger Flashbacks auf mich zu. Und ich denke vor allem auch an die weiteren Betroffenen von Maitenbeth." Am 1. Oktober wurde die Straße in Kirchplatz umbenannt.

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