Spielzeug liegt in einer Kindertagesstätte auf dem Boden.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Monika Skolimowska

In immer mehr Kitas herrscht Personalmangel. Das hat Auswirkungen auf die Volkswirtschaft.

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Kita immer öfter zu, Job reduzieren? Wie Firmen Lösungen suchen

Rund 18.800 Stellen in der Kinderbetreuung müssten bayernweit besetzt werden. Zum Ausgleich reduzieren Eltern, vor allem Frauen, immer häufiger ihre Arbeitszeit. Ein Problem – auch für die Volkswirtschaft. Einige Unternehmen suchen deshalb Lösungen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

"Seit Wochen ist der erste Blick morgens direkt beim Aufstehen aufs Handy, in die Kita-App: Habe ich Betreuung oder nicht?!", erzählt die Münchnerin Jeannette Gebauer. "Das ist wirklich belastend!" Gebauer arbeitet in Teilzeit, ihre Kinder sollten eigentlich in den Kindergarten und die Krippe gehen. Doch seit Weihnachten habe es keine Woche gegeben, in der beide Kinder vollständig betreut waren, sagt sie. Wegen Krankheitsfällen und Personalmangels habe die Kita oft außerplanmäßig zu. Außerdem wurden die Gebühren erhöht.

Falls Jeannette Gebauer keine andere Betreuungsmöglichkeit findet, befürchtet sie, ihren Job erstmal unterbrechen zu müssen: Sie wird dann notgedrungen ein weiteres Jahr Elternzeit nehmen müssen.

Dauerhaft unzuverlässige Kinderbetreuung wegen Personalmangels

Gebauer ist kein Einzelfall. Laut einer Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung kennen knapp zwei Drittel aller Eltern regelmäßige Betreuungsausfälle in den Kitas. Bettina Kohlrausch ist Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Stiftung. Sie erklärt, dass viele Eltern zunächst versuchen, die Engpässe mit Urlaub oder mit Abbau von Überstunden auszugleichen. "Aber ein Drittel der betroffenen Eltern hat gesagt, dass sie ihre Arbeitszeiten wegen der unzuverlässigen Betreuungssituation gekürzt haben." Ein Problem also mit volkswirtschaftlichen Konsequenzen.

Volkswirtschaftliche Kosten durch geringere Erwerbsarbeit hoch

"Das sind natürlich Arbeitskräfte, die gerade in Zeiten von Fachkräftemangel auch wirklich einfach fehlen", so Bettina Kohlrausch. Die fehlende Erwerbsarbeit – vor allem der Mütter – würde sich in höheren Sozialausgaben und geringeren Steuereinnahmen bemerkbar machen. Der volkswirtschaftliche Schaden lasse sich zwar nicht genau beziffern. Aber dazu komme eine weitere Folge der vielen Schließungen: Die nötige frühkindliche Bildung leide. "Auch in zwanzig bis dreißig Jahren werden ausgebildete Fachkräfte dringend gebraucht", meint Bettina Kohlrausch, die auch Professorin an der Universität Paderborn ist.

"Mini-Kita": Arbeitgeberverantwortung Kinderbetreuung?

In kleinen und mittleren Unternehmen nehmen manche Arbeitgeber die Kinderbetreuung deswegen selbst in die Hand. Wie zum Beispiel Sabine Fuchsberger-Paukert, Geschäftsführerin eines Münchner Arznei-Großhandels. Sie hat mithilfe des Trägers "Sira" an der Münchner Friedenheimer Brücke eine Großtagespflege initiiert und finanziert drei von zehn Betreuungsplätzen mit. Einmalig mit je 5.000 Euro pro Platz, dazu 390 Euro für die Eltern pro Monat – die Hälfte der anfallenden Gebühren. Für die Apothekerin ist die "Mini-Kita" unterm Strich trotzdem ein Gewinn, erzählt sie: "Ich zahle das für meine Mitarbeiter, weil ich damit ein attraktiver Arbeitgeber bin. Es sind einfach Personalnebenkosten, die ich ausgebe für Mitarbeiter, die ich dann wieder zurückhole."

Mehr Personalstunden, weniger Personalausfälle

Was für die Unternehmerin "verschwindend geringe" Personalnebenkosten sind, ist für den Kita-Träger "Sira" eine dringend nötige Finanzspritze. Denn so können mehr Personalstunden kalkuliert und Krankheitsfälle besser abgefedert werden. Außerdem haben kleinere Kindergruppen positive Folgen für die Mitarbeiterinnen. "Es sind im Team zwei bis vier Personen. Das sind immer die gleichen, und mit der kleinen Kinderanzahl ist das Stresslevel auch einfach viel kleiner", meint Christina Ramgraber von "Sira Kinderbetreuung". Die Hoffnung: Die Mitarbeiterinnen werden weniger krank und bleiben gern im Beruf.

Rund 18.800 Stellen in der Kinderbetreuung fehlen bayernweit

Doch ein solcher Personalschlüssel ist nicht nur finanziell nicht überall möglich. Rund 18.800 Stellen in der Kinderbetreuung müssten im Freistaat derzeit besetzt werden, räumt das bayerische Sozialministerium auf Anfrage von BR24 ein. Gleichzeitig verweist das Ministerium aber auf die steigende Anzahl an Beschäftigten in bayerischen Kitas: Im Jahr 2011 waren es noch 64.000, im Jahr 2023 über 118.000 – ein Anstieg um gut 85 Prozent. Je nach weiterem Zuwachs rechnet das Ministerium nach eigenen Angaben sogar damit, den Personalbedarf bis spätestens zum Jahr 2027/2028 decken zu können. Was sowohl den Familien als auch der Volkswirtschaft helfen würde.

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