Plenarsaal im Landtag am 11.05., Aktuelle Stunde
Bildrechte: BR

Der bayerische Landtag debattierte am Donnerstag in einer Aktuellen Stunde über die Flüchtlingspolitik.

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Landtag debattiert über Flüchtlinge – SPD boykottiert

Nach dem gestrigen Gipfel in Berlin debattiert auch der Landtag über Flüchtlingspolitik. Ein "politisches Trümmerfeld" sei Deutschland seit 2015, schimpft die AfD. Die Grünen sehen Zuwanderung als Chance. Die SPD fehlt – aus Protest.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Die Plenarsitzung im Landtag beginnt mit einem Boykott: SPD-Fraktionschef Florian von Brunn flüstert erst Landtagspräsidentin Ilse Aigner ein paar Worte ins Ohr, dann verlassen er und eine weitere SPD-Abgeordnete den Saal. Alle anderen SPDler fehlen ohnehin schon im Plenum. Denn das Thema der Sitzung setzte diesmal turnusgemäß die Fraktion der AfD und wählte den Titel: "Kurskorrektur bei Asylpolitik. Hart Steuerbord statt linke Schlagseite".

Es sei offensichtlich, dass "die rechtsradikale AfD Wahlkampf gegen geflüchtete Menschen machen will", erklärt Fraktionschef von Brunn später dem BR, und daran wolle sich die SPD nicht beteiligen. Dass die SPD aus Protest nicht auftaucht, kommentiert Richard Graupner, innenpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion, in seiner Rede mit den Worten: "Man sieht es ja an der SPD Fraktion, die interessiert die Sorgen und Nöte der Kommunen überhaupt nicht."

AfD: "Deutschland ein politisches Trümmerfeld"

Für die AfD ist die Sache klar: Das Thema, das sie heute auf die Agenda gesetzt hat, sei die Ursache, warum Deutschland einem "politischen Trümmerfeld" gleiche. "Die meisten der Probleme sind auf die unkontrollierte Masseneinwanderung zurückzuführen", die seit dem "verhängnisvollen Jahr 2015" stattfinde, so Graupner. Das Gerede von der Fachkräfteeinwanderung sei eine Lüge. "In meiner Heimatstadt Schweinfurt sind rund 43 Prozent aller Arbeitslosen Ausländer. Deutsche mit Migrationshintergrund sind dabei noch gar nicht mitgezählt. Zeit, sich dieser Realität zu stellen." Denn auch ein großer Teil der Gewaltkriminalität gehe von Zuwanderern aus, für die Bürger bedeute das "eine handfeste Gefahr für Leib und Leben und manchmal sogar den Tod". Das sehe man am Beispiel "des Würzburger Messermörders", sagt Graupner.

Zu viele Flüchtlinge, findet auch die CSU

"Menschenverachtend", sei es, so Tobias Reiß, CSU, wie von der AfD "hart an die rechte Grenze hinaus intoniert wird". "Mit Ihrer menschenverachtenden, instrumentalisierenden Herangehensweise würden Sie jedes Boot auf Grund setzen, Mastbrüche ohne Ende erreichen, aber keine Lösungen." Aber auch Reiß macht in seiner Rede klar: "Natürlich sind die Zuzugszahlen zu hoch! Natürlich stoßen Kommunen an Grenzen." Er sei selbst vor wenigen Wochen in einer Notunterkunft im Landkreis Tirschenreuth gewesen, die Flüchtlinge seien dort in einem ehemaligen Kloster untergebracht. "Auch wir sind jetzt davor, Containerwohnungen zu schaffen, weil wir keine Schulturnhallen wie 2015 belegen wollen." Außerdem werde es zunehmend schwierig, ehrenamtliche Helfer zu finden. Die eine Milliarde Euro, die die Bundesregierung gestern zugesagt habe, sei "völlig unzureichend" und werde der Belastungssituation nicht gerecht. "Wir brauchen nicht nur pauschale Zahlungen, sondern das von den Ländern geforderte atmende System" – bei mehr ankommenden Flüchtlingen auch mehr Geld, fordert Reiß.

Die Grünen sehen Zuwanderung als Chance

"Hart Steuerbord – das heißt ja nichts anderes als das Kommando für einen radikalen Rechtsruck. Das ist das, was sie sich aus Feigheit nicht getraut haben, oben hinzuschreiben", empört sich Johannes Becher, Grünen-Fraktion, über den Titel der Aktuellen Stunde. Flucht und Migration gehörten zur modernen Welt, das sei der Normalzustand im 21. Jahrhundert, findet Becher. Deshalb müssten die Vorteile der Zuwanderung bestmöglich genutzt werden. "Wir betrachten die Zuwanderung als Chance, als Zeichen der Attraktivität Bayerns. Aber ich sage auch ganz deutlich: Wir erwarten von den Menschen, die hier leben wollen auch, dass sie unsere Werte anerkennen und respektieren." Dazu gehöre, dass Frauen und Männer die gleichen Rechte hätten und jeder lieben könne, wen er wolle. Bei der zusätzlich versprochenen Milliarde vom Bund müsse man nicht so tun, als sei das gar nichts. Er gibt aber zu: Auch er persönlich hält das Geld nicht für ausreichend.

Zeitenwende in Migrationspolitik nötig, so die FDP

Geld allein löse die Probleme ohnehin nicht, sagt FDP-Fraktionschef Martin Hagen. Er sieht in den Ergebnissen des Migrationsgipfels vom Mittwoch aber einen ersten wichtigen Schritt. "Es geht darum, dass wir eine Zeitenwende in der Migrationspolitik schaffen", so Hagen. Das Entscheidende sei, den Zustrom an der EU-Außengrenze zu stoppen: "Wir wissen ja aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre, dass wenn die Leute erst einmal in Europa sind, es sehr schwer ist, sie wieder in ihre Herkunftsstaaten zurückzuführen." Und betont, dass die Migrationsdebatte zu wichtig ist, als dass sie "den Kameraden von rechts außen" überlassen werden kann.

Freie Wähler: Flüchtlingsdebatte müsse man sich stellen

Alexander Hold, Freie Wähler-Fraktion, sieht das ähnlich und beginnt seine Rede deshalb mit einem Fingerzeig in Richtung der boykottierenden SPD: "Der Flüchtlingsdebatte muss man sich schon stellen. Wer sich der Debatte verweigert, hat genauso wenig Lösungen zu bieten, wie diejenigen, die Richtung 'Hart Steuerbord' steuern. Das heißt nichts anders, als radikal nach rechts." Und antwortet auf das Argument der AfD, dass es so viele arbeitslose Ausländer gibt: "Bayern hat die geringste Arbeitslosigkeit bei Asylberechtigten, bei Ausländern und auch bei ausländischen Frauen." Seine Kritik richtet Hold aber auch in Richtung Ampel-Regierung in Berlin und schimpft über die geplante Staatsbürgerschaftsreform, die Einbürgerungen zukünftig leichter machen soll: "Einbürgerung ist nicht die Karotte, die man jemandem vor die Nase hält – in der Hoffnung, dass derjenige hinterherläuft. Einbürgerung ist das Sahnehäufchen auf eine gelungene Integration."

Landtag debattiert über Flüchtlinge – SPD boykottiert
Bildrechte: Bayerischer Rundfunk 2023
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Landtag debattiert über Flüchtlinge – SPD boykottiert

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!