Mutmaßlicher Steinewerfer vor dem Augsburger Landgericht
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Mutmaßlicher Steinewerfer vor dem Augsburger Landgericht

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Lkw-Fahrer wirft Steine auf Autos: "Es war eine Erleichterung"

Über Monate schlagen rund um Augsburg Steine in die Windschutzscheiben fahrender Autos. Doch die Polizei findet lange keine Spur. Dann tauchen Video-Aufnahmen auf, ein Mann wird verhaftet. Nun steht er in Augsburg vor Gericht.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Auf Baustellen findet Florian N., was er zur Beruhigung braucht: Steine, die er in das Führerhaus seines Lkw mitnehmen kann. Er lässt die Steine durch seine Hände gleiten, spielt mit ihnen. Und er wirft sie aus dem Fenster seines Führerhauses auf die Gegenfahrbahn. Die Steine landen dort, wo ihm Autos entgegenkommen. So berichtet er es vor dem Augsburger Landgericht.

Es beginnt mit Apfelresten

Angefangen habe es mit Apfelbutzen oder Bananen, schildert der Mann. Dann habe er kleine Kieselsteine aus dem Fenster geworfen. Schließlich waren es der Staatsanwaltschaft zufolge "faustgroße" Steine. Florian N. spricht von der Größe einer Walnuss. Pro Fahrt seien es "maximal" drei Steine gewesen, die er mitgenommen habe.

Über Monate hinweg soll der Lkw-Fahrer auf der B2 und der B17 Steine auf entgegenkommende Fahrzeuge geworfen haben. Vor Gericht räumt der Mann die zwölf angeklagten Vorfälle ein.

Florian N. habe in Deutschland keinen Anschluss gefunden, auch aufgrund fehlender Deutschkenntnisse, so der Verteidiger. Stattdessen habe der Angeklagte jeden Tag "neun, zehn, manchmal auch zwölf Stunden" in seinem Lkw gesessen. Aus Langeweile heraus habe der 49-Jährige dann begonnen, die Steine aus dem Fenster zu werfen.

Steinewerfen beruhigt den Angeklagten

Das Motiv sei schwer zu erklären, so der Anwalt. Er nannte die "Langeweile des Berufs, Einsamkeit sowie eine innere Unruhe und Unzufriedenheit", auch mit dem privaten Umfeld. Hätte der Angeklagte von den Folgen seiner Würfe gewusst, hätte er damit aufgehört, sagt der Anwalt.

Als der Richter sich direkt an den Angeklagten wendet und nach seinem Motiv und den möglichen Folgen seines Tuns fragt, ringt Florin N. nach Worten. Immer wieder senkt er den Kopf, er hat Tränen in den Augen. Schließlich erklärt er, das Werfen habe ihn beruhigt: "Es war eine Erleichterung." Es solle aber keine Rechtfertigung für seine Taten sein, die er sich nicht erklären könne: "Ich weiß nicht, was in meinem Kopf los war." Die Auswahl der Fahrzeuge, auf die er Steine warf, sei "absolut wahllos" gewesen. Drogen oder Alkohol habe er nicht konsumiert.

Staatsanwaltschaft: Angeklagter hat tödliche Verletzungen in Kauf genommen

Von 51 ermittelten Fällen legt die Staatsanwaltschaft dem Mann zwölf Delikte zur Last, davon wird der Mann in zehn Fällen des versuchten Mordes angeklagt.

Die Anklage besagt, dass die Steinwürfe auf die Windschutzscheiben der entgegenkommenden Fahrzeuge auch in Bereichen, in denen 120 Stundenkilometer möglich sind, stattgefunden haben. Infolgedessen wird dem Angeklagten zur Last gelegt, dass er zumindest billigend in Kauf genommen hat, dass durch Unfälle andere Verkehrsteilnehmer verletzt oder sogar getötet werden könnten.

Mehrere Opfer hätten Schnittverletzungen und psychische Beeinträchtigungen erlitten, so die Staatsanwaltschaft.

Opfer: "Das ist Wahnsinn"

Christian R. ist eines der Opfer. Er ist auf dem Weg in die Arbeit, als ein Stein seine Windschutzscheibe trifft. "Die Splitter lagen im Innenraum, ich war voller Splitter und hatte auch kleinere Verletzungen." Es sei "Wahnsinn", dass der Angeklagte Steine warf, um sich zu beruhigen: "Das ist unfassbar. Mein Auto hat ein Stoffdach, das hätte mich auf den Kopf treffen können."

Die Polizei hatte monatelang nach dem Täter gefahndet, auch mit Unterstützung des Landeskriminalamts. Private Videoaufzeichnungen von Dashcams hatten die Ermittler schließlich auf die Spur des Angeklagten gebracht. Zehntausende Euro beträgt der durch die Würfe entstandene Schaden. Nach seinem Geständnis droht dem Angeklagten eine mehrjährige Haftstrafe.

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