Blühendes Feld mit Körnerfenchel
Bildrechte: F. Bauer/ BR

Für Körnerfenchel muss der Landwirt höhere Sozialversicherungsbeiträge zahlen als für Raps oder Getreide.

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Höhere Sozialversicherungsbeiträge für Körnerfenchel-Bauern?

Wer Sonderkulturen wie Körnerfenchel anbaut, zahlt höhere Beiträge für die landwirtschaftliche Sozialversicherung – egal, wie gut die Ernte wirklich ausfällt. Landwirt Friedrich Bauer findet das ungerecht, sein Widerspruch bleibt aber ohne Erfolg.

Über dieses Thema berichtet: Unser Land am .

Friedrich Bauer steht frustriert am Mähdrescher: An diesem Tag steht die Fenchelernte an, viel wird es in diesem Jahr nicht sein, der Sommer war zu nass. Viele Samenstände sind leer, die Fenchelsamen viel kleiner als im Vorjahr. Zusätzlich hat ein Pilz die Pflanzen geschwächt. Der Landwirt rechnet heuer mit 100 Kilo pro Hektar – in guten Jahren erntet er acht Mal so viel. Aber seine Krankenkassenbeiträge bleiben gleich hoch. "Ich finde das ungerecht. Die nehmen pauschale Erträge her, aber wir arbeiten in der Natur, nicht im Gewächshaus.“

Gewinnpotenzial ist Basis für Beitrag

Die Beitragsbemessung in der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) ist kompliziert: Sie richtet sich nicht nach dem tatsächlichen Einkommen eines Landwirts, sondern nach der Fläche, die er bewirtschaftet: Fläche in Hektar – mal Hektarwert der Gemeinde – mal Durchschnittseinkommen von 11.000 Betrieben in ganz Deutschland. So soll das "Ertragspotenzial“ abgebildet werden – und der Landwirt kommt damit in eine von 20 Beitragsklassen. So weit, so gut. Es sei denn, man baut eine "Sonderkultur" an – wie den Körnerfenchel.

Körnerfenchel gilt als Sonderkultur

Langsam fährt der Mähdrescher über das Feld. Vor drei Jahren hat Friedrich Bauer den Körnerfenchel gesät. Er ist mehrjährig, einmal gesät, kann er 3-5 Mal gedroschen werden. "Eindeutig eine Mähdruschfrucht", sagt Friedrich Bauer. Das Problem: Die SVLFG hat den Körnerfenchel den "Sonderkulturen“ zugeordnet. Denn: Für die Krankenkasse zählt nicht die Anbauform, sondern das Gewinnpotenzial.

Theoretisch kann Friedrich Bauer mit Körnerfenchel mehr Geld verdienen als mit Getreide oder Raps, deshalb soll er mehr Beitrag zahlen, so Thomas Kürzdörfer von der SVLFG: "Es geht nach dem möglichen Einkommen eines Landwirts, nicht nach dem tatsächlichen Einkommen, weil das nicht jährlich neu festgestellt werden kann." Das wäre zu aufwendig, zu teuer und würde zu höheren Beiträgen führen.

Weniger Landwirte – weniger Beitragszahler

Das Problem ist ein Strukturelles: Die SVLFG versucht, die Beiträge stabil zu halten – bei immer weniger einzahlenden Landwirten. Bereits heute übernimmt der Bund die Krankenleistungen für die Altenteiler, weil die SVLFG sie nicht mehr stemmen kann. Die Landwirte haben keine Wahl: Die landwirtschaftliche Sozialkasse ist eine Pflichtversicherung für alle Landwirte. Sie deckt neben Krankheit und Rente auch die Unfallversicherung ab. Auch hier, bei der sog. Berufsgenossenschaft fühlt sich Friedrich Bauer benachteiligt.

Höheres Unfallrisiko, höhere Beiträge

Die Berufsgenossenschaft funktioniert nach dem Umlageprinzip: Auf Basis der Ausgaben vom Vorjahr werden die Beiträge rückwirkend auf alle Mitglieder umgelegt. Je mehr Unfälle, umso höher der Beitrag im Folgejahr. Um das Ganze gerecht zu staffeln, gibt es neben dem Grundbeitrag einen Risikoaufschlag – je nachdem, wie unfallträchtig eine Anbauform ist. Körnerfenchel ist eine extensive Kultur: Zwei Mal hacken oder striegeln, einmal düngen – das war‘s bis zur Ernte. Trotzdem zahlt Friedrich Bauer doppelt so viel Berufsgenossenschafts-Beitrag pro Hektar: 44, 27 Euro je Hektar statt 21,45 Euro je Hektar wie für Raps oder Getreide. "Bei Raps muss man 6-8 Mal mit der Pflanzenschutzspritze über den Acker fahren. Ich mache 80 Prozent weniger Bodenbearbeitung, die Unfallgefahren sind geringer, ich verstehe nicht, warum der Fenchel so hoch eingestuft wird!“

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Handarbeit gefährlicher als maschinelle

Auch hier gilt: Der Körnerfenchel wurde nicht dem Mähdrusch, sondern innerhalb der Sonderkulturen dem "Industriegemüse mit vollmechanischer Ernte“ zugeordnet: "Hier ist in der Regel mehr händische Arbeit mit höherem Risiko erforderlich“, sagt Thomas Kürzdörfer von der SVLFG - deshalb die höheren Beiträge. Hinzu kommt: Sind in den letzten Jahren Landwirte beim Industriegemüse schwer verunglückt, gar querschnittsgelähmt, dann steigen die Beiträge für alle in der Gruppe – egal, wie extensiv Friedrich Bauer arbeitet.

Widersprüche erfolglos

Friedrich Bauer hat seinen Beitragsbescheiden stets widersprochen – bisher ohne Erfolg. Solange der Körnerfenchel den Sonderkulturen zugeordnet ist, wird sich an den Sozialbeiträgen nichts ändern. Und der Fenchel ist nur ein Beispiel. Auch im Gartenbau und bei Baumschulen gibt es immer wieder Widerspruchsverfahren. Friedrich Bauer bleibt vorerst nur der Klageweg. Aber: Im nächsten Jahr will die SVLFG die Beitragsbemessung bei den Sonderkulturen überprüfen - Friedrich Bauer hofft, dass der Körnerfenchel dann wieder zu den Mähdruschfrüchten kommt, wo er jahrelang zugeordnet war.

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