Die beiden Angeklagten müssen sich seit Freitag vor dem Landgericht Regensburg wegen Drogenschmuggels verantworten.
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Die beiden Angeklagten müssen sich seit Freitag vor dem Landgericht Regensburg wegen Drogenschmuggels verantworten.

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Mächtige Hintermänner: Spektakulärer Drogenprozess in Regensburg

In Regensburg hat vor dem Landgericht ein Prozess wegen Drogenschmuggels im großen Stil begonnen. Der Blick fällt auch auf eine größere Entwicklung mit mächtigen Hintermännern. Zum Prozessauftakt schwiegen die Angeklagten zunächst.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus der Oberpfalz am .

Das Versteck der Drogen zeugt von Kreativität und einigem Aufwand. Die kleinen runden Tabletten, als "Captagon" gekennzeichnet, lagen sauber in Plastik verschweißt zwischen Säcken mit Marmorsplitt. Rund 250 Kilogramm schwer war die verbotene Ware, sie versprach den libanesischen Hintermännern einen ordentlichen Gewinn. Die Drogen stammten aus dem Nahen Osten und sollten nach Saudi-Arabien transportiert werden. Gefunden aber wurden sie bei einer Razzia vor etwa einem Jahr an einem ganz anderen Ort: in einer abgelegenen Lagerhalle in Niederbayern.

Angeklagte kündigen Aussage an

Am Freitag hat vor dem Landgericht Regensburg ein Prozess gegen zwei Syrer begonnen, die in den Drogenschmuggel eingebunden gewesen sein sollen. Zum Auftakt schwiegen die 34 und 36 Jahre alten Männer. Sie wollen sich ihren Verteidigern zufolge erst im weiteren Verlauf des Prozesses zu Wort melden.

Die Verfahrensbeteiligten tauschten sich zunächst in einem Rechtsgespräch aus. Demnach soll sich der 36-Jährige während der Ermittlungen erst näher eingelassen haben, als bereits die Auswertung seines Handys begonnen hatte. Der Mann habe dann den Mitangeklagten ins Spiel gebracht und hoffe auf eine Kronzeugenregelung.

Im Fall eines umfassenden Geständnisses stellte die Staatsanwaltschaft dem 36-Jährigen eine acht- bis neunjährige Haftstrafe unter Anwendung der Kronzeugenregelung in Aussicht, dem jüngeren Angeklagten neun bis zehn Jahre Haft. Die Verteidiger wollten dies in den kommenden Tagen mit ihren Mandanten besprechen.

Pillen sollten nach Saudi-Arabien geschmuggelt werden

Aufgabe der Angeklagten soll es gewesen sein, die Tabletten in einer in Niederbayern angemieteten Lagerhalle in anderer Ware zu verstecken und zu tarnen, sie per Lastwagen nach Hamburg oder Bremerhaven zu bringen und von dort in Richtung Saudi-Arabien zu verschiffen. Im Frühjahr 2021 wurden die Betäubungsmittel jedoch von der Polizei in der Halle sichergestellt. Die Tatverdächtigen wurden festgenommen.

Kontakte in höchste Kreise

Gehandelt haben sie nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft im Auftrag einer libanesischen Organisation. Durch das Verfahren fällt der Blick auch auf eine größere Entwicklung, die Ermittler beobachten: Die Produktion von Captagon nimmt seit einigen Jahren massiv zu. Obwohl vor allem für die Golfstaaten bestimmt, läuft der Schmuggel immer öfter über Europa. Dahinter stecken Netzwerke im Libanon und in Syrien mit besten Kontakten in höchste Kreise.

Konflikt wird ausgenutzt

Experten haben keinen Zweifel, dass dabei vor allem Gefolgsleute des syrischen Machthabers Baschar al-Assad eine zentrale Rolle spielen. "Verwickelt sind Personen, die dem Regime sehr nahe stehen", sagt Dschihad Jasigi, Chefredakteur des "Syria Report". Schon seit den 2000er Jahren wird Captagon in Syrien hergestellt, zunächst in kleinerem Stil. Doch mit dem Beginn des Bürgerkriegs im Jahr 2011 bricht die Wirtschaft zusammen. Warlords und bewaffnete Gruppen gewinnen an Einfluss, die in dem Chaos des Konflikts nach Einnahmequellen suchen und sie in der Drogenproduktion finden.

Neuer Inhaltsstoff

Auch deutschen Ermittlern liegen Erkenntnisse vor, dass in Syrien heute die weltweit größte Captagon-Produktion zu finden sein dürfte. Wobei der Name irreführend ist. Captagon kam ursprünglich in den 1960er Jahren als Medikament auf den deutschen Markt, wird aber nicht mehr legal produziert. Was heute unter dem Namen Captagon geschmuggelt wird, enthält normalerweise nicht den Originalwirkstoff Fenetyllin, sondern Amphetamin, so auch die Pillen in Regensburg.

Milliardengeschäft über Europa

Die Herstellung ist vergleichsweise einfach. Die Produktionskosten für eine Tablette liegen im 10-Cent-Bereich. Verkauft werden kann sie - je nach Qualität und Absatzmarkt - für bis zu 25 US-Dollar. Es geht also um ein Milliardengeschäft, das für Assads Gefolgsleute nicht zuletzt deswegen interessant ist, weil das Land internationalen Sanktionen unterliegt und die isolierte Wirtschaft brach liegt. Die Zollbehörden am Golf werfen mittlerweile ein genaueres Auge auf Exporte aus dem Libanon und Syrien. Der Schmuggel verläuft deswegen immer häufiger über Europa, um die Transportrouten zu verschleiern. Vor allem in den vergangenen zwei bis drei Jahren sei dies verstärkt zu beobachten gewesen, heißt es aus deutschen Sicherheitskreisen.

Drogen in Möbeln versteckt

Die Spuren führen nicht nur im Regensburger Fall immer wieder auch nach Deutschland. Ermittler aus Recklinghausen in Nordrhein-Westfallen ließen im vergangenen Jahr mehrere Personen verhaften. Sie sollen aus Deutschland den Schmuggel von Amphetamintabletten über den rumänischen Hafen von Constanta organisiert haben.

Verborgen waren die Drogen in Möbeln. Überhaupt seien die Schmuggler beim Transport der verbotenen Ware sehr findig, sagt ein deutscher Ermittler. "Man gibt sich auf Seiten der Täter sehr viel Mühe dabei, die Pillen zu verstecken. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt." Im Libanon stießen Fahnder im Dezember auf Captagon-Tabletten, die in ausgehöhlte Orangen gequetscht waren. Für den Transport der in Regensburg gefundenen Tabletten soll ein Angeklagter über Wochen nach Tarnware gesucht haben. Inklusive Testlieferung ohne Drogen.

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