Kirchenmaler Christian Schieferdecker braucht viele Stunden für das Vergolden von nur einem Engelsflügel.
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Kirchenmaler Christian Schieferdecker braucht viele Stunden für das Vergolden von nur einem Engelsflügel. Er darf aber nicht zu schön werden.

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Kirchenmaler: "Der Engel darf nicht zu schön werden"

Viele Stunden sitzt Kirchenmaler Christian Schieferdecker am Vergolden eines Flügels. Doch zu perfekt darf die Kunst nicht werden. Sonst passt es nicht zum Rest des alten Prozessions-Stabes. Wie geht es dem 26-jährigen Meister damit?

Über dieses Thema berichtet: Abendschau am .

Bevor er den Engelsflügel mit hauchdünnem Gold überzieht, hat Christian Schieferdecker schon 14 andere Schichten auf das geschnitzte Holzstück aufgetragen. Der Engel im Barockstil ist wohl hundert Jahre alt, sitzt oben auf einem längeren Stab, den die Bäckerinnung in Heideck bei der Fronleichnamsprozession früher vor sich hergetragen hat. Zwei solcher Prozessionsstangen sind jahrelang lieblos in der Ecke gestanden, in einem Nebenraum der Kirche. Jetzt fand sich ein Spender, der bereit war, für die Restaurierung der ramponierten Stücke zu bezahlen.

Kirchenmaler restauriert – nicht zu perfekt

Christian Schieferdecker sitzt viele Stunden allein über dem einen Engelsflügel. Insgesamt wird er mehrere Wochen damit beschäftigt sein, den beiden Figuren wieder ein ansehnliches Gesicht zu verschaffen, die Kleidung wieder grün zu färben und die abgestoßenen Vergoldungen zu reparieren. Mehrere Tausend Euro kostet es, den beiden Symbolen der Bäcker wieder zu neuem Glanz zu verhelfen. Doch zu schön darf es nicht werden. "Wir sind ja bei der Restaurierung, und da sollte es nicht wie neu aussehen", sagt der 26-jährige Kirchenmalermeister Christian Schieferdecker.

Meisterstück: römischer Märtyrer mit aufgeschlagenen Knien

Das allerdings fällt Schieferdecker ziemlich schwer. Er gehört eher zu den Perfektionisten. Für sein Meisterstück hat er Bestnoten bekommen, eine Auszeichnung als Jahresbestmeister im Maler- und Lackiererhandwerk mit Schwerpunkt Kirchenmalerei und Denkmalpflege. Stolz holt Christian Schieferdecker den Heiligen Viktor von Xanten aus der Vitrine im Büro, eine geschnitzte Holzfigur, etwa einen Meter hoch. "Ich wollte nicht den x-ten Ritter, sondern einen Römer", sagt er. Und beim Erzählen wird klar, Christian Schieferdecker ist ein Mensch mit Spezialinteressen. Lange hat er recherchiert, um in einem neugotischen Dom in Niedersachsen genau diese Römerfigur zu finden, die das Vorbild wurde für sein persönliches Meisterstück.

Ein Römer als christlicher Märtyrer

"Viktor von Xanten war ein Märtyrer", sagt er, ein römischer Legionär, ein Christ. Weil seine Einheit dem Christentum nicht abschwören wollte, sei jeder fünfte Mann umgebracht worden, erzählt Christian Schieferdecker. Seinen Viktor hat er bei einem Schnitzer in Auftrag gegeben. Die Figur hat er dann bemalen und Teile des Umhangs und des Legionärs-Helms vergolden müssen. Einfach ausgedrückt. Drei Wochen lang schufteten die Prüflinge unter Aufsicht an ihren Meisterstücken. Dabei hatte Christian Schieferdecker besonders viel Haut zu bepinseln, die den Kirchenmalern viel abverlangt hat. "Es soll ja lebendig aussehen, deshalb blutige Knie und auch die Knöchel der Hände müssen röter sein als der Rest". Christian Schieferdeckers Märtyrer hat einen liebevollen Gesichtsausdruck und große, rehbraune Augen.

Feinarbeit mit reinem Gold

Besonders viel Geduld braucht es beim Vergolden. Blattstückchen für Blattstückchen wird das hauchdünne Material "angeschossen", so nennt der Kirchenmaler den Vorgang. Den schmalen Pinsel mit besonders feinem Haar streicht er erst über die eigene Stirn, am Hautfett bleibt das Goldblättchen dann kleben. Den Engelsflügel hat er zuvor mit einer Mischung aus Wasser und Alkohol bestrichen. Wenn das Blattgold auf wenige Millimeter mit dem Pinsel angeflogen kommt, wird es von der Flüssigkeit angezogen.

Schieferdecker stellt Materialien selbst her

Das Handwerk des Kirchenmalers ist vielseitig. Christian Schieferdecker hat auch Illusionsmalerei gelernt. Er kann so malen, dass eine einfache Wand wie eine Marmorplatte aussieht. Oder er malt eine Stuckdecke auf das Gewölbe einer Dorfkirche. "Die Kirchengemeinden, die sich keine Stuckverzierungen leisten konnten, haben sie einfach aufmalen lassen", sagt Schieferdecker. Kirchenmaler beherrschen aber auch echte Stuckdecken. "Neulich haben wir ein Stuckgesims in einem Jugendstilgebäude gezogen", so Schieferdecker. Die Materialien stellt er übrigens alle selbst her, so wie es seit Jahrhunderten in der Branche gemacht wird. Aus Tierhäuten, Mineralien, Lehm und Farbpigmenten.

Zu schön darf es nicht werden

Als Kind und Jugendlicher war er oft mit seinem Vater auf Baustellen unterwegs. Der Vater ist ebenfalls Kirchenmaler. "Mich hat an dem Beruf gereizt, dass man mit besonderen Gegenständen arbeitet. Dieser Barockengel hier hat ein paar hundert Jahre auf dem Buckel, das finde ich besonders, dass man für die Nachwelt die Sachen erhält", sagt Schieferdecker. Er sitzt mehrere Stunden am Polieren dieses einzigen vergoldeten Engelsflügels. Mit einem Achatstein streicht er mehrmals über jede der vielen feinen Rundungen. Am Ende ist das Ergebnis perfekt, im Glanz kann er sich fast spiegeln. Doch der letzte Arbeitsschritt war das immer noch nicht. Denn zu schön darf es nicht aussehen. "Es muss ja zu dem alten Barockengel passen", sagt Christian Schieferdecker. Deshalb streicht er noch eine klebrige Leimschicht darüber.

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