Subventionen für die Landwirtschaft (Symbolbild)
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Subventionen für die Landwirtschaft (Symbolbild)

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Kritik an Bürokratie: "Landwirte sind keine Schreibwirte"

Diese Woche mussten alle Landwirte, die Agrarförderung wollen, den sogenannten Mehrfachantrag abgeben. Ein bürokratisches Monster, kritisieren die Bauern. Bayerns Landwirtschaftsministerin Kaniber (CSU) zeigt Verständnis und verspricht Entlastungen.

Über dieses Thema berichtet: Unser Land am .

58.000 Euro Agrarsubventionen könnte Landwirt Martin Gleichmann heuer bekommen, aber er will sie nicht. Rund 100.000 bayerische Landwirte haben bis 15. Mai ihren sogenannten Mehrfachantrag gestellt, er nicht: "Die Entscheidung, dass ich keinen Antrag mehr stelle, dass ich bewusst auf das Geld verzichte, ist mir leicht gefallen. Es war für mich eine psychische Belastung mit dieser Bürokratie, wo für mich nichts mehr gegangen ist."

Biobauern bekommen am meisten Agrarsubventionen

Der Biobauer bewirtschaftet im unterfränkischen Landkreis Kitzingen 130 Hektar Felder und Wiesen, im Stall stehen 90 Milchkühe. Er könnte Gelder von der EU, vom Bund und vom Freistaat Bayern beantragen. Diese Förderungen machen im Schnitt rund die Hälfte des Einkommens deutscher Bauern aus. Biobauern beschert der Mehrfachantrag laut Statistik sogar rund 70 Prozent ihres Einkommens. Denn sie bekommen pro Hektar zusätzlich zu den rund 150 Euro Basis-Flächenprämie auch noch rund 300 Euro Öko-Prämie. Warum verzichtet Martin Gleichmann darauf? "Der Druck ist weg. Und ich bin wieder frei in meinen Entscheidungen, kann wieder Bauer sein und das tun, was ich gelernt habe, was ich auch kann."

Im Video: Stiller Protest gegen Bürokratie: Dieser Bio-Landwirt verzichtet auf Subventionen | Unser Land

"Ministerin soll zuhören"

Für Martin Gleichmann ist es ein "stiller Protest": gegen zu viele Auflagen, Kontrollen, unsinnige Fristen, Bürokratie und eine aus seiner Sicht völlig falsche Agrarpolitik aus Brüssel, Berlin und München. Seine Forderung an Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber: "Die Ministerin soll mal eine Woche Urlaub machen, im ganzen Land herumfahren, privat, ohne Begleitung. Keinen Vortrag halten, nur zuhören und aufschreiben, was die Bauern drückt. Und dann umsetzen."

Michaela Kaniber (CSU) sagt, sie habe Verständnis für den Frust vieler Bauern. Auf jeder Veranstaltung, die sie besuche, käme Kritik wegen zu viel Bürokratie. Aber: "Herr Gleichmann kann mich gerne das ganze Jahr begleiten und schauen, wie viele Betriebe in Bayern ich besuche und wie wir miteinander Klartext reden."

Kaniber verspricht Bürokratieabbau

Kaniber hat nach den Bauernprotesten im Winter einen sogenannten Praktikerrat ins Leben gerufen, in dem Vorschläge zur Entbürokratisierung erarbeitet werden sollen. "Es muss Vereinfachungen geben. Der Landwirt macht ja seinen Job gerne und will im Feld und im Stall arbeiten. Er ist ein Landwirt und kein Schreibwirt."

Außerdem hat das Landwirtschaftsministerium eine Umfrage zum Thema "Gemeinsam für schlankere Bürokratie" gemacht. Rund 100.000 Betriebe in Bayern wurden per E-Mail angeschrieben, rund 14.000 verwertbare Antworten kamen zurück. Was die Bauern am meisten nervt: Die Dokumentationspflichten zur Düngeverordnung, zu viel sinnlose Zeit am Schreibtisch und die Angst, etwas falsch zu machen und dafür bestraft zu werden. Darüber wird nun im Ministerium diskutiert, noch vor der Sommerpause sollen Verbesserungsvorschläge bekannt gegeben werden. Fakt ist aber: an die Düngeverordnung und bestehende Gesetze bezüglich Tierschutz und Pflanzenschutz müssen sich alle Landwirte halten, egal ob sie Förderungen beantragen oder nicht.

Landwirt kritisiert "sinnlose Terminvorgaben"

Landwirt Gleichmann hat diese Diskussionen für sich abgehakt. Ihn haben vor allem die Termine und Fristen gestört, die mit den Fördergeldern verbunden sind. Seine 90 Kühe bekommen frisches Gras und hochwertiges Heu von den hofeigenen Wiesen. Das funktioniere aber nur, wenn er bei optimalen Wetterlagen mähe und nicht nach staatlichen Terminvorgaben. Landwirte können zum Beispiel über 300 Euro pro Hektar aus dem bayerischen Kulturlandschaftsprogramm beantragen, wenn sie ihre Wiesen erst nach dem 15. Juni mähen - für Martin Gleichmann macht das keinen Sinn.

Wie hoch ist der Aufwand?

💬 Mehrere BR24-User haben in den Kommentaren über die Höhe des Aufwands für den Mehrfachantrag diskutiert. Das Team von "Dein Argument" hat ergänzt:

Wie viel Zeit die Antragsstellung kostet, hängt unter anderem von der Betriebsgröße ab, wie viele Förderprogramme beantragt und wie viele Kulturen angebaut werden: "Wenn die Flächen eines Landwirts konstant und auch der Betrieb ähnlich bleiben, ist der Aufwand weniger als bei einem Betrieb mit viel Dynamik", erklärt Andreas Geigenberger vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ebersberg-Erding. Die Ämter bieten Beratungstermine an, die viele nutzen würden.

Die Angaben und Nachweise werden digital über ein Portal eingereicht. In dem Online-Tool werden unter anderem die Betriebsflächen gespiegelt, sodass der Landwirt einzeichnen kann, welche Nutzung der Fläche besteht. Laut Matthias Borst, stellvertretender Generalsekretär des Bayerischen Bauernverbands, war 2023 vieles noch neu, Landwirte mussten sich orientieren. Im Vergleich sei es in Bayern dieses Jahr besser gelaufen. Er verweist darauf, dass Landwirte wissen müssten, welche Kriterien der Förderprogramme überhaupt auf sie zutreffen, um entscheiden zu können, ob sie entsprechend ihrer individuellen Betriebsverhältnisse Gelder beantragen können oder nicht. "Wenn es Änderungen am Rahmen der Förderprogramme gibt, die die Landwirte beachten müssen, dann muss in der Politik zügig entschieden werden", so die Forderung. Sonst können sich Landwirte nicht rechtzeitig darauf einstellen, was viel Verunsicherung auslöse und den Aufwand erhöhe. 💬

Umfrage: 15 Prozent wollen in Zukunft keinen Antrag mehr stellen

Doch kann ein Bauer wie Martin Gleichmann so einfach auf 58.000 Euro verzichten? Martin Gleichmann kann sich das nur leisten, weil er sich eine Marktnische aufgebaut hat. Als einziger Biobauer in Deutschland erzeugt und verkauft er ganz besonderes Saatgut: aus alten Maissorten, die jeder Landwirt selbst nachbauen kann. Das Geschäft läuft gut. Doch solche Beispiele gibt es nicht viele. Offizielle Zahlen, wie viele Bauern keinen Mehrfachantrag stellen, gibt es nicht.

Allerdings hat das Fachmagazin agrarheute eine aktuelle Umfrage veröffentlicht (externer Link): Demnach wollen nächstes Jahr 15 Prozent der befragten Landwirte keinen Antrag mehr stellen und somit auf Geld vom Staat verzichten. Die Begründung: "Mir reicht es."

Im Video: Bürokratie-Wahnsinn: Schafft sich Deutschland selbst ab? | Possoch klärt

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